Nach allem, was wir inzwischen über Situation in China wissen, hat sich das wirtschaftliche Geschehen im Februar extrem verlangsamt. Die Indikatoren vermitteln den Eindruck eines plötzlichen tiefen Einbruchs, der in Friedenszeiten beispiellos ist. In vielen Bereichen ist fast ein Stillstand zu registrieren. Transport und Logistik sind völlig zusammengebrochen, viele Dienstleistungen wurden eingestellt oder dramatisch reduziert. Die industrielle Produktion, die aus saisonalen Gründen – dem chinesischen Neujahrsfest – für kurze Zeit eingestellt worden war, ist nur zu einem kleinen Teil wiederaufgenommen worden. Dazu kommt, dass der Konsum durch die Ausgangssperren schwer gelitten hat.
Ein solcher Einbruch kommt üblicherweise dann zustande, wenn vorher an den Finanzmärkten nach einem langen spekulativen Boom ein sogenannter Minsky-Moment eingetreten ist: Ein Zusammenbruch der Aktivpreise plus einer Finanzkrise, die die Liquidität im System und den Kreditfluss total unterbindet, führen dann in eine Wirtschafskrise. Doch selbst in solchen Fällen sind Einbrüche von der jetzigen Dimension, wie wir sie derzeit in China erleben, in ihrer jetzigen Breite und Tiefe präzedenzlos.
Doch wir haben bisher alles andere als eine akute Finanzkrise der eben beschriebenen Form. Im Gegenteil: Die Notenbanken, allen voran die amerikanische Fed, haben seit dem Juni, spätestens seit Herbst 2019, alle Schleusen geöffnet und einen gewaltigen Boom der Finanzmarktpreise hervorgerufen und ermöglicht. Dies nicht nur als eine einmalige kurzfristige Maßnahme, sondern als Krönung eines Kurses, der vor mehr als zwei Jahrzehnten von der Fed eingeschlagen und etappenweise fortgesetzt wurde. Auch in China hatte die Zentralbank (PBoC) nach einem jahrzehntelang gewaltigen Kreditrausch aufgrund des Handelskonflikts ihre Geldpolitik mehrfach gelockert.
Der plötzliche Stopp in der chinesischen Wirtschaftsaktivität ist das Ergebnis der drakonischen Quarantäne-Maßnahmen, welche die Parteispitze unter Führung von Xi Jingping ergriffen hat. Zunächst hatte die Regierung Signale und Warnungen geflissentlich überhört, dann – nach einer Reflexionsphase Ende Januar/Anfang Februar, als der Parteichef in den Medien kaum mehr Erwähnung fand, im Grunde genommen fast vollständig abgetaucht war – wurde sie praktisch aus dem Nichts heraus hyperaktiv.
Corona-Virus aufdatiert
Was hat die chinesische Führung veranlasst, ihren Kurs so drastisch zu ändern? Die neuartige Coronavirus-Erkrankung ist in einem sehr frühen Stadium des Auftretens. Noch sind viele Eigenschaften unbekannt, fast täglich kommen neue Informationen hinzu. Zu den wichtigsten Informationen zählen selbstverständlich diejenigen, welche die chinesische Führung als Ergebnis der Untersuchungen ihrer Experten freigibt.
Die „Global Times“, eine englischsprachige Zeitung und offizielles Organ der Kommunistischen Partei, hat eine Pressekonferenz medizinischer Experten widergegeben. Gemäß Wang Chen, stellvertretendem Leiter der chinesischen Akademie der Wissenschaften, ist das Corona-Virus hochansteckend und dürfte sich wie die Grippe in eine im Winter chronisch auftretende Krankheit verwandeln und für lange Zeiträume überleben. Anders als bei Sars ist also nicht mit einem Verschwinden innerhalb weniger Monate zur rechnen. Die Bedeutung dieser Botschaft ist, dass damit eine globale Pandemie eine reale Möglichkeit wird.
Drei Experten des zentralen Ärzteteams aus Wuhan gaben an, dass die meisten vom neu aufgetretenen Virus infizierten Personen über 50 Jahre alt sind und vorexistierende Bedingungen wie Herz-/Kreislauf-Erkrankungen hatten. SARS-Patienten dagegen seien oft Junge und Personen mittleren Alters. SARS betreffe ausschließlich Lungenerkrankungen, während das Corona-Virus neben den Lungen auch Organe wie Herz, Nieren und Magen/Darm erfassen könne. Die neue Krankheit sei deshalb viel schwieriger zu behandeln als SARS.
