Finanzen

Besser geballter Schock als langes Leiden: Corona-Krise nicht so schlimm wie Große Depression

Die Corona-Krise fügt der Wirtschaft schweren Schaden zu - aber zu Verwerfungen wie zu Zeit der Großen Depression vor 90 Jahren wird es nicht kommen. Das schreiben der Chef-Volkswirt der Deutschen Industriebank (IKB), Dr. Klaus Bauknecht, und die Direktorin des Bereichs Volkswirtschaft/Research der IKB, Dr. Carolin Vogt.
25.04.2020 08:46
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Aufholeffekte – die große Unsicherheit

Es wird noch einige Zeit dauern, bis realwirtschaftliche Daten das Ausmaß der Krise sichtbar machen werden. Zwar hat China bereits die Entwicklung seines Bruttoinlandprodukts (BIP) im ersten Quartal dieses Jahres veröffentlicht, und andere Länder werden in Kürze nachziehen. Doch da sich die Auswirkungen der Krise außerhalb Chinas primär erst im zweiten Quartal zeigen, geben diese Daten nur eine Tendenz an. Relevanter wird sein, wie die Erholungsdynamik aussehen wird. Zwar gehen die meisten Prognosen von einem Aufholeffekt aus; wann (und ob) dieser eintreten und wie stark er sein wird, ist allerdings alles andere als sicher.

Für die Industrie dürfte ein möglicher Aufholeffekt ausgeprägter ausfallen als im Dienstleistungssektor. Auch wird die Stärke des Aufholeffekts davon abhängen, ob dem weltweit nahezu einheitlichen Abschwung ein synchroner Aufschwung folgen wird. Nachhaltige Folgen aus der Krise – wie eine Überschuldung von Staaten und des Privatsektors sowie eine höhere Risiko-Aversion in der Real- sowie der Finanzwirtschaft – könnten die Erholungsdynamik belasten. Die Finanzkrise zeigte zudem, dass eine Normalisierung der Konjunktur-Dynamik nicht ausreicht, um wieder Investitionsvertrauen zu schaffen. Somit ist zu befürchten, dass Investitionen unabhängig von der Erholungsdynamik kurz- bis mittelfristig kein Wachstumstreiber sein werden – zumindest im Privatsektor.

Stimmungsindikatoren wie Einkaufsmanager-Indizes (PMIs) oder das ifo-Geschäftsklima werden aktuell oftmals verwendet, um im historischen Vergleich eine Indikation über mögliche realwirtschaftliche Implikationen der Krise ableiten zu können. Immer häufiger wird in diesem Zusammenhang auf die Große Depression Ende der 1920 Jahre verwiesen. Denn der aktuelle Einbruch der Konjunktur-Indikatoren fällt – auch aufgrund der globalen Synchronisierung – deutlich stärker aus, als während der Finanzkrise im Jahr 2009. Doch die aktuelle Krise hat relativ wenig mit der Großen Depression gemein. Zum einen zog sich diese in den USA über Jahre hin. Es handelte sich also weniger um einen geballten Schock, als vielmehr um eine lang andauernde Phase des wirtschaftlichen Zerfalls. Dies war vor allem in der Industrie zu erkennen, deren Produktion damals um fast 50 Prozent einbrach. Kann dies auch jetzt geschehen? Ist ein L-förmiger Verlauf der Konjunktur anstelle des vielfach prognostizieren V-Verlaufs möglich? Sind somit perspektivische Aufhol- und Normalisierungseffekte vielleicht mittelfristig gar nicht zu erwarten? Nein, der Vergleich hinkt. Die Große Depression hatte grundsätzlich andere Gründe und eine Wiederholung ist so gut wie ausgeschlossen: Der Staat schaut nicht wie damals passiv zu, wie negative Kreisläufe die Wirtschaft zerlegen. Keynesianisch orientierte Politik stellt sicher, dass die Konjunktur nicht über mehrere Jahre einbrechen wird. Die Folgen der Corona-Krise werden andere sein: Die Schuldenquoten werden – wie nach jeder Krise seit der Großen Depression – steigen und eine zunehmende Notwendigkeit von Schuldenschnitten (auch durch die Notenbanken) mit sich bringen. Eine Normalisierung wird kommen, davon ist auszugehen. Wie stark sie sein wird, bleibt allerdings unsicher.

Ifo-Geschäftsklima – erneuter Absturz

Das ifo-Geschäftsklima ist im April erneut eingebrochen. Der Index sank um 11,8 Zähler – und damit nochmals stärker als im März (minus 9,9 Punkte). Das ist nicht überraschend, da der Shutdown den gesamten April betraf und nicht nur einen halben Monat wie im März. Bei der Beurteilung der aktuellen Lage gab es dementsprechend sogar einen Absturz um 13,5 Zähler auf 79,5 Punkte. Auch die Geschäftsperspektiven für die nächsten sechs Monate haben sich weiter stark verschlechtert. Der Index sank um 10,3 Punkte auf 69,4 Zähler, dabei fiel der Einbruch allerdings nicht mehr ganz so heftig aus wie im Vormonat (minus 13,4 Zähler). Insbesondere die aktuell schwierige Situation sowie die nur langsame Lockerung des Shutdowns in Verbindung mit der anhaltenden Ungewissheit dürften die Geschäftsaussichten belastet haben.

Ifo-Geschäftsklima – was sagt es über mögliche Aufholeffekte?

