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Völker, hört die Signale: Kamerad Trump

Lesezeit: 4 min
19.02.2020 19:18  Aktualisiert: 19.02.2020 19:18
Mr. President war einmal. Jetzt heißt es: Kamerad Trump. Nina L. Chruschtschowa, Politikwissenschaftlerin und Enkelin von Nikita Chruschtschow, zeigt, wie Donald Trump Diktatoren wie Josef Stalin und Kim Jong-un immer ähnlicher wird. Eine erschreckende Analyse.
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Donald Trump. (Foto: dpa)

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„In nur drei kurzen Jahren“, so erklärte US-Präsident Donald Trump in seiner jüngsten Ansprache zur Lage der Nation, „haben wir die Behauptung widerlegt, Amerika befinde sich im Abstieg, genau wie das Gerede, Amerika stehe ein schweres Schicksal bevor.” Diese haltlose Aussage – die mehr mit Propaganda als mit der Wirklichkeit zu tun hat – erinnert an Joseph Stalins Erklärung von 1935: „Das Leben hat sich verbessert, Kameraden, das Leben ist freudvoller geworden.“

Als Stalin „die radikale Verbesserung des materiellen Wohlergehens der Arbeiter“ durch das sowjetische Regime proklamierte, waren die Produktionsstatistiken schwach, ganze Bevölkerungen (insbesondere in der Ukraine) litten unter Hungersnöten, und die Große Säuberung – eine brutaler Feldzug der politischen Repression – war bereits absehbar. Und während Trump seine Regierung dafür lobt, angeblich die Größe Amerikas wieder hergestellt zu haben, bemühen sich Verbündete und Freunde verzweifelt, ihre Abhängigkeit von den USA zu verringern. Das Land ist nicht nur zu einer Bedrohung der globalen Stabilität geworden, sondern auch zu einer Witzfigur, über die die ganze Welt lacht.

Auch Trumps Aussagen zur Wirtschaft führen in die Irre: Ja, das BIP-Wachstum ist immer noch relativ stark, und die Aktienpreise sind auf Rekordhoch. Aber wie Gretchen Whitmer, die Gouverneurin von Michigan, nach Trumps Ansprache betonte: „Millionen von Menschen versuchen verzweifelt, zurechtzukommen, oder haben am Ende des Monats, nachdem sie für Transport, Studienkredite oder Medikamente bezahlen mussten, nicht genug Geld übrig“. Der „Arbeiterboom“, den Trump versprochen hatte, ließ einen erheblichen Teil der Arbeiter außen vor.

Ich behaupte nicht, dass Trump ein neuer Stalin ist, und keinesfalls will ich die heutige USA mit der Sowjetunion der 1930er gleichsetzen. Aber ich erkenne Propaganda, wenn ich sie höre, und Trumps Worte sind ein glasklares Beispiel dafür. Außerdem weiß ich, wie effektiv gute Propaganda sein kann, um Raum für diktatorisches Verhalten zu schaffen – und wie empfänglich sogar die stabilste Demokratie für totalitäre Einflüsse sein kann.

Natürlich besteht Propaganda nicht nur aus Worten. Um eine Aura der Großartigkeit zu kultivieren, nutzen autoritäre Regenten auch noch andere Werkzeuge. Eines davon ist die Architektur. Von den ägyptischen Pharaonen über die römischen Kaiser bis hin zu zeitgenössischen Diktatoren wie dem nordkoreanischen Kim Jong-un: Immer wieder haben autoritäre Führer Architektur dazu verwendet (oder missbraucht), die öffentliche Wahrnehmung zu manipulieren, indem sie grandiose öffentliche Orte schufen, die ihr prächtiges Selbstbild widerspiegeln sollten.

So wurde Leni Riefenstahls umstrittenes filmisches Meisterwerk Olympia von 1938, das über die Berliner Sommerolympiade von 1936 berichtet, mit der Absicht gedreht, die maskuline, dominante Aura des Stadiums – und damit des Nazi-Regimes –zu betonen. Und dann war da noch Albert Speers Neuentwurf Berlins aus den frühen 1930ern, der die totalitären Ambitionen des Regimes in monotone, aufdringliche und brutale neoklassische Architektur kanalisierte.

Stalin wiederum bildete Hitlers imperiales Modell durch seinen eigenen architektonischen „Klassizismus“ nach: Hochhäuser mit Kuppeln, Turmspitzen und anderen Verzierungen zur Demonstration von Macht. Außerdem ließ er sich vom Manhattan-Verwaltungsgebäude in New York City inspirieren, das die Größe der amerikanischen Nation der 1910er Jahre widerspiegelte.

Momentan bringt die Trump-Regierung den Entwurf einer Verfügung namens „Staatsgebäude wieder schön machen“ in Umlauf, laut derer sich Architekten nach „klassischen“ Strukturen richten sollen, die von der griechisch-römischen Tradition inspiriert sind. Diese Verfügung unterstreicht die symbolische Bedeutung von Gebäuden und richtet sich explizit gegen die – von Präsident John F. Kennedy geförderten –„Leitprinzipien staatlicher Architektur“, die die Regierung aufforderten, sich nach den Entwürfen der Architekten zu richten.