Die Todesfallrate betrage bei den bisher analysierten Fällen 2,3 Prozent, in der hauptsächlich betroffenen Provinz Hubei 2.9 Prozent. Das ist deutlich weniger als bei SARS (rund 10 Prozent), aber um ein Vielfaches höher als bei der saisonalen Grippe. Wiederum ergibt sich als Schlussfolgerung, dass das Virus hochansteckend ist, jedoch bei adäquater medizinischer Versorgung das Todesfall-Risiko beherrschbar erscheint. Wo aber die rechtzeitige Diagnose, Expertise und Behandlung unterbleibt, bewegt sich das Risiko entsprechend in ganz anderen Dimensionen.
Nicht zuletzt deshalb hat Ying Yong, der neu ernannte Provinz-Sekretär von Hubei und frühere Bürgermeister von Shanghai, die medizinischen Ressourcen im krisengeplagten Epizentrum der Epidemie massiv verstärkt. Er hat rund 25.000 zusätzliche medizinische Fachkräfte – Ärzte, Krankenschwestern, Hilfspersonal – vor allem nach Wuhan beordert und will innerhalb kurzer Zeit zwölf neue Notfall-Spitäler zur Behandlung der Erkrankten bauen lassen.
In Bezug auf das Timing der aktuellen Epidemie korrigierte und präzisierte Zong Nanshan, der höchste Gesundheitsberater der Zentralregierung, frühere Einschätzungen. Er gab an, dass der Gipfel der Neuerkrankungen etwas später, Ende Februar, der Höhepunkt der Epidemie aber erst Mitte April erreicht sein dürfte. Es ist die zweite Korrektur innerhalb weniger Wochen, die den Höhepunkt der Epidemie verschiebt. Das lässt darauf schließen, dass selbst der wohl beste Experte des Landes nach wie vor im Dunkeln tappt.
Angesichts des Ausmaßes der Quarantäne-Maßnahmen in China sind die Suche und die Erklärung für das Auftreten des Coronavirus zentral. Bisher war das offizielle Narrativ, dass es sich um ein Virus handle, das auf einem Tier- und Fleischmarkt in Wuhan erstmals aufgetreten sei, und folglich von lebenden Tieren auf den Menschen übertragen worden sei. Diese Erklärung ist nun in der „Global Times“ praktisch beerdigt worden. Die Zeitung, welche alle Kommunikation der Führung absolut linientreu widerspiegelt, berichtete am 22. Februar, dass eine neue chinesische wissenschaftliche Studie diese Erklärung verwerfe. Dies ist absolut zentral, denn die chinesische Führung filtert in der schwersten Krise seit 1989 alle Informationen gnadenlos. Sie tut zudem alles, um jegliche andere Kommunikation und Interpretation im Land in den Medien zu ersticken, um sich das Monopol der Deutungshoheit zu bewahren.
Die Studie weist nach, dass der erste Patient, Patient Null, das Virus von einem anderen Ort aus auf Arbeiter und Verkäufer im Tier- und Fleischmarkt übertragen hat. Von dort aus sei das Virus dann über weitere Märkte verbreitet worden. Diese These ist das Ergebnis genom-weiter Daten, Infektionsquellen und der Verbreitungsweise von 93 Stichproben des neuen Coronavirus.
Die Veröffentlichung im Partei-Sprachorgan ist absolut zentral, denn die Studie wurde erst einen Tag zuvor in einem chinesischen Quellenverzeichnis für wissenschaftliche Studien abgelegt und veröffentlicht. Die Publikation wäre, aus der Erfahrung mit der Kommunikationsweise der Kommunistischen Führung Chinas, niemals erfolgt, wenn die Spitze nicht ihre Zustimmung dazu gegeben hätte.
Interpretation und weitere Quellen
Diese Veröffentlichungen durch das offizielle Parteiorgan sind alarmierend. Sie werfen ein anderes, neues Licht auf die neuartige Erkrankung und geben zusammen mit anderen Quellen ein beunruhigendes Gesamtbild.