Der ifo-Index ist ein statistisch bedeutender Früh-Indikator für das deutsche BIP-Wachstum im kommenden Quartal. Der ifo-Wert für April ist demnach eine erste Indikation über den BIP-Verlauf im dritten Quartal, für das viele Analysten einen deutlichen Aufholeffekt erwarten. Empirische Analysen haben gezeigt, dass der gesamte ifo-Index die höchste Aussagekraft für den kurzfristigen BIP-Verlauf aufweist und nicht die einzelnen Komponenten. Gerade im aktuellen Umfeld ist deshalb die starke negative Veränderung bei der Beurteilung der aktuellen Lage von geringer Aussagekraft. Sie spiegelt die derzeit überzogen depressive Stimmung in der Wirtschaft infolge des Shutdowns und erschwert, den zu erwartenden BIP-Verlauf im dritten Quartal zu prognostizieren. Deshalb wurde in der aktuellen empirischen Analyse nur die Erwartungskomponente des ifo-Geschäftsklimas berücksichtigt. Die Frage, die im Fokus steht, ist: Erwartet die Realwirtschaft bereits aktuell einen deutlichen Aufholeffekt im dritten Quartal, oder ist es hierfür noch zu früh?

Da auch die Erwartungskomponente des ifo-Geschäftsklimas erneut deutlich eingebrochen ist – wenn auch nicht so stark wie die Lagebeurteilung –, scheint die negative Stimmung die Erwartungskomponente stark zu beeinflussen. Unternehmen sehen angesichts der aktuellen Situation noch keine Perspektive für eine mögliche Normalisierung – geschweige denn für Aufholeffekte im dritten Quartal. Es mag überraschen, dass die Unternehmen nur begrenzt zwischen dem aktuellen Shutdown und der Perspektive für die nächsten sechs Monate unterscheiden. Allerdings könnte sich hier niederschlagen, dass viele Unternehmen womöglich keine Perspektive mehr sehen, sollte sich die Lage nicht kurzfristig aufhellen.

Es ist absolut entscheidend, dass sich die Erwartungskomponente in den kommenden Monaten nicht nur stabilisiert, sondern aufhellt, um die Annahme einer Normalisierung der Wirtschaftsdynamik im dritten Quartal aufrecht zu halten. Das ist auch deshalb notwendig, damit der Schock im zweiten Quartal keinen nachhaltigen Schaden für die deutsche Unternehmenslandschaft mit sich bringt. Von bedeutenden Aufholeffekten bereits im dritten Quartal 2020 ist nicht unbedingt auszugehen, aber sicherlich sind Wachstums-Impulse durch die Industrie möglich.

Fazit: Der Einbruch aktueller Stimmungsindikatoren wie Einkaufmanager-Indizes oder ifo-Geschäftsklima sollte nicht als Indikation einer bevorstehenden Depression gewertet werden – auch wenn die aktuelle Krise immer öfter mit der großen Depression Ende der 1920 Jahre verglichen wird.

Die aktuellen geld- und fiskal-politischen Reaktionen auf die Corona-Krise verhindern eine langfristige Rezession. Wann und wie stark der wirtschaftliche Aufholeffekt dann sein wird, bleibt allerdings ungewiss. Auch das ifo-Geschäftsklima von heute bietet dafür noch keine Indizien.

Denn die Geschäftsperspektiven haben sich aufgrund der schwierigen aktuellen Situation nochmals deutlich verschlechtert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich gerade die Geschäftsaussichten in den kommenden Monaten erholen werden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik EU-Verteidigungsplan: Brüssel will Drohnenschutz für ganz Europa
20.10.2025

Brüssel plant den größten EU-Verteidigungsplan seit Jahrzehnten: Ein gesamteuropäischer Drohnenschild, gemeinsame Beschaffung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Im Bürokratie-Dschungel: Über 300.000 neue Stellen in Unternehmen
20.10.2025

Obwohl Bürokratieabbau in Deutschland groß diskutiert wird, mussten Unternehmen in den vergangenen drei Jahren massiv Personal...

DWN
Technologie
Technologie Herbst der Entscheidungen: Wie die Medienhäuser ihre Zukunft sichern
20.10.2025

Die Medienhäuser befinden sich in einer entscheidenden Phase des Wandels. Künstliche Intelligenz, der Einfluss globaler Plattformkonzerne...

DWN
Panorama
Panorama ALDI Süd zieht Konsequenzen: Schluss mit Billigfleisch aus niedrigster Haltungsform
20.10.2025

ALDI Süd will Fleisch aus der untersten Haltungsform schrittweise aus den Regalen nehmen. Produkte aus Haltungsform 1, bei denen nur die...

DWN
Politik
Politik Deutschland stärkt Präsenz im hohen Norden – Verteidigungsminister Pistorius startet Arktis-Reise
20.10.2025

Bei seiner ersten Station in Reykjavík hat Verteidigungsminister Boris Pistorius eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit...

DWN
Finanzen
Finanzen Krankes Kind: Wie lange dürfen Eltern bei der Arbeit fehlen und wann gibt es Kinderkrankengeld?
20.10.2025

Ein krankes Kind stellt Eltern oft vor schwierige Entscheidungen: Arbeit oder Pflege? Zwischen Jobpflicht und Fürsorge klafft oft eine...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Wie der US-Präsident Putins Argumente übernimmt
20.10.2025

Donald Trump fordert ein Ende des Ukraine-Kriegs – durch Teilung des Donbass zugunsten Russlands. Damit übernimmt er offen die Argumente...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Cybersicherheit Lieferkette: Wenn der Angriff über den Partner kommt
20.10.2025

Ein einziger ungeschützter Zulieferer kann heute ganze Konzerne stilllegen. Cyberkriminelle greifen nicht mehr frontal an, sondern nutzen...