Die Stimmung in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft hat sich im Februar trotz der Coronavirus-Epidemie leicht aufgehellt. Das Barometer für das Ifo-Geschäftsklima stieg überraschend auf 96,1 Punkte von 96,0 Zählern, wie das Münchner Institut am Montag zu seiner Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Von Reuters befragte Volkswirte hatten hingegen mit einem Rückgang auf 95,3 Zähler gerechnet.
"Die deutsche Wirtschaft scheint von der Entwicklung rund um das Coronavirus unbeeindruckt", sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Firmenchefs beurteilten ihre Aussichten günstiger, aber ihre Geschäftslage skeptischer als zuletzt.
Analysten sagten dazu in ersten Reaktionen:
JÖRG KRÄMER, COMMERZBANK-CHEFVOLKSWIRT:
"Das Coronavirus dürfte die Industrierezession in Deutschland um ein paar Monate verlängern. Denn in China lässt alleine eine Woche mit massiven Produktionsausfällen (von minus 50 Prozent in der Industrie) das dortige Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal nach unseren Schätzungen gegenüber einer Situation ohne Corona um zwei Prozent fallen. Das erste Quartal wird in China also schlecht ausfallen. Es ist gut möglich, dass dies das deutsche Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal wegen sinkender Exporte und fehlender Zulieferungen schrumpfen lässt - zumal das Virus Norditalien erreicht hat."
FRITZI KÖHLER-GEIB, KFW-CHEFÖKONOMIN:
"Das Ifo-Geschäftsklima für Februar wurde mit Spannung erwartet, denn es bietet einen ersten Eindruck davon, wie stark das Coronavirus die deutschen Unternehmen beunruhigt. Bisher gibt es hierzu zwar Berichte aus einzelnen Unternehmen, aber kaum belastbare Daten zu den Auswirkungen in der Breite. Der Fokus liegt auf dem international verflochtenen Verarbeitenden Gewerbe, das im Januar eine deutliche Stimmungsaufhellung gemeldet hat und nun überraschend eine erneute Verbesserung des Geschäftsklimas verzeichnet. Dennoch ist zu befürchten, dass die deutsche Industrie beeinträchtigt wird, wenn Zulieferer aus China infolge des Coronavirus noch länger stillstehen und es außerdem zu Nachfrageausfällen kommt. Erfahrungsgemäß gibt es nach konjunkturellen Schocks wie dem Coronavirus eine Aufholbewegung, die aber wahrscheinlich nicht ausreicht, um den gesamten Wachstumsverlust binnen Jahresfrist auszugleichen."
ANDREAS SCHEUERLE, DEKABANK:
"Man könnte die heutigen Daten mit 'Inkubation' überschreiben. Es gibt Hinweise auf eine Infektion der deutschen Wirtschaft mit dem Coronavirus, doch noch ist die Krankheit nicht ausgebrochen. Das liegt unter anderem an den Transportzeiten: Viele Containerschiffe, die wegen Corona in China nicht losfahren konnten, wären derzeit noch auf Hoher See. Da die Produktionseinschränkungen in China aber nur sehr langsam abgebaut werden, werden die Liefer- und Absatzprobleme perspektivisch immer stärker auf der Wirtschaft lasten. Hinzu kommt die besorgniserregende Verschärfung der Situation in Italien. Es ist damit zu rechnen, dass die nächsten Stimmungsindikatoren noch deutlicher zurückgehen und Konjunkturprognosen nach unten revidiert werden."
BASTIAN HEPPERLE, BANKHAUS LAMPE:
"Das Geschäftsklima ist noch ohne Virus-Befund. Offensichtlich dauert der Transport etwas länger, bis die Meldungen über Lieferstörungen und Absatzeinbrüchen in China auch hierzulande im Geschäftsklima ankommen. Bei Ländern, mit besonders engen Handelsbeziehungen, ist das schon deutlich sichtbar. Deutschland dürfte noch folgen. Der kurzfristige Ausblick bleibt damit getrübt. Eine allmähliche Konjunkturerholung wird wohl weiter auf sich warten lassen."
ULRICH WORTBERG, HELABA:
"Das Stimmungsbarometer hat sich erholt und die Konsensschätzung übertroffen. Damit folgt es den vorläufigen Einkaufsmanagerindizes und nicht den rückläufigen sentix- und ZEW-Umfragen. Das Szenario einer allmählichen Konjunkturbelebung wird untermauert. Zinssenkungserwartungen bezüglich der EZB sollten nicht forciert werden, wenngleich negative Auswirkungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Ausbreitung nicht ausgeschlossen werden können."