Schon kurz nach der Veröffentlichung des Coronavirus-Genoms tauchten Stimmen und Gerüchte auf, dass es sich dabei um einen Bio-Kampfstoff handle. In „seriösen“ Mainstream-Medien wurden diese als klassische „Fake News“ der sozialen Medien abgetan. Das Bild änderte sich, als ein Kenner von Bio-Kampfstoffen, der Amerikaner Dr. Francis Boyle, in einem Interview das neue Virus als entwichenen biologischen Kampfstoff charakterisierte. Boyle hatte 1989 den Gesetzestext über Biologie-Waffen und Terrorismus für die Bush-Administration redigiert, der vom Kongress angenommen wurde. Seither hat er in Büchern und Zeitschriften über Biokampfstoffe publiziert. Wichtig ist, dass in Wuhan das einzige Labor für Virologie in China angesiedelt ist, welches BSL-4 Stufe Biokampfstoffe erforscht. BSL-4 ist das höchste Niveau, das sich typischerweise mit offensiven Kampfstoffen beschäftigt. Das Labor ist offenbar in kurzer Distanz zum Fleisch- und Fischmarkt lokalisiert, wo die Epidemie zunächst ihren Ursprung genommen haben soll. In wissenschaftlichen Publikationen ist von Mitarbeitern des Instituts in den letzten Jahren wiederholt über Forschungen im Bereich von Coronavirus-Kampfstoffen berichtet worden.
Ende Januar 2020 war Chen Wei, Generalmajorin der chinesischen Volksarmee und als beste Biowaffen-Expertin des Landes bezeichnet, zur neuen Chefin eben dieses Wuhan-Instituts für Virologie ernannt worden.
Kurz nach Veröffentlichung des Interviews von Dr. Boyle ordnete Parteichef Xi Jingping an, dass ein Kontrollsystem für Bio-Sicherheit installiert werden müsse, um die Gesundheit der Bevölkerung zu sichern. Tags darauf veröffentlichte das chinesische Ministerium für Wissenschaft und Technologie eine neue Direktive mit dem vielsagenden Titel “Instructions on strengthening biosecurity management in microbiology labs that handle advanced viruses like the novel coronavirus.” Und wenige Tage später veröffentlicht die Parteizeitung, das offizielle Sprachorgan, einen Artikel, in dem von der Hypothese des Tier- und Fischmarktes als Ausgangspunkt der Epidemie Abstand genommen wird.
Ich bin kein Experte und verstehe nichts von biologischen Kampfstoffen. Es scheint aber, dass die chinesische Führung – unter typischer asiatischer Gesichtswahrung – eingeräumt hat, dass das bisherige Narrativ über den Ursprung des Coronavirus vergessen werden kann. Sie nennt keine Alternativ-Hypothese. Zumindest aber gibt es Indizien für die Hypothese eines Labor-Unfalls oder Labor-Entweichens, welche bisher die einzige alternative Erklärung darstellt. Sie signalisiert mit den Zahlen und Charakteristiken des Krankheitsverlaufs, dass die neue Krankheit viel gravierender ist als SARS. Es ist als eine deutliche Warnung an die internationale Gemeinschaft zu interpretieren.
Informationen von anderen Quellen und Plausibilitäts-Überlegungen untermauern diese Warnungen:
- In einem Interview bestätigt ein Arzt eines Spitales in Henan, dass er 50 neue Fälle von Coronavirus-Erkrankungen diagnostiziert habe. Gerade ein einziger sei von den Behörden weiter gemeldet und somit in die Statistik aufgenommen worden.
- Mit den offiziell veröffentlichten Krankheits- und Sterbedaten ist schlicht nicht erklärbar, warum die chinesische Führung die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt praktisch zum Stillstand gebracht hat. Die offiziell publizierten Daten zeigen an, dass die neue Coronavirus-Erkrankung im Verhältnis zur saisonalen Grippe einen Klacks darstellen und nur Bruchteile von deren Erkrankungen und Todesfälle hervorrufen würde. Die chinesische Führung muss Ende Januar zu einer ganz anderen Risikoeinschätzung gekommen sein, dass sie diese in Friedenszeiten präzedenzlosen Maßnahmen ergriffen hat.
- Über sehr komplizierte Krankheitsverläufe berichten auch die „Taiwan News“: So ist offenbar der Standard-Test für die neue Coronavirus-Erkrankung nicht zuverlässig. Mehrere Patienten sind wiederholt getestet worden, ohne dass der Test positiv ausgefallen wäre. Bei einer Computer-Tomographie seien dann aber beide Lungenflügel als stark infiziert dargestellt worden.
- Offenbar kann die Krankheit von infizierten Personen ohne Symptome an Dritte übertragen werden, und kann somit eine Verbreitung auslösen.
- Als besonders heimtückisch muss angesehen werden, dass offenbar Rückfälle von als geheilt angesehenen Patienten vorkommen, und dass diese sogar zum Tod durch Herzinfarkt führen können. Der Grund soll eine Überreaktion des Immunsystems sein.
