Weltwirtschaft

Rekordhohe Schulden der Unternehmen bedrohen das globale Finanzsystem

Lesezeit: 2 min
23.02.2020 14:27
Die Anleiheschulden der weltweiten Unternehmen haben ein neues Rekordniveau erreicht. Die OECD sieht in diesem Zusammenhang eine Bedrohung für die Stabilität des gesamten Finanzsystems.
Rekordhohe Schulden der Unternehmen bedrohen das globale Finanzsystem
Noch gelingt es der EZB und den anderen großen Zentralbanken, den Anleihemarkt stabil zu halten. (Foto: dpa)
Foto: Arne Dedert

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Industriestaaten-Organisation OECD läutet wegen weltweit rekordhoher Anleiheschulden der Unternehmen die Alarmglocken. Ende letzten Jahres erreichten sie ein noch ein nie dagewesenes Niveau von 13,5 Billionen Dollar, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung am Dienstag mitteilte. Das ist mehr als doppelt so hoch wie noch Ende 2008 während der Finanzkrise.

Allein im vergangenen Jahr haben Firmen der Realwirtschaft - also ohne Berücksichtigung von Finanzunternehmen - neue Schuldenpapiere im Umfang von 2,1 Billionen Dollar an Investoren verkauft, was dem bisherigen Rekordniveau des Jahres 2016 entspricht, so der OECD-Bericht. Begünstigt worden sei die Schuldenaufnahme durch die Ankündigung großer Notenbanken, ihre Geldschleusen wieder stärker zu öffnen.

Ratings von Unternehmensanleihen sind gesunken

Im letzten Jahr haben laut OECD rund 51 Prozent aller ausgegebenen Schuldentitel mit dem Gütesiegel Investmentgrade, die damit als eher ausfallsicher gelten, lediglich die niedrigste Investmentgrade-Note "BBB" gehabt. Anleihen mit noch niedrigeren Noten gelten als "Ramsch". Im Zeitraum 2000 bis 2007 vor der Finanzkrise habe der "BBB"-Anteil unter den Investmentgrade-Schulden lediglich bei 39 Prozent gelegen.

Sollte die Unterstützung der Geldpolitik durch niedrige Zinsen wegfallen oder ein Konjunkturabschwung einsetzen, könnten solche Unternehmensschulden vermehrt in den Ramschbereich herabgestuft werden, warnt die OECD. Betroffene Firmen müssten dann höhere Finanzierungskosten stemmen, ihr Spielraum für Investitionen würde sinken oder sie würden gar pleite gehen.

Solche sogenannten Zombie-Unternehmen, die sich nur noch mithilfe günstiger Kredite über Wasser halten können, sind ein wachsendes Problem. So haben im letzten Jahr rund 40 Prozent aller börsennotierten US-Unternehmen keine Gewinne erwirtschaftet. Damit erreicht diese Quote den höchsten Stand seit Ende der 1990er Jahre - kurz bevor die sogenannte "Dotcom-Blase" platzte.

Längere Laufzeiten bedeuten größere Gefahren

Laut OECD sind auch die Laufzeiten der Firmenanleihen länger geworden und die Rückzahlungsanforderungen gestiegen. Dies könnte die negativen Folgen verstärken, die ein Konjunkturabschwung für Unternehmenssektor und Gesamtwirtschaft hätte. Es könnten Sorgen um die Stabilität des Finanzsystems aufkommen, wenn verstärkte Herabstufungen in den Ramschbereich eine Verkaufswelle am Anleihemarkt auslösen.

Zwar ist ein Ende der lockeren Geldpolitik derzeit nicht absehbar. Doch ein globaler Konjunkturabschwung wird durchaus immer wahrscheinlicher. In Deutschland etwa hat die Industrie bereits im Dezember einen deutlichen Rückgang im Neugeschäft um 2,1 Prozent verzeichnet. Und seitdem ist die Ausbreitung des Coronavirus als weitere Belastung für die Weltwirtschaft hinzugekommen.

Anzeichen einer Blase

Was zusätzlich beunruhigen sollte, ist der Verwendungszweck der neuen Schulden. Viele neue Schulden werden ausgegeben, um Aktienrückkäufe und Dividendenzahlungen zu finanzieren. Aus dem Ertrag des operativen Geschäft wäre dies oft nicht möglich. Bei vielen Unternehmen gerade aus dem Ramschbereich werden auch einfach die Zinsen auf der bereits existierenden Schuld durch die Aufnahme neuer Kredite bezahlt. Hingegen wird eben gerade nicht viel investiert, das heißt, für zukünftig produktive Zwecke verwendet. Es ist dies die Folge der Geldpolitik, welche Kredite praktisch kostenlos und unbegrenzt verfügbar gemacht hat.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Deutsche müssen über Abschiebungen diskutieren - mit aller Vorsicht
26.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...