Unternehmen

Amerikas Fracking-Branchenprimus schlingert der Insolvenz entgegen

Der größte Gaskonzern der Vereinigten Staaten ist in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Verwunderlich ist das nicht – große Teile der Fracking-Branche werden inzwischen nur durch hohe Neuschulden von Investoren über Wasser gehalten. Die Krise der Branche ist auch ein Grund, warum die Regierung weltweit aggressiv gegen fremde Energieprojekte vorgeht.
19.01.2020 12:18
Aktualisiert: 19.01.2020 12:18
Lesezeit: 3 min
Amerikas Fracking-Branchenprimus schlingert der Insolvenz entgegen
Der Optimismus in Amerikas Fracking-Industrie geht dem Ende entgegen. (Foto: dpa) Foto: Irfan Khan / Pool

Der größte Gaskonzern der USA ist in gewaltige Schwierigkeiten geraten. Diese Woche erklärte das in Pittsburgh niedergelassene Unternehmen EQT (nicht zu verwechseln mit der schwedischen Investmentgruppe gleichen Namens), dass es im vierten Quartal eine außerplanmäßige Abschreibung in Höhe von 1,8 Milliarden Dollar habe vornehmen müssen, berichtet der auf Energie-Themen spezialisierte Informationsdienst Oilprice.com. Zudem kündigte EQT überraschend an, seine geplanten Investitionen im Jahr 2020 um 50 Millionen Dollar auf nun 1,25 bis 1,35 Milliarden Dollar zu senken. Die Konzernleitung versucht parallel dazu, etwa 1,5 Milliarden Dollar an Schulden durch den Verkauf von Firmeneigentum zurückzuzahlen – die Krise geht also bereits an die Substanz des Unternehmens.

Die Ratingagentur Moody’s reagierte noch am Montag und senkte die Bonität von EQT auf die Stufe Ba1 und damit auf „Ramschniveau“ herab. Zudem versah Moody’s die Geschäftsaussichten von EQT mit einem negativen Ausblick. „EQT’s signifikant schwacher Cashflow vor dem Hintergrund anhaltend niedriger Preise für Erdgas und die Absicht der Firma, alte Schulden durch neue abzulösen, sind die Hauptgründe für die Abwertung der Bonität“, schreibt Moody’s. Die Ratinganalysten vermerkten weiterhin, dass „die Schwankungsanfälligkeit der Erdgasförderer einen höheren Cashflow verglichen zum Schuldenniveau erforderlich mache, als jenen, den EQT selbst mittelfristig und selbst bei Reduzierung seiner Schulden bieten“ könne.

Insbesondere der Verweis auf die schwierige Schuldenlage zeigt das Hauptproblem der US-amerikanischen Fracking-Branche auf: Diese wirtschaftet zu großen Teilen nicht rentabel und wird nur aufgrund eines ständigen Flusses günstiger Kredite am Leben erhalten – möglich ist auch das nur, weil das Zinsniveau in den USA seit der Krise von 2008 permanent auf historisch betrachtet unterdurchschnittlichem Niveau lag und über weite Strecken sogar den Nullpunkt erreicht hatte.

Das Handelsblatt berichtete im Oktober 2019, dass nur noch knapp zehn Prozent der 40 größten Schieferöl-Produzenten in den USA dem Analysehaus Rystad Energy zufolge einen positiven Kassenbestand aufweisen. Wie Oilprice.com berichtet, gab es in den ersten neun Monaten des Jahres 2019 50 Insolvenzen von Öl- und Gasunternehmen aus dem Frackingbereich - gegenüber 43 Insolvenzen für das gesamte Jahr 2018.Und einem Bericht von Moody's zufolge müssen Explorations- und Produktionsunternehmen bis zum Jahr 2023 zudem Schulden von rund 100 Milliarden US-Dollar zurückzahlen, berichtet die Neue Zürcher Zeitung.

Die Hauptursache der Probleme sind deshalb folgerichtig aus Sicht von EQT die zu niedrigen Marktpreise für Erdgas in den USA, welche ein nachhaltiges Wirtschaften fast unmöglich machten, sagte Konzernchef Toby Rice. „Die Gaspreise sind unten. Es macht einen großen Unterschied, ob er Preis bei 2,75 Dollar oder 2,50 Dollar liegt.“ Die tiefen Preise wiederrum sind Folge der wirtschaftspolitischen Bestrebungen der US-Regierungen seit Barack Obama, die USA energieautark zu machen, indem die heimische Förderung von Erdgas und Erdöl mithilfe der umstrittenen Fracking-Technologie in den vergangenen Jahren massiv finanziell und politisch unterstützt wurde. Nun herrscht offenbar ein Überangebot an Markt vor, welches auf den Preisen lastet.