Was bezüglich der bekannten Fälle auffällt, ist dreierlei. In Wuhan, der Provinz Hubei und in China generell hat sich die Zunahme der Neuerkrankungen gemäß den behördlichen Angaben abgeschwächt. Die Quarantäne, die von den Behörden rigoros durchgezogen wird, scheint also zu wirken. Umgekehrt hat sich bestätigt, dass einzelne Cluster von hoch konzentrierten Menschenansammlungen eine richtiggehende Explosion der Ansteckungen auslösen können. Das zeigt sich in China bei drei Gefängnissen, bei denen überraschend hunderte infizierte Personen gefunden wurden. Ferner zeigt es sich beim Kreuzfahrtschiff vor Yokohama, bei dem fast ein Sechstel der Passagiere und Besatzung infiziert waren, sowie bei den Besuchern einer Kirche in Südkorea, und sehr überraschend, in Norditalien. Dabei kann ein einzelner „Super-Spreader“, wie der Fachterminus ist, innerhalb kurzer Zeit Dutzende oder Hunderte von Personen anstecken. Dies war offenbar in der Kirche in Südkorea der Fall.
Der Hinweis auf aktuell abflauende Zahlen von Neuerkrankungen in China ist insofern zu relativieren. Der echte Test wird erfolgen, wenn Fabriken und Büros wieder geöffnet sind und bei voller Kapazität arbeiten, wenn die Menschenmassen auch in Untergrundbahnen, Bussen, Eisenbahnen, Restaurants, Einkaufszentren und Einkaufsstraßen dicht gedrängt zusammenkommen, und zwar auf kontinuierlicher täglicher Basis. Dann wird sich mit geringer zeitlicher Verzögerung zeigen, ob sich die Epidemie wirklich unter Kontrolle befindet, oder ob die außerordentlichen Maßnahmen die Epidemie nur verzögert haben. Dieser Test steht aus.
Die gewählte Strategie der Quarantäne hat die internationale Ausbreitung der Epidemie massiv eingeschränkt. Doch außerhalb Chinas ist vor allem in Korea, in Japan, in Italien und im Iran die Zahl der Infizierten stark angestiegen, wenn auch von sehr niedrigen Niveaus aus. Das sind erste Hinweise auf eine internationale Verbreitung. In verschiedenen anderen Ländern sind erste Infektionen registriert worden. Auch da werden die erst folgenden Wochen, wenn China wieder im Vollbetrieb ist, zeigen, ob eine internationale Ausbreitung im laufenden Jahr verhindert werden kann.
Wirtschaftsausblick: Ein tiefer Fall im ersten Quartal, und dann?
Zunächst ist zu bemerken, dass der Einbruch der Wirtschaftsaktivität in China mit ihren möglichen Folgewirkungen vor dem Hintergrund einer bereits arg geschwächten Weltwirtschaft erfolgt ist:
- In China selber hat sich das Wirtschaftswachstum über Jahre hinweg verlangsamt. Die ausgewiesene Rate übertreibt die die effektive Rate des Wirtschaftswachstums um ein nicht geringes Maß. China hat darüber hinaus eine außergewöhnlich verschuldete Volkswirtschaft, mit einer gewaltigen Fehlallokation von Investitionen in Infrastruktur, Fabriken, Büro- und Wohngebäuden.
- Die europäische Industrie hat arge Probleme. Die Industrie in Deutschland, dem größten Land des Kontinents, hat bis Dezember (den letzten verfügbaren Daten) einen Einbruch von Produktion und Auftragseingang erlebt.
- Japan, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, ist bereits in einer heftigen Rezession. Wie schon mehrmals durchexerziert, hat die Anhebung der Mehrwertsteuer am 1. Oktober 2019 Konsum und Investitionen geschwächt.
- In den USA befindet sich die Industrie ebenfalls in einem anhaltenden Abwärtstrend. Beim provisorischen Markit-PMI für den Februar ist erstmals registriert worden, dass auch der Dienstleistungssektor stagniert.
- Die weltweit verfolgte Geld- und Finanzpolitik hat dafür gesorgt, dass es keine wesentlichen Auftriebskräfte gibt. Im Gegenteil: Die Geldpolitik sorgt für die größte Blase der Geschichte, verbunden mit einer kolossalen Fehlallokation der Ressourcen und Investitionen und für einmalig überbewertete Märkte für finanzielle und reale Aktiven.
Durch die neuartige Coronavirus-Erkrankung werden global Transport, Tourismus und Luxusgüter-Industrien schwer unter dem Ausbleiben chinesischer Touristen leiden. Die verarbeitende Industrie ist von Problemen der Lieferketten in und aus China bedroht.
Folge der Epidemie in China wird – selbst wenn sie erfolgreich bekämpft werden sollte – ein tiefer Fall des BIP im ersten Quartal 2020 gegenüber dem entsprechenden Vorjahresquartal sein. Die Größenordnung dürfte etwas zwischen minus fünf und minus 30 Prozent betragen, je nach der Produktionsaufnahme in den nächsten Wochen. Was die Statistik in China ausweisen wird, ist eine ganz andere Sache. Chinesische Experten in den staatlichen Medien sprachen von einem leichten Rückgang des BIP im ersten Quartal, und von einer Erholung im Rest des Jahres. Im Effekt solle das BIP etwas schwächer als im Vorjahr wachsen. Nun hat der Vorsitzende Xi Jingping am Wochenende weitaus gravierendere Probleme eingeräumt. Es bleibt abzusehen, inwiefern die Chinesen etwaige Probleme zugeben werden.
Der Vergleich mit der Sars-Epidemie vor 17 Jahren ist auch in wirtschaftlicher Hinsicht unangebracht. Damals erfolgte der Rückgang von einer sehr hohen Rate des Wirtschaftswachstums aus. Die Epidemie selber wurde von den Behörden lange verschwiegen und keine auch nur im Ansatz vergleichbaren Maßnahmen zu heute ergriffen. Deshalb blieb die Wirtschaftsaktivität wenig gebremst. Das Virus nahm nach Ende des Winters sehr rasch ab, außerdem war die Ansteckungsrate viel niedriger. Heute ist angesichts der Eigenschaften des Virus unsicher, ob wirklich die Epidemie bald abebbt. Sicher kann niemand vorhersagen, ob die Übertragung bei wärmerem Wetter wirklich eingestellt wird.
Vor allem hat sich auch die Struktur der chinesischen Wirtschaft radikal geändert. Heute besteht diese in Bezug auf die gesamte Beschäftigung hauptsächlich aus privaten Unternehmen, darunter sehr vielen kleinen und mittleren Unternehmen. Damals waren staatliche Unternehmen noch viel gewichtiger. Gemäß verschiedenen Berichten haben viele private Unternehmen bereits Gehaltszahlungen gekürzt oder eingestellt. Viele, vor allem kleine Unternehmen, werden Personal bis zu einem Drittel entlassen müssen, wenn die Aktivität nicht rasch wieder anzieht. Ein Teil wird bankrottgehen. Diese privaten Klein- und Mittelbetriebe sind der weitaus dynamischste Teil des Unternehmenssektors in Bezug auf die Beschäftigung. Sie sind, weil schwach kapitalisiert und mit keinem oder nur begrenztem Zugang zum Kreditfenster, aber auch hochgradig anfällig in Bezug auf Konjunkturschwankungen. Der bisher temporäre Stillstand kann sich, wenn die Epidemie nicht rasch abklingt, in eine rasante Talfahrt von Beschäftigung, Konsum und Investitionen auswachsen.
Ein zweiter Unterschied zur Sars-Epidemie betrifft die internationale Dimension. Offenbar ist die aktuelle Epidemie viel gefährlicher als die Sars-Epidemie. Die internationale Transmission hat bereits deutlich eingesetzt, erkennbar an der Explosion der Zahlen in Korea, Japan, Italien. Dass die italienischen Behörden nun rigoros handeln, ist verständlich. Italien ist eines der größten Tourismus-Länder, mit einem hohen Gewicht dieses Sektors für die Gesamtwirtschaft. Wenn die ausländischen Gäste – nicht nur die aus China – ausbleiben, wird es einen tiefen Einbruch der Wirtschaft geben. Von daher wäre die wichtigste konjunkturpolitische Maßnahme eine temporäre, aber absolut rigide Abriegelung gegenüber möglichen Risiko-Übertragungen.
Eine internationale oder sogar globale Ausbreitung der Epidemie – eine sogenannte Pandemie – würde alle Konjunktur-Projektionen über den Haufen werfen. Dann wäre mit einer globalen Rezession zu rechnen. Die Coronavirus-Epidemie wäre nicht nur ein quasi-exogener Verstärker, sondern effektiv ein exogener globaler Schock. Betroffen wären dann Transport, Tourismus und diskretionärer Konsum in allen Ländern, mit nachfolgenden Einbrüchen der Investitionen. Was für Italien gilt, trifft somit für viele Industrieländer zu. Die wichtigste Konjunkturpolitik ist die Vorsorge und Verhinderung einer Pandemie, auch wenn dies kurzfristig radikale Maßnahmen einschließt.