Politik

Spannungen eskalieren: Nordkorea sprengt Verbindungsbüro an Grenze zu Südkorea in die Luft

Südkoreanischen Angaben zufolge soll Nordkorea ein wichtiges Verbindungsbüro in der Grenzregion Kaesong gesprengt haben. Die Eskalation stellt einen neuen Tiefpunkt in den Beziehungen beider Staaten dar.
16.06.2020 09:15
Aktualisiert: 16.06.2020 09:15
Lesezeit: 3 min
Spannungen eskalieren: Nordkorea sprengt Verbindungsbüro an Grenze zu Südkorea in die Luft
Nordkoreanische Soldaten schauen am 14.06.2017 durch das Fenster eines Konferenzraums in der demilitarisierten Zone (DMZ) zwischen Nord- und Südkorea. (Foto: dpa) Foto: Benoit Doppagne

Nordkorea hat nach südkoreanischen Angaben das innerkoreanische Verbindungsbüro in der Grenzstadt Kaesong gesprengt. Die Sprengung sei am Nachmittag (Ortszeit) erfolgt, sagte eine Sprecherin des Vereinigungsministeriums in Seoul am Dienstag. Nähere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt. China sprach sich in einer Reaktion für "Frieden und Stabilität" auf der koreanischen Halbinsel aus. "Nordkorea und Südkorea sind ein Volk und als Nachbar hat China immer auf die Wahrung von Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel gehofft", sagte ein Sprecher des Außenministeriums.

Das Verbindungsbüro galt einst als "Symbol des Friedens". Dessen Einrichtung war ein konkretes Ergebnis des ersten Gipfeltreffens zwischen Moon Jae In und Kim Jong Un im April 2018 gewesen. Sein Zweck war es unter anderem, sich jederzeit über bilaterale Angelegenheiten beraten zu können. Seoul wollte das Büro auch dazu nutzen, um mit Nordkorea über den Abbau von dessen Atomwaffenprogramm zu sprechen. Das Büro war aber zuletzt verwaist. Die Sprengung des Gebäudes hatte das Vereinigungsministerium in Seoul bestätigt. Die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap zeigte Bilder von einer Rauchsäule, die vom Gelände des einst gemeinsam betriebenen Industrieparks in Kaesong aufsteigt. Dort war auch das Büro. Nordkorea hatte zuvor schon die Telefon- und Faxleitungen zum Süden gekappt und mit dem Abbruch aller Kontakte sowie mit weiteren Vergeltungsmaßnahmen gedroht.

Vor der Sprengung drohte Nordkoreas Militär auch damit, bereits "entmilitarisierte" Zonen an der Grenze wieder mit Soldaten zu besetzen. Es würden Pläne der Regierung und der Arbeiterpartei geprüft, wonach die Armee wieder in Zonen vorstoßen könne, die unter dem Abkommen zwischen den beiden Ländern entmilitarisiert worden seien, wurde der Generalstab von den staatlichen Medien zitiert. Südkoreanische Medien spekulierten, Nordkorea könnte unter anderem wieder Soldaten in das Gebiet um Kaesong schicken. Dort hatten beide Länder bis 2016 ihren gemeinsamen Industriekomplex betrieben. Früher waren auf dem Gelände Soldaten stationiert gewesen.

Zuletzt waren die Spannungen zwischen beiden Staaten deutlich gestiegen. Auslöser für die Sprengung war eine Flugblattaktion des Südens vor einigen Tagen:

Nordkorea hatte nach der Propaganda-Aktion südkoreanischer Aktivisten seinen Ton verschärft und dem Nachbarland mit Vergeltung gedroht. "Das Recht, die nächste Aktion gegen den Feind zu unternehmen, wird dem Generalstab unserer Armee anvertraut", erklärte die einflussreiche Schwester von Machthaber Kim Jong Un, Kim Yo Jong, am Samstagabend (Ortszeit). Es sei besser, eine Reihe von Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen, als Erklärungen abzugeben. Wie die Aktion konkret aussehen könnte, ging aus den mit Andeutungen gespickten Äußerungen damals noch nicht hervor.

Die Regierung in Seoul rief die Führung in Pjöngjang am Sonntag auf, alle bilateralen Abkommen einzuhalten. Die Situation werde als "sehr ernst" angesehen, teilte das Vereinigungsministerium mit. Das ständige Komitee des Nationalen Sicherheitsrats kam in Seoul zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen, um die Lage zu erörtern. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums werden die Bewegungen des Militärs im Nachbarland genau beobachtet.

