Wirtschaft

Wie Top-Ökonomen die Welt nach der Corona-Krise sehen

Deutsche Ökonomen äußern sich zur Wirtschaftsordnung nach der Corona-Krise.
20.04.2020 10:43
Aktualisiert: 20.04.2020 10:43
Lesezeit: 2 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..
Wie Top-Ökonomen die Welt nach der Corona-Krise sehen
Sebatian Dullien (l-r), Direktor des Instituts Makroökonomie und Konjunkturforschung, Peter Bofinger, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gabriel Felbermayr, Präsident des Institut für Weltwirtschaft Kiel, Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, und Jens Südekum, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, nehmen an einer Pressekonferenz der Wirtschaftsforschungsinstitute zu den Folgen der Corona-Krise teil. (Foto: dpa) Foto: Wolfgang Kumm

Die Corona-Pandemie stürzt die Weltwirtschaft an den Rand des Abgrunds. "Wenn wir diese Krise überwinden, wird die Welt eine andere sein", prophezeit der Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Larry Fink. Aber wie könnte die Welt nach der Krise aussehen? Die Nachrichtenagentur Reuters hat dazu drei deutsche Top-Ökonomen gefragt:

SEBASTIAN DULLIEN, WISSENSCHAFTLICHER DIREKTOR DES INSTITUTS FÜR MAKROÖKONOMIE UND KONJUNKTURFORSCHUNG (IMK):

"Wir werden eine grundsätzliche Veränderung bei den internationalen Wertschöpfungsketten sehen. Die Unternehmen werden sich weniger auf die Lieferung wichtiger Teile aus dem Ausland verlassen. Die Corona-Epidemie ist nach der Finanzkrise, dem Brexit und dem Handelsstreit USA-China nun schon das vierte Großereignis, durch das die Unternehmen ihre Lieferketten überdenken werden. Es wird ein gewisses Zurückdrehen der Globalisierung geben.

Für die deutsche Wirtschaft sehe ich zwei gegenläufige Effekte. Wenn das nicht nur bei uns so passiert, sondern woanders auch, könnten wir als exportabhängiges Land unter Druck kommen. Zugleich bedeutet das aber auch neue Investitionen: Produktionsanlagen müssen dann schließlich neu aufgebaut werden. Davon wiederum könnte unser Maschinenbau deutlich profitieren. Es ist noch nicht klar, wohin das Pendel für die deutsche Wirtschaft ausschlagen wird, ob sie als Gewinner oder Verlierer dastehen wird.

Es wird nach der Krise auch mehr Home Office geben. Es zeigt sich ja in der jetzigen Ausnahmesituation, dass es funktioniert. Das wird einen Schub für mobile Formate geben – auch in Bereichen, in denen das bisher nicht üblich war. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir auf absehbare Zeit weniger Großveranstaltungen haben werden – etwas Messen und Kongresse. Auch kann es zu Strukturverschiebungen kommen. Viele Unternehmen werden die Krise nicht überleben. Reisebüros etwa standen ohnehin schon unter Druck. Wir werden hier einen massiven Verlust von Anbietern sehen."

JENS SÜDEKUM, PROFESSOR FÜR INTERNATIONALE VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE, HEINRICH-HEINE-UNIVERSITÄT DÜSSELDORF:

"Meine größte Sorge ist, dass wegen Corona die Europäische Union implodiert. Der Schock hat ganz Europa unverschuldet getroffen. Aber nicht alle können so kraftvoll handeln, wie Deutschland es kann. Überhaupt halte ich es nicht für gut, dass jetzt alle Länder alleine für sich handeln. Wir brauchen eine gesamteuropäische Strategie mit gesamteuropäischer Finanzierung – zum Beispiel durch einmalige Corona-Bonds.

Viele andere Probleme können entstehen. Wenn Deutschland langsam wieder rauffährt, wird es dann eigentlich genug Nachfrage aus dem Ausland geben, woran wir existentiell hängen? Vielleicht stecken die USA dann nämlich noch mittendrin in der Krise. Außerdem kann nach Corona ein Wunsch entstehen, Re-Nationalisierung von Wertschöpfungsketten zu betreiben. Ein gefährliches Unterfangen, zumal für den so stolzen 'Exportweltmeister' Deutschland.

