Finanzen

Simulation: Corona-Bonds und Recovery Fonds entlasten Italien kaum

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung führt in einer Mitteilung aus, dass ein mit 1,5 Billionen Euro dotierter „European Recovery Fund“ (ERF) hoch verschuldeten Euro-Ländern wie Italien und Spanien nicht nennenswert bei der Bewältigung ihrer rasch steigenden Staatsverschuldung helfen kann. Auch Corona-Bonds wären nicht hilfreich.
22.04.2020 11:47
Aktualisiert: 22.04.2020 11:47
Lesezeit: 1 min
Simulation: Corona-Bonds und Recovery Fonds entlasten Italien kaum
Giuseppe Conte, Ministerpräsident von Italien, spricht bei einer Pressekonferenz im Palazzo Chigi nach einer Sitzung mit dem Ministerrat. (Foto: dpa) Foto: Roberto Monaldo.Lapress

Auch ein mit 1,5 Billionen Euro dotierter „European Recovery Fund“ (ERF) kann hoch verschuldeten Euro-Ländern wie Italien und Spanien nicht nennenswert bei der Bewältigung ihrer rasch steigenden Staatsverschuldung helfen. Sogar eine Finanzierung des Fonds durch Corona-Bonds würde keine nennenswerte zusätzliche Entlastung bringen. Dies zeigen Berechnungen, die Prof. Dr. Friedrich Heinemann, Europa-Experte am ZEW Mannheim, zu den möglichen Verteilungswirkungen eines ERF vorgelegt hat.

Die Analyse geht davon aus, dass die Mittel des Fonds nach zwei Kriterien auf alle EU-Staaten verteilt werden: erstens nach der Schwere der Rezession in diesem Jahr und zweitens nach der Anzahl der COVID-19-Todesfälle. Zur Finanzierung des ERF wird unterstellt, dass diese wie für den EU-Haushalt nach dem Anteil eines Landes an der Wirtschaftsleistung der EU bereitgestellt wird. Für die ZEW-Kurzexpertise wurde außerdem der Zinsvorteil berechnet, der sich für Länder mit unterdurchschnittlicher Bonität ergibt, wenn die Beitragslast über Corona-Bonds in die Zukunft verschoben wird.

Nach den aktuellen Projektionen zur Schwere der diesjährigen Rezession und den Corona-Opferzahlen wären Schweden, die Niederlande, Estland, Spanien und Italien unter den besonders begünstigten Netto-Empfängern. Nettozahler wären vor allem die osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten, unter ihnen mit Rumänien und Bulgarien auch besonders arme Länder.

Allerdings halten sich die für Italien und Spanien zu erwartenden Netto-Vorteile in engen Grenzen. Für Italien liegt der Nettozufluss über die gesamt Laufzeit des Fonds nur bei einmalig 3,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Angesichts einer Staatsverschuldung, die vor der Krise bereits bei 135 Prozent des italienischen BIP lag, ist dies keine nennenswerte Entlastung. Auch Corona-Bonds würden das Bild nicht nennenswert verändern. Für Italien ergibt sich durch die besseren Finanzierungsbedingungen nur eine jährliche Ersparnis von 3,1 Milliarden Euro, wenig mehr als ein Promille der gegenwärtigen Staatsverschuldung.

„Der European Recovery Fund kann das Problem nicht lösen, für das er erfunden wurde“, so Studienautor Friedrich Heinemann. „Diese Einschätzung würde sich erst ändern, wenn hoch verschuldete Länder dauerhaft von ihrem Beitragsanteil am neuen Fonds befreit oder die Corona-Bonds auch zur Finanzierung der hohen nationalen Altschulden eingesetzt würden. Vielleicht ist das die unausgesprochene Erwartung der Regierungen in Südeuropa. Allerdings ist dies angesichts der dann erfolgenden hohen Lastverschiebung nach Nord- und Osteuropa hochgradig unrealistisch“, so Heinemanns Einschätzung.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Falsche Gehaltsgruppe: Was kann ich tun, wenn meine Gehaltseinstufung nicht zum Tarifvertrag passt?
13.12.2025

Viele Beschäftigte merken erst spät, dass ihre Gehaltsgruppe im Tarifvertrag nicht zur Arbeit passt. Das kann monatlich bares Geld...

DWN
Technologie
Technologie Lidl krempelt den Einkauf um: Warum die Scan-and-Go-Technologie den Handel umdreht
13.12.2025

Litauens Handelsketten treiben den digitalen Umbruch voran. Das Selbstscansystem Scan & Go kommt nun in die Lidl Filialen. Bisher wurde...

DWN
Politik
Politik Billigfluglinien bereiten sich bereits auf Flüge in die Ukraine vor
13.12.2025

Wizz Air, Ryanair und EasyJet bringen sich in Stellung. Europas Billigfluglinien planen bereits ihre Rückkehr in die Ukraine und rechnen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europa-Krise vertieft sich: JPMorgan warnt vor dramatischen Folgen für Amerika
13.12.2025

Die Warnungen von JPMorgan Chef Jamie Dimon treffen Europa in einer Phase wachsender politischer Unsicherheit. Seine Kritik an der...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Textilrecycling: Wie eine schwedische Gründerin die Branche unter Druck setzt
12.12.2025

Ein junges schwedisches Unternehmen behauptet, die nachhaltigste Lösung für das Textilrecycling gefunden zu haben. Die Methode nutzt CO2,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Shein, Temu & Co. betroffen: EU erhöht Kosten für Billigpakete aus Drittstaaten
12.12.2025

Um die Flut günstiger Online-Pakete aus Ländern wie China einzudämmen, beschließt die EU eine neue Importabgabe. Ab Juli 2026 sollen...

DWN
Politik
Politik Regierung reagiert auf Cyberangriffe: Russlands Botschafter einbestellt
12.12.2025

Nach einer Reihe hybrider Angriffe, darunter Falschnachrichten, manipulierte Videos und eine Hacker-Attacke, hat die Bundesregierung...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Flix bestellt 65 neue Fernzüge: Ausbau ab 2028 geplant
12.12.2025

Flix will das Fernverkehrsangebot deutlich ausbauen: Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller Talgo bis zu 65 neue Züge geordert....