Politik

Referent im Innenministerium behauptet: Das Corona-Virus ist ein globaler Fehlalarm

Ein Referent des Bundesinnenministeriums behauptet in einem 93-seitigen geleakten Dokument, dass das aktuelle Corona-Virus auf einen "Fehlalarm" zurückzuführen sei. Die Gefährlichkeit des Virus sei überschätzt worden. Es handelt sich dabei um die Privatmeinung des Referenten. Die DWN zitieren ausführlich aus dem Dokument.
11.05.2020 16:26
Aktualisiert: 11.05.2020 16:26
Lesezeit: 5 min
Referent im Innenministerium behauptet: Das Corona-Virus ist ein globaler Fehlalarm
Die weltweiten Corona-Fälle zum 11. Mai 2020. (Grafik: Johns Hopkins University)

Ein Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat rechnet in einem 83-seitigen Dokument (plus Anlagen) unter Verwendung des BMI-Briefkopfes und der dienstlichen Kommunikationskanäle mit den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung ab. Das geleakte Dokument kann problemlos auf der Webseite "ichbinanderermeinung.de" abgerufen werden. Der Verfasser des Dokuments stammt aus dem “Referat KM 4 Schutz kritischer Infrastrukturen”. 

Der Referent behauptet: “Die beobachtbaren Wirkungen und Auswirkungen von COVID-19 lassen keine ausreichende Evidenz  dafür erkennen, dass es sich – bezogen auf die gesundheitlichen Auswirkungen auf die Gesamtgesellschaft – um mehr als um einen Fehlalarm handelt. Durch den neuen Virus bestand vermutlich zu keinem Zeitpunkt eine über das Normalmaß hinausgehende Gefahr für die Bevölkerung (Vergleichsgröße ist das übliche Sterbegeschehen in DEU). Es sterben an Corona im Wesentlichen die Menschen, die statistisch dieses Jahr sterben, weil sie am Ende ihres Lebens angekommen sind und ihr geschwächter Körper sich beliebiger zufälliger Alltagsbelastungen nicht mehr erwehren kann (darunter der etwa 150 derzeit im Umlauf befindlichen Viren). Die Gefährlichkeit von Covid-19 wurde überschätzt (innerhalb eines Vierteljahres weltweit nicht mehr als 250.000 Todesfälle mit Covid-19, gegenüber 1,5 Mio. Toten während der Influenzawelle 2017/18). Die Gefahr ist offenkundig nicht größer als die vieler anderer Viren. Wir haben es aller Voraussicht nach mit einem über längere Zeit unerkannt gebliebenen globalen Fehlalarm zu tun – dieses Analyseergebnis ist von KM 4 auf wissenschaftliche Plausibilität überprüft worden und widerspricht im Wesentlichen nicht den vom RKI vorgelegten Daten und Risikobewertungen.”

Zum Problem, warum es zu diesem angeblichen Corona-Fehlalarm gekommen sein soll, führt der Referent des Bundesinnenministeriums aus: “Dass der mutmaßliche Fehlalarm über Wochen unentdeckt blieb, hat einen wesentlichen Grund darin, dass die geltenden Rahmenvorgaben zum Handeln des Krisenstabs und des Krisenmanagements in einer Pandemie keine geeigneten Detektionsinstrumente enthalten, die automatisch einen Alarm auslösen und den sofortigen Abbruch von Maßnahmen einleiten würden, sobald sich entweder eine Pandemiewarnung als Fehlalarm herausstellte oder abzusehen ist, dass die Kollateralschäden – und darunter insbesondere die Menschenleben vernichtenden Anteile – größer zu werden drohen, als das gesundheitliche und insbesondere das tödliche Potential der betrachteten Erkrankung ausmacht. “

Der Referent warnt: "Die Defizite und Fehlleistungen im Krisenmanagement haben in der Konsequenz zu einer Vermittlung von nicht stichhaltigen Informationen geführt und damit eine Desinformation der Bevölkerung ausgelöst." (Ein Vorwurf könnte lauten: Der Staat hat sich in der Coronakrise als einer  der größten fake-news-Produzenten erwiesen).