Vielleicht sollte uns dies nicht überraschen. Bereits lang bevor er Präsident wurde, nutzte Trump Architektur, um seine Macht und seine Privilegien zu demonstrieren. So hat die grelle, goldene Bauweise, von der seine zahllosen Trump-Gebäude geprägt sind, viel mit dem überbordenden Rokoko-Geschmack gemeinsam, der auch von zeitgenössischen Autokraten wie Xi Jinping in China, Wladimir Putin in Russland und Recep Tayyip Erdoðan in der Türkei kultiviert wird.

Diese Machthaber nutzen auch eine weitere Form der Projektion autoritärer Macht: Militärparaden, die für autoritäre Gestalten eine bewährte Methode sind, um sowohl Unterstützer als auch Gegner zu beeinflussen. 2017 konnte Trump seine Begeisterung nicht verbergen, als er einer Militärparade zum Tag der Bastille in Paris beiwohnte. Diese war zwar keine Machtdemonstration, sondern eine Zeremonie, aber sie fand neben dem Triumphbogen statt, der auch eine von Speers Inspirationsquellen für das Berlin der Nazizeit war. Zwei Jahre später veranstaltete Trump dann seine eigene, übermäßig teure Militärparade.

Man könnte dazu neigen, solche Präsentationen als Bagatelle abzutun. Aber sie spiegeln eindeutig eine Neigung zu gefährlichem und rücksichtslosem Verhalten wider – wozu auch die Ablehnung jeglicher Kontrollen über die Exekutivmacht gehört, die für eine funktionsfähige Demokratie von entscheidender Bedeutung sind.

Insbesondere Trumps Unfähigkeit, Kritik zu akzeptieren, ist beunruhigend. Stalin hat seine Gegner als „Feinde des Volkes“ verurteilt und Tausende von ihnen wegen Ungehorsams eingesperrt oder umgebracht. Natürlich würde Trump mit einem solchen Ausmaß von Unterdrückung nicht durchkommen, aber er verwendet dieselbe Rhetorik und bezeichnet kritische Medien als „Feinde des Volkes“.

Seinen Impeachment-Scheinprozess in einem republikanisch dominierten Senat, zu dem keine Zeugen zugelassen waren, hat er zwar gewonnen – aber jene, die vor dem Repräsentantenhaus über seine Versuche ausgesagt haben, den ukrainischen Präsidenten Volodymyr Zelensky zu Ermittlungen gegen einen politischen Gegner zu zwingen, hat er direkt danach gefeuert. Dies war ein glasklares Beispiel für die Art von Vergeltung, die für Diktaturen typisch ist.

Und als der Impeachment-Zeuge Lieutenant Colonel Alexander S. Vindman gefeuert wurde, wurde auch sein Zwillingsbruder Lieutenant Colonel Yevgeny Vindman, ein Anwalt für die Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrats, von Sicherheitskräften aus dem Weißen Haus eskortiert. Dies war pure, kleinliche Rachsucht. In der UdSSR der 1930er wäre Yevgeny wohl als ChSVR (Familienmitglied eines Volksfeinds) bezeichnet und für fünf Jahre in einen sibirischen Gulag eingesperrt worden.

So beginnen Diktaturen. Vor den nächsten US-Präsidentschaftswahlen im November sind alle Bürger dafür verantwortlich, Trumps diktatorische Impulse, die durch eine Wiederwahl nur noch verstärkt würden, kritisch unter die Lupe zu nehmen. Ob er nicht so weit geht oder zu „mittelmäßig“ ist – wie Leo Trotzki und andere Bolschewiken Stalin bezeichneten – um sein Land völlig zu verändern, können wir nicht wissen.

Wladimir Lenin, der selbst ein rücksichtsloser Bolschewik war, schrieb 1922: „Stalin hat eine enorme Macht in seinen Händen konzentriert, die er nicht verantwortungsvoll nutzen kann“ – aufgrund seiner Grobheit, Intoleranz und Launenhaftigkeit. All diese Eigenschaften besitzt auch Trump zur Genüge. Je mehr Macht er in seinen eigenen Händen hält, desto finsterer sind die langfristigen Aussichten für die amerikanische Demokratie. Seine Wiederwahl könnte bedeuten, dass die Lichter ausgehen.

Aus dem Englischen von Harald Eckhoff

Nina L. Chruschtschowa ist Professorin für Internationale Angelegenheiten an der New School. Ihr jüngstes Buch (gemeinsam mit Jeffrey Tayler) ist In Putin’s Footsteps: Searching for the Soul of an Empire Across Russia’s Eleven Time Zones.



Copyright: Project Syndicate, 2020.

www.project-syndicate.org

Zur Autorin: 

Nina L. Chruschtschowa (geb. 1962 in Moskau) ist Professorin für Internationale Angelegenheiten an der  renommierten Forschungseinrichtung "New School" in Manhattan. Sie ist die Enkelin von Nikita Chruschtschow. 


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