Dass es nun ernst für EQT werden könnte, zeigt sich daran, dass sich die Investoren verstärkt von Anteilsscheinen des Unternehmens trennen. So hat der Aktienkurs seit 2017 rund 75 Prozent an Wert verloren, alleine seit Frühjahr 2019 beläuft sich das Minus auf etwa 50 Prozent. Überhaupt gehörten Aktien von Energieunternehmen - insbesondere kleinen und mittelgroßen - im Jahr 2019 zu den Verlierer am US-Aktienmarkt.

Oilprice weist daraufhin, dass sich die Situation neben der Causa EQT auch bei anderen großen Fracking-Konzernen zugespitzt hat:

„Diese Probleme sind viel größer als EQT. Das Unternehmen Range Resources strich vor Kurzem seine Dividende zusammen, um Schulden zurückzuzahlen, während es weitere 550 Millionen Dollar am Markt lieh, um ältere Verbindlichkeiten abzulösen. Währenddessen bewegt sich der Aktienkurs von Chesapeake Energy, dem landesweit zweitgrößten Gasförderer, im Centbereich und die Firma muss damit rechnen, von der New Yorker Börse genommen zu werden. Das Schlamassel bei EQT spiegelt die größere Finanzsituation der Fracking-Branche wider. Mit Fracking kann viel Öl oder Gas gefördert werden, aber die verstärkte Erschöpfung der Bohrlöcher pulverisiert die Gewinne. Wenn der größte Gaskonzern des Landes solche Probleme hat und in den vertrauensunwürdigen Ramschbereich abgestuft wird, dann stimmt etwas mit dem gesamten Geschäftsmodell nicht.“

Die Schieflage der US-Energiewirtschaft spielt im Übrigen auch eine Rolle bei der aggressiven Vermarktung amerikanischen Öls und Gases in der Welt und insbesondere auch bei der Sanktionspolitik gegen nicht genehme Energieprojekte weltweit – etwa das deutsch-russische Pipelineprojekt Nordstream 2.

Der US-Regierung geht es darum, den Absatz amerikanischen Erdgases und Erdöls im Ausland zu erhöhen und ihren Produzenten einen wachsenden Anteil am Weltmarkt zu sichern. Dazu muss das Erdgas jedoch in verflüssigter Form als sogenanntes LNG über den Atlantik nach Europa oder über den Pazifik nach Asien verschifft werden, weshalb LNG preislich nicht mit Erdgas aus Russland oder Nahost mithalten kann.

Weitaus signifikanter als die möglichen Auswirkungen auf den weltweiten Energiemarkt sind jedoch die Risiken, welche die Geldgeber mit ihren Investitionen in viele Fracking-Unternehmen eingegangen sind. Kommt es zu einer Welle an Insolvenzen und Fusionen – ein Szenario, welches inzwischen von vielen Beobachtern erwartet wird – schlagen die Ausfälle direkt auf die Portfolien von Privatinvestoren, Pensionsfonds, Versicherungen und anderen Finanzinstitutionen durch.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt

 

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...

DWN
Politik
Politik Zweite Kanzlerreise: Erwartungen an Merz in Brüssel steigen
09.05.2025

Nur drei Tage nach seinem Amtsantritt ist Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zu seiner zweiten Kanzlerreise aufgebrochen – Ziel ist...

DWN
Technologie
Technologie Meta trainiert KI mit Ihren Daten – ohne Ihre Zustimmung. So stoppen Sie das jetzt!
09.05.2025

Ab dem 27. Mai analysiert Meta öffentlich sichtbare Inhalte von Facebook- und Instagram-Nutzern in Europa – zur Schulung seiner...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley wankt: Zölle, Zoff und zerplatzte Tech-Träume
08.05.2025

Während Europa auf seine Rezession zusteuert und China seine Wirtschaft auf staatlicher Kommandobasis stabilisiert, gibt es auch im sonst...