Der angebliche Fehlalarm habe dazu geführt, dass die kritischen Infrastrukturen negativ beeinträchtigt wurden: “Kritische Infrastrukturen sind die überlebensnotwendigen Lebensadern moderner Gesellschaften. Bei den kritischen Infrastrukturen ist in Folge der Schutzmaßnahmen die aktuelle Versorgungssicherheit nicht mehr wie gewohnt gegeben (bisher graduelle Reduktion der  prinzipiellen Versorgungssicherheit, die sich z.B. in kommenden Belastungssituationen niederschlagen kann). Die Resilienz des hochkomplexen und stark interdependenten Gesamtsystems kritischer Infrastrukturen ist gesunken. Unsere Gesellschaft lebt ab sofort mit einer gestiegenen Verletzlichkeit und höheren Ausfallrisiken von lebenswichtigen Infrastrukturen. Das kann fatale Folgen haben, falls auf dem inzwischen reduzierten Resilienzniveau von KRITIS eine wirklich gefährliche Pandemie oder eine andere Bedrohung eintreten würde.”

Der Referent wendet sich entschieden gegen die aktuellen staatlichen Eingriffe in die bürgerlichen Freiheiten: “Die Verhältnismäßigkeit von Eingriffen in Rechte von z.B. Bürgern ist derzeit nicht gegeben, da staatlicherseits keine angemessene Abwägung mit den Folgen durchgeführt wurde. Das BVerfG fordert eine angemessene Abwägung von Maßnahmen mitnegativen Folgen (PSPP Urteil vom 5. Mai 2020). Die Lageberichte des Krisenstabs BMI-BMG und die Lagemitteilungen des Bundes an die Länder müssen daher ab sofort 

  • eine angemessene Gefahrenanalyse und -bewertung vornehmen. 
  • eine zusätzliche Abteilung mit aussagekräftige Daten über Kollateralschäden enthalten (siehe z.B. Ausführungen in der Langfassung) 
  • befreit werden von überflüssigen Daten und Informationen, die für die Gefahrenbewertung nicht erforderlich sind, weil sie die Übersicht erschweren. 
  • Es müssten Kennzahlen gebildet und vorangestellt werden. 
  • Es ist unverzüglich eine angemessene Gefahrenanalyse und –bewertung durchzuführen. Anderenfalls könnte der Staat für entstandene Schäden haftbar sein.”

Die ergriffenen Schutzmaßnahmen hätten zu Kollateralschäden geführt: “Eine zentrale Erkenntnis aus allen bisherigen Studien, Übungen und Risikoanalysen ist, dass bei der Bekämpfung einer Pandemie stets Kollateralschäden entstehen (als Auswirkungen von ergriffenen Schutzmaßnahmen), und dass diese Kollateralschäden einer Pandemie bedeutend größer sein können, als  der durch den Krankheitserreger erreichbare Schaden.  Ein immer in Kauf zu nehmender Kollateralschaden hat dann das beste Aufwand-Nutzen-Verhältnis, wenn er nicht größer ist, als zur Erreichung eines Schutzziels mindestens erforderlich ist. Er hat dann das maximal schlechteste Aufwand-Nutzen-Verhältnis, wenn sich die ursprüngliche Warnung vor einem unbekannten Virus am Ende als übertrieben oder im Extremfall sogar als Fehlalarm herausstellt, denn dann besteht der Gesamtschaden der Pandemie ausschließlich aus dem völlig zweckfreien Kollateralschaden.”

Dass es sich bei dem geleakten Dokument um ein authentisches Dokument handelt, belegt die Reaktion des Bundesinnenministeriums. In einer Mitteilung führt das Ministerium aus: “Ein Mitarbeiter des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat hat in einem mehrseitigen Dokument unter Verwendung des BMI-Briefkopfes und der dienstlichen Kommunikationskanäle seine kritische Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung verbreitet. Die Ausarbeitung erfolgte nach bisheriger Kenntnis auch unter Beteiligung Dritter, außerhalb des BMI  (...) Es ist nicht akzeptabel und mit den allgemeinen Pflichten im öffentlichen Dienst nicht vereinbar, wenn private Meinungsäußerungen und Gedankensammlungen unter Verwendung behördlicher Symbole, z.B.f dem offizielle Briefkopf, verfasst und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Auf diese Weise wird der Anschein erweckt, die Privatmeinung gebe die offizielle Auffassung einer Behörde wieder. Durch innerdienstliche Maßnahmen wurde zwischenzeitlich sichergestellt, dass der Verfasser des Schreibens nicht weiter den unzutreffenden Eindruck erwecken kann, er handele insoweit für oder im Namen des BMI. Die weitere Sachaufklärung erfolgt im Rahmen der dafür gegebenen Verfahren auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsvorschriften.”

Zu den Todesfällen führt der Referent aus:

"a. 

