Politik

USA und Türkei gründen einheitliches Kurdistan im Irak und Syrien

Lesezeit: 2 min
27.06.2020 13:16
Es gibt ernsthafte Hinweise darauf, dass die Türkei und die USA die Gründung einer einheitlichen Kurdistanregion zwischen dem Nordirak und Ostsyrien anstreben. Diese würde sich aber gegen den Iran und Europa richten.
USA und Türkei gründen einheitliches Kurdistan im Irak und Syrien
Zwischen Syrien und dem Irak entsteht eine kurdische Föderation. (Grafik: DWN/Google Maps)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der syrische „Kurdische National Rat (ENKS)“ und die syrisch-kurdische PYD (eine Oppositionspartei zu Assad) haben der kurdischen Nachrichtenagentur Rudaw zufolge am 17. Juni 2020 gemeinsam mit der „Regionalregierung von Kurdistan" (KRG/die Regierung der autonomen Region Kurdistans)“ ein gemeinsames Abkommen unterzeichnet, wonach das von der PYD besetzte Gebiet im Osten Syriens mit der irakischen KRG-Region Schritt für Schritt zu einem Gebiet verschmelzen sollen.

Die KRG wird vom kurdischen Barzani-Clan kontrolliert. Bisher hatten sich die KRG und die PYD, die als Ableger der PKK gilt, bekämpft. „Diese Vereinbarungen stellen einen ersten und wichtigen Schritt dar, der unter der Schirmherrschaft und Unterstützung des stellvertretenden US-Sonderbeauftragten für die Internationale Allianz, Botschafter William Robak und des Oberbefehlshabers der syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), General Mazloum Abdi, und [Nechirvan] Barzani, Präsident der Region Kurdistan im Irak, erreicht wurde“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung.

Der Kurden-Politiker Abdulaziz Temo, Chef des „Kurdischen Unabhängikeitsverband Syriens“, kritisiert den Schritt. Er argumentiert, dass die USA damit eine Legitimationsgrundlage für die PKK schaffen wollen. Dem Abkommen zufolge hätten die USA die Regionen Deir Ezzor und Rakka einbezogen. Doch dort würden nahezu keine Kurden leben. Auch in Hasaka seien Kurden in der Minderheit. „Mit diesem Abkommen wollen sie eine ,Syrisch-Kurdische Föderation‘ gründen. Doch das ist unmöglich. Die Türkei würde entlang ihrer 900 Kilometer langen Grenze zu Syrien keinen Kurdenstaat tolerieren. Außerdem leben hier auch Araber und Assyrer. In Hasaka beläuft sich die kurdische Population auf 30 Prozent. In Deir Ezzor, Tal Abyad und Rakka leben keine Kurden. Die kurdische Population in Rasulain beträgt 18 Prozent“, zitiert die Zeitung Yeni Şafak den Politiker Temo.

Es ist davon auszugehen, dass die Türkei die Verhandlungen zwischen den syrischen und irakischen Kurden unterstützt. Die aktuelle türkische Operation gegen die PKK im nordirakischen Gebiet wurde von der KRG gebilligt. Die Folge der Operation war, dass die PYD/PKK sich der KRG zuwenden musste. Die KRG ist wiederum ein Verbündeter der Türkei, zu der sie enge wirtschaftliche und politische Beziehungen pflegt. Es liegt im Interesse der Türkei und der USA, dass die KRG die PYD/PKK regelrecht „schluckt“. In einer späteren Phase würde sich die Türkei dann als „Schutzmacht“ der Kurden in der gesamten Region betätigen. Allerdings würde dieses Szenario die Gefahr einer möglichen Konfrontation mit dem Iran in sich bergen.

Die Türkei und die KRG als Partner

Die Petro-Dollars der KRG werden zu signifikanten Teilen bei türkischen Banken hinterlegt. So befinden sich in Arbil beispielsweise folgende türkische Banken: Ziraat Bank, İş Bank, Vakıfbank und Albaraka Türk.

Es sind auch zahlreiche Firmen in der KRG-Region vertreten. Dazu gehören unter anderem Ülker, Vestel, Arçelik, Beko, İstikbal, Vakko, Divan, Alfemo oder Merinos.

Der Aufbau der irakischen Kurdistanregion ist ausschließlich türkischen Baufirmen zu verdanken. Dazu gehören unter anderem die türkischen Bau-Riesen Tepe, Elegan, Yüksel, Taşyapı, Cengiz, Makyol, Nursoy, Günay oder Renas Company.

Der Bau von Autobahnen, des Flughafens von Suleimaniya, zahlreiche Universitäten, Gefängnisse, Malls, Kanalisationen, Wohnhäuser und weitere Projekte gehen auf das Konto türkischer Baufirmen.

Sehr bald könnte die türkische Regierung im Zusammenhang mit dem Kurdistan-Plan im Irak und Ostsyrien Gespräche mit der kurdisch-nationalistischen HDP, die im türkischen Parlament vertreten ist, aufnehmen. Doch wahrscheinlicher ist, dass die HDP verboten wird, um eine neue Kurdenpartei mit einer neuen gesprächsbereiten Spitze zu gründen. Den Aussagen, wonach es unter keinen Umständen neue Gespräche und Verhandlungen geben soll, ist nicht zu trauen. Denn die Ereignisse sprechen eine andere Sprache.

Die Verschmelzung Ostsyriens mit der KRG-Region hätte zudem den geopolitischen Effekt, dass der vom Iran geplante Korridor zum Mittelmeer vollständig versperrt wäre.

Das wären auch schlechte Nachrichten für Europa. Der Iran hätte einen energiepolitischen Korridor errichten können, um den europäischen Markt mit Erdgas zu versorgen. Die Europäer hätten damit die Möglichkeit gehabt, die Gaspreise eigenständig zu verhandeln – unabhängig von Russland und den USA.


Mehr zum Thema:  

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wirecard-Zivilprozess: Ein Musterkläger für 8500 Aktionäre - Kommt eine Entschädigung für Aktionäre?
21.11.2024

Holen sich Wirecard-Aktionäre jetzt eine Milliarden-Entschädigung von EY? Viereinhalb Jahre nach der Wirecard-Pleite geht es vor dem...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Ifo-Umfrage: Industrie bewertet Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit miserabel
21.11.2024

Seit 1994 hat die Industrie ihre Lage nicht mehr so schlecht eingeschätzt, sagt das ifo Institut. Im EU-Vergleich stehen deutsche...

DWN
Panorama
Panorama Finnland startet Ermittlungen zum Kabelschaden in der Ostsee
21.11.2024

Nachdem die schwedischen Behörden bereits tätig wurden, hat nun auch die finnische Kriminalpolizei Ermittlungen zu einem Kabelschaden in...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nach vier Jahren: Castor-Transport erreicht Deutschland
20.11.2024

Nach vier Jahren hat erstmals wieder ein Castor-Transport mit hochradioaktiven Abfällen aus dem Ausland Deutschland durchquert. Der Zug,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit neuem Rekordhoch - geht es jetzt Richtung 100.000 US-Dollar?
20.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch bei über 94.800 US-Dollar - die wichtigste Kryptowährung sorgt seit dem Sieg von Donald Trump bei...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bank-Aktie klettert: Einstieg bei KI-Start-up Aleph Alpha
20.11.2024

Das Heidelberger Start-up Aleph Alpha gilt als wichtiger Akteur in der deutschen KI-Branche. Jetzt investiert die Deutsche