Deutschland

Fleischskandal: Wursthersteller Wilke ist komplett am Ende

Vor einem halben Jahr zog der Wilke-Fleischskandal bundesweit Kreise. Von der Firma, die ihn auslöste, ist nicht mehr viel übrig. Doch für Justiz, Politik und Foodwatch ist die Sache noch nicht abgeschlossen.
30.03.2020 16:59
Lesezeit: 1 min
Fleischskandal: Wursthersteller Wilke ist komplett am Ende
Wilke wirkt nach - Fleischskandal weiter Fall für Politik und Justiz. (Foto: dpa) Foto: Uwe Zucchi

+++Göran Gehlen, dpa+++

Den Ausverkauf beim insolventen Wursthersteller Wilke kann selbst die Corona-Krise nicht aufhalten: Werbeschilder, Maschinen, Fahrzeuge - fast alles, was sich bei der nordhessischen Firma zu Geld machen ließ, ist mittlerweile verkauft. “Wir haben noch 10 bis 20 Positionen, doch das ist nicht der Rede wert”, sagt Auktionator Hubert Küpers von der Industrie-Verwertungs-GmbH (IVG).

1.200 Verkaufspositionen seien es ursprünglich gewesen. Der Erlös liege im siebenstelligen Bereich - und werde zum Großteil an die Gläubiger des Fleischwarenproduzenten gehen. Ein Teil der Geräte stehe noch am Firmenstandort in Twistetal-Berndorf - ausländische Käufer hätten sie wegen der Coronakrise noch nicht abgeholt.

Vor einem halben Jahr sorgte die Wilke Waldecker Fleisch- und Wurstwaren GmbH & Co. KG für einen Lebensmittelskandal: Am 2. Oktober 2019 teilte der für die Lebensmittelüberwachung vor Ort zuständige Landkreis Waldeck-Frankenberg mit, dass man den Fleischhersteller mit 200 Mitarbeitern geschlossen habe. In seinen Waren seien mehrfach Listerien nachgewiesen worden. Todesfälle würden mit Wilke-Produkten in Verbindung gebracht. Die Keime können bei geschwächtem Immunsystem lebensgefährlich sein.

Es folgte eine weltweite Rückrufaktion. Bei der wurde schnell die Nachvollziehbarkeit des Wegs der Wurstwaren in den Handel zum Streitpunkt. Hieß es anfangs, das Fleisch sei nur unter dem Firmennamen verkauft worden, wurde schnell klar: Wilke-Wurst landete auch in Kantinen, Schnellrestaurants, Handelsmarken. Immer wieder forderte die Verbraucherorganisation Foodwatch die Offenlegung aller Informationen zu Verkaufsstellen.

In die Kritik gerieten auch die Lebensmittelkontrolleure: Die hessische Verbraucherschutzministerin Priska Hinz (Grüne) und der Landkreis Waldeck-Frankenberg räumten Fehler auf allen Ebenen ein. Unter anderem leitete das Ministerium eine Nachricht des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit über eine Verbindung von Wilke-Produkten zu Krankheitsfällen Tage zu spät an den Kreis weiter. Dieser hatte laut Ministerium deutlich zu wenig kontrolliert und unzureichend über Hygiene-Missstände bei Wilke berichtet.

Der Fleischskandal weitete sich aus. Prüfberichte schilderten Ekeldetails von unhaltbaren Zuständen im Betrieb. Wilke wurde zu einem Fall für die Justiz: 37 Krankheitsfälle, darunter drei Todesfälle, werden mit Produkten der Firma in Verbindung gebracht. Die Staatsanwaltschaft Kassel ermittelt gegen Geschäftsführer, stellvertretende Geschäftsführerin und Produktionsleiter. “Neben dem Verdacht der fahrlässigen Tötung, der fahrlässigen Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Lebensmittel- und Futtergesetzbuch besteht nunmehr auch der anfängliche Verdacht des gewerbsmäßigen Betruges gegen die Beschuldigten”, sagt Justizsprecher Andreas Thöne. Ob und wann es zur Anklage kommt, ist unklar.

Foodwatch fordert nun unter anderem eine Gesetzesänderung auf Bundesebene: Behörden und Händler müssten ohne Ermessensspielräume verpflichtet werden, alle gesundheitsrelevanten Informationen über Lebensmittel öffentlich zu machen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...