Viele, viele Probleme. Aber es gibt auch gute Nachrichten. Jetzt, wo wir alle täglich in Videokonferenzen hängen, merken wir, dass das auch geht und wir nicht permanent persönliche Meetings abhalten müssen. Vielleicht wird Corona als zum ultimativen Katalysator der Digitalisierung."

ACHIM WAMBACH, PRÄSIDENT DES ZENTRUMS FÜR EUROPÄISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG (ZEW):

"Meine große Sorge ist, dass die Krise die nationalistischen Tendenzen, die in vielen Ländern zu beobachten sind, noch verstärkt. Eigentlich ist die Lektion nämlich eine andere:

1) Globale Diversifizierung statt Rückkehr ins Regionale: Während in Europa die Produktion heruntergefahren wird, kann Asien jetzt wieder liefern, da sie früher als wir von dem Virus betroffen waren.

2) In Europa gemeinsam: Und innerhalb Europa ist es gut, wenn Patienten in Kliniken andere Länder gebracht werden und wenn der innereuropäische Warenverkehr hilft, Engpässe zu überwinden. Der Ausstieg aus den Teilschließungen benötigt auch eine europäische Antwort. Es wird schwer, wenn wir kontrolliert hochfahren wollen und in Frankreich die Wirtschaft lahm liegt – oder umgekehrt."

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Führen Sie die weltweit größten Kryptowährungen wie DOGE und BTC direkt ein und erzielen Sie über die COME-Mining-Plattform einen Gewinn von über 5.000 US-Dollar pro Tag.

Die Nachfrage nach Bitcoin (BTC) ist in letzter Zeit weiter gestiegen, und die Anlegerstimmung hat sich deutlich verbessert. Die COME...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Trade Republic-Aktie im Fokus: Trade Republic hat Portfolio um Festzinsprodukte erweitert
16.10.2025

Die Trade Republic-Aktie steht erneut im Fokus, nachdem das Unternehmen sein Angebot im Bereich Zinsprodukte erweitert hat. Anleger...

DWN
Politik
Politik 123.000 Sicherheitsbeauftragte sollen wegfallen
16.10.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will Betriebe von Bürokratie beim Arbeitsschutz entlasten und mehr als 123.000 spezielle...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Nach Wirecard-Insolvenz: BGH prüft Ansprüche von Aktionären
16.10.2025

Fünf Jahre nach der spektakulären Pleite von Wirecard stehen zehntausende Aktionäre noch immer mit leeren Händen da. Ihre Forderungen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ryanair-Aktie im Blick: Fluggesellschaft Ryanair reduziert Angebot in Deutschland
16.10.2025

Die irische Fluggesellschaft Ryanair setzt ihren Kurs der Angebotsreduzierung in Deutschland fort. Im Winterflugplan 2025/2026 werden...

DWN
Finanzen
Finanzen Silberpreis auf Rekordniveau: Warum Silber den großen Bruder Gold aktuell in den Schatten stellt
16.10.2025

Nach seinem Allzeithoch zur Wochenmitte zeigt sich der Silberpreis aktuell kaum schwächer und bleibt auf Rekordniveau. Während der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quereinsteiger: Fachfremde Talente finden und erfolgreich einarbeiten
16.10.2025

Vor einigen Jahrzehnten war es noch üblich, den Beruf, der als junger Erwachsener erlernt wurde, bis zur Rente auszuführen. In unserer...

DWN
Finanzen
Finanzen TSMC-Aktie auf Wachstumskurs: Neuer Höchstwert durch KI
16.10.2025

TSMC profitiert vom globalen KI-Boom und setzt neue Maßstäbe im Chipmarkt. Der taiwanische Konzern erwartet 2025 einen höheren Umsatz...

DWN
Politik
Politik Nach Geiselfreilassung: Netanyahu und Israels Rolle im Gaza-Krieg
16.10.2025

Die Situation in Israel und Gaza zeigt die anhaltende Fragilität des Friedens im Nahen Osten. Politische Entscheidungen, militärische...