Aufgrund Einschränkungen der Klinikverfügbarkeiten (und Behandlungsmöglichkeiten) verschobene oder abgesagte Operationen: Über alles betrachtet hatten wir im Jahr 2018 insgesamt ca. 17 Mio vollstationärer Patienten mit OPs. Das sind im Schnitt 1,4 Mio Patienten pro Monat. Im März und  April wurden 90% aller notwendiger OPs verschoben bzw. nicht durchgeführt. Das heißt 2,5 Mio Menschen wurden in Folge der Regierungsmaßnahmen nicht versorgt. Also 2,5 Mio Patienten wurden in März und April 2020 nicht operiert, obwohl dies  nötig gewesen wäre. Die voraussichtliche Sterberate lässt sich nicht seriös einschätzen; Vermutungen von Experten gehen von Zahlen zwischen unter 5.000 und bis zu 125.000 Patienten aus, die aufgrund der verschobenen OPs versterben werden/schon verstarben. 

b.  

Aufgrund Einschränkungen der Klinikverfügbarkeiten (und Behandlungsmöglichkeiten) verschobene oder abgesagte Folgebehandlungen von (z.B. an Krebs, Schlaganfall oder Herzinfarkt) Erkrankten: Die negativen Wirkungen von unterbrochenen Versorgungsstrukturen bei Tumorpatienten, seien es Krebsnachsorge oder auch unterbrochene  Krebsvorsorgeprogramme, wie beim Brustkrebs, liegen auf der Hand, denn diese Maßnahmen haben ja ihren Nutzen in langen Studien belegt und sind auf dieser Basis eingerichtet worden. Es ist auch hier von jährlichen Behandlungszahlen in Millionenhöhe auszugehen. In einem Teil der Fälle werden die Verfügbarkeitseinschränkungen der Kliniken ebenfalls zum vorzeitigen Versterben von Patienten führen. Eine Prognose dieses Effekts ist schwierig. Experten, die sich dazu äußerten,gingen von bis zu mehreren tausend zusätzlichen Toten aus, die bereits in März und April 2020 verstarben oder noch versterben werden. 

c.  

Bei der Versorgung von Pflegebedürftigen(in DEU insgesamt 3,5 Mio. Menschen) sinkt aufgrund von staatlich verfügten Beschränkungen das Versorgungsniveau und die Versorgungsqualität (in Pflegeeinrichtungen, bei ambulanten Pflegediensten sowie bei privat / innerfamiliär durchgeführter Pflege). Da erwiesenermaßen das gute Pflegeniveau in DEU viele Menschen vor dem vorzeitigen Versterben bewahrt (das ist der Grund dafür, dass dafür so viel Geld aufgewendet wird), wird die im März und April 2020 erzwungene Niveauabsenkung vorzeitige Todesfällen ausgelöst haben. Bei 3,5 Mio. Pflegebedürftigen würde eine zusätzliche Todesrate von einem Zehntel Prozent zusätzliche 3.500 Tote ausmachen. Ob es mehr oder weniger sind, ist mangels genauerer Schätzungen nicht bekannt. 

d.  

Zunahmen von Suiziden (bisher durchschn. 9.000 pro Jahr); Gründe für die Zunahme von Suiziden: lange andauernde erhebliche Beeinträchtigung aller Lebensbedingungen, die für psychisch instabile Persönlichkeiten kritisch werden können; aber auch mit zahlreichen Suiziden als Reaktion auf die wirtschaftliche Vernichtung von Existenzen ist zu rechnen; diverse Berufsgruppen, die sich ihrer  Belastung durch die gesellschaftlichen und persönlichen Veränderungen und ihrer persönlichen (Mit)Verantwortung nicht gewachsen fühlen. 

e.  

Zusätzliche Todesfälle durch Herzinfarkt und Schlaganfall. Über die letzten Jahre und Jahrzehnte wurden integrierte Konzepte entwickelt, die erfolgreich die Morbidität und Mortalität beeinflusst haben und darauf beruhen, dass möglichst frühzeitig (im Krankheitsverlauf), möglichst rasch (Zeit bis zur Versorgung) und möglichst kompetent eine Versorgung erfolgt. Diese inter-sektoralen/-disziplinären Ketten sind in vielfacher Weise geschädigt (ambulante Versorgung, Ressourcenentzug) und leiden auch maximal darunter, dass bedingt durch einseitige und übertriebene Informationspolitik die Betroffenen unberechtigterweise Corona mehr als diese Erkrankungen fürchten und Warnzeichen unterdrücken und auch befürchten mit diesen Erkrankungen in der derzeitigen Corona-Fixierung im Krankenhaus nicht gut behandelt zu werden. In Konsequenz suchen derzeit viele Betroffene nicht/zu spät den Arzt auf, was bei diesen Erkrankungen erhöhte Morbidität, verschlechterte Rehabilitation und erhöhte Mortalität bedeutet."

 

 

 

 

 

 

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