"Ich spüre, dass es an der Zeit ist, mit der südkoreanischen Regierung zu brechen", wurde Kim Yo Jong von den nordkoreanischen Staatsmedien zitiert. Sie habe die Abteilung, die für "Angelegenheiten mit dem Feind" zuständig sei, angewiesen, die nächste Aktion entschieden auszuführen, sagte die Funktionärin. Dazu habe sie die Befugnis vom Machthaber und der Partei.

Kim spielte erneut auf eine Ballonkampagne von Ende Mai an, bei der Aktivisten und nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea nahe der Grenze etwa eine halbe Million Flugblätter mit Kritik an der Regierung in Pjöngjang in Richtung Norden geschickt hatten. Den Teilnehmern an der Kampagne warf Kim vor, die Würde ihres Bruders zu verletzen, indem sie "Müll auf unser unverletzliches Territorium" fliegen ließen.

Ziel dieser häufig unternommenen Aktionen ist es, die Nordkoreaner zum Sturz der autokratischen Führung aufzurufen. Der Regierung in Seoul wirft Pjöngjang vor, nichts gegen diese Kampagnen zu tun. Nordkorea hatte schon Anfang Mai mit dem Ende eines Militärabkommens mit Südkorea von 2018 über vertrauensbildende Maßnahmen sowie der Schließung eines Verbindungsbüros an der Grenze gedroht. Auch damals meldete sich Kim Yo Jong zu Wort. Später kappte Pjöngjang alle Kommunikationskanäle zu Seoul.

Machthaber Kim Jong Un schiebt dabei nach Meinung von Beobachtern seine Schwester vor, um selbst im Hintergrund seine Instruktionen zu geben und den Druck auf Seoul zu erhöhen. Kim Jong Un hatte bei den drei innerkoreanischen Gipfeltreffen vor zwei Jahren eine persönliche Beziehung zum südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In aufgebaut - was einen bedeutenden Durchbruch in den Beziehungen beider Staaten darstellte.

Auch US-Präsident Donald Trump sieht sein Verhältnis zu Kim, den er bisher dreimal getroffen hat, als eine freundschaftliche Beziehung. Doch seit dem gescheiterten Gipfel zwischen Kim und Trump im Februar 2019 in Vietnam befinden sich die bilateralen Verhandlungen über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm in einer Sackgasse. Auch die innerkoreanischen Beziehungen kommen nicht mehr voran.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Rentenbeiträge und Krankenkasse: Sozialabgaben werden weiter steigen
25.04.2025

Gerade bei der Rente hat die kommende Merz-Regierung ambitionierte Pläne. Doch gemeinsam mit den Krankenkassenbeiträgen droht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gold im Höhenrausch: Wenn Trump das Gold sieht, wird es gefährlich
25.04.2025

Der Goldpreis steht kurz davor, einen historischen Rekord nicht nur zu brechen, sondern ihn regelrecht zu pulverisieren. Die Feinunze Gold...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Autoindustrie unter Druck: Zollkrieg sorgt für höhere Preise und verschärften Wettbewerb
25.04.2025

Der Zollkrieg zwischen den USA und Europa könnte die Auto-Preise in den USA steigen lassen und den Wettbewerb in Europa verschärfen....

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen der Deutschen auf Rekordhoch – aber die Ungleichheit wächst mit
25.04.2025

Private Haushalte in Deutschland verfügen so viel Geld wie nie zuvor – doch profitieren längst nicht alle gleichermaßen vom...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland am Wendepunkt: Wirtschaftsmodell zerbricht, Polen rückt vor
25.04.2025

Deutschlands Wirtschaftsmaschinerie galt jahrzehntelang als unaufhaltsam. Doch wie Dr. Krzysztof Mazur im Gespräch mit Polityka...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft China im Handelskrieg: Regierung bereitet sich auf das Schlimmste vor
25.04.2025

Chinas Führung bereitet sich inmitten des eskalierenden Handelskonflikts mit den USA auf mögliche Härtefälle vor. In einer Sitzung des...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Pharmazeutische Abwanderung: Wie Europa seine Innovationskraft verloren hat – und sie zurückgewinnen kann
25.04.2025

Europas einst führende Rolle in der Pharmaforschung schwindet – während andere Regionen aufholen, drohen Abhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik Trump deutet historischen Kompromiss an: Russland will Ukraine nicht vollständig besetzen
25.04.2025

Moskau signalisiert Rückzugsbereitschaft – wenn der Westen zentrale Forderungen erfüllt.