Eineinhalb Jahre währte der Handelsstreit zwischen den USA und China, in dessen Verlauf die beiden Supermächte ihre gegenseitigen Importzölle von 3,8 Prozent (USA) beziehungsweise 8,3 Prozent (China) auf jeweils 21 Prozent erhöhten. Die Folge: Das amerikanisch-chinesische Handelsvolumen ging um fast 90 Milliarden US-Dollar zurück. Am 15. Januar dieses Jahres, nach harten (wirtschafts)politischen Auseinandersetzungen, unterschrieben US-Präsident Donald Trump und der chinesische Vizepremier Liu He schließlich die erste Phase eines Handelsabkommens. Am 14. Februar trat dieses sogenannte „Economic and Trade Agreement“ (ETA) in Kraft – es markiert eine neue Phase der langwierigen geopolitischen Rivalität zwischen Washington und Peking.
In diesem höchst asymmetrischen Vertrag verpflichten sich die Chinesen, ihren Markt zu öffnen und deutlich mehr Güter aus den USA abzunehmen als bislang, was dem Wunsch der Trump-Regierung nach einem geringeren Handelsdefizit entspricht. Das bedeutet eine Verdoppelung der amerikanischen Importe ins Reich der Mitte, denn Peking soll die Ausgaben für ausgewählte US-Güter um circa 200 Milliarden US-Dollar (im Vergleich zum Basisjahr 2017) binnen zwei Jahre erhöhen.
Im Gegenzug zu den chinesischen Zugeständnissen hat sich Trump lediglich dazu verpflichtet, auf neue Zölle zu verzichten und die Strafzollsätze für eine Teilmenge der Produkte von derzeit 15 auf 7,5 Prozent zu halbieren. Bemerkenswert: Dafür gibt es bisher nur eine mündliche Zusage.
Nach neuesten Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW Kiel) können die Abnahmeverpflichtungen gravierende Handels-Umlenkungseffekte und Marktanteils-Verschiebungen für Chinas Handelspartner zur Folge haben. Die EU (minus 17 Prozent, wobei Deutschlands Anteil daran sieben Prozent ausmacht) sowie Russland (minus zehn Prozent) hätten besonders hohe Export-Einbußen zu befürchten. In konkreten Zahlen: Deutschlands Exporte nach China werden um 4,3 Milliarden Dollar zurückgehen, Russlands Exporte um 3,1 Milliarden Dollar.
Russische Energie-Exporte sind besonders schwer betroffen
US-Präsidenten haben stets versucht, die Energie-Dominanz ihres Landes sicherzustellen. Die „Nord-Stream 2“-Pipeline, die jährlich 55 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas zum deutschen und westeuropäischen Absatzmarkt bringen soll, ist zwar Washington immer noch ein Dorn im Auge, aber durch den Phase-I-Deal erhalten die USA einen besseren Zugang zu Chinas Energiemarkt – dem weltweit begehrtesten. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) zeigt, dass auf der Energie-Lieferantenliste Chinas die USA vom elften Platz im Jahr 2017 (6,8 Milliarden Dollar) auf den ersten Platz (41 Milliarden Dollar) im Jahr 2021 vorrücken würden.
Besonders schwer für Russland wiegt, dass das amerikanisch-chinesische Abkommen Moskaus Absicht gefährdet, ein wichtiger Erdgas-Lieferant für China zu werden. Im Dezember 2019 wurde die „Kraft Sibiriens“-Gaspipeline in Betrieb genommen, im Rahmen dessen mit China ein Liefervertrag von über 38 Milliarden Kubikmeter pro Jahr für einen Zeitraum von 30 Jahren abgeschlossen wurde. Weitere Mengen sollten über ein LNG-Terminal in Wladiwostok im asiatisch-pazifischen Raum verkauft werden. Auf diese Weise sollte China nach der EU der zweitwichtigste Gasabsatzmarkt Russlands werden. Durch die Handelsumlenkungen des ETA-Abkommens könnten Chinas Einfuhren von verflüssigtem Erdgas aus Russland bis zum Jahr 2021 jedoch um 25 Prozent geringer ausfallen, was einem Verlust von zehn Milliarden Dollar für Russland gleichkäme.
Nach Meinung von Dr. Sonja Beer, Ökonomin für „Internationale Wirtschaftsordnung und Konjunktur“ am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) mit Sitz in Köln, ist es noch zu früh, um genau zu sagen, welche Gruppe russischer Energieexporte nach China am meisten betroffen sein wird:
„Das Problem ist, dass der Energieabschnitt des Abkommens nur besagt, dass China verflüssigtes Erdgas, Rohöl, Kohle, und so weiter in den USA kaufen wird, aber nicht angibt, welcher dieser Produktgruppen in welchem Umfang Vorrang eingeräumt wird. Genauere Berechnungen sind also noch nicht möglich. Aufgrund der hohen chinesischen Importzölle für amerikanisches LNG (25 Prozent) können wir jedoch davon ausgehen, dass sich China eher auf den Kauf von Rohöl in den USA konzentrieren wird. Zumal China Anfang dieses Monats angekündigt hat, den bestehenden 5-Prozent-Zoll für Rohöl zu halbieren. Es ist unmöglich, genau vorherzusagen, wie sich die Handelsströme in diesem Fall ändern werden, aber dies könnte sich nachteilig auf Russland und Saudi-Arabien auswirken, die größten Rohöllieferanten für China.“
Und weiter: „Wenn die chinesischen LNG-Zölle erheblich gesenkt werden, könnte Peking mehr Gas aus den USA kaufen. Dies könnte sich wiederum nachteilig auf Australien und Katar auswirken sowie auf die Aussichten, die Versorgung des chinesischen Marktes mit russischem Gas zu erhöhen.“
Der Deal verstößt gegen WTO-Kriterien
Den neuen Handelsdeal zwischen China und den USA sieht auch der Präsident des IfW Kiel, Dr. Gabriel Felbermayr, sehr kritisch: „Der Deal hebelt marktwirtschaftliche Prinzipien zugunsten der USA und zulasten von Drittländern aus. ´Managed Trade´ (gelenkter Handel – Anm. d. Red.), also explizite Vereinbarungen über Handelsvolumen für bestimmte Produktgruppen, verstößt außerdem klar gegen die Richtlinien der WTO und untergräbt somit das multilaterale Handelssystem.“
Nach der wahrscheinlichen Wiederwahl von Donald Trump zum Präsidenten ist mit einer weiteren Verstärkung des Protektionismus und des „gelenkten Handels" in der Weltwirtschaft zu rechnen, in der die USA immer noch der wichtigste Akteur. Eines steht auf jeden Fall fest: Das Abkommen mit China ist nicht das erste „Managed Trade“-Abkommen während Trumps Präsidentschaft. Schon am 25. September 2019 kündigten die USA und Japan ein Handelsabkommen an, welches das Kriterium des „im Wesentlichen vollständigen Handels“ des Artikels XXIV des GATT kaum erfüllt, da der Umfang der Zoll-Liberalisierung sehr begrenzt ist und asymmetrisch zu Gunsten der USA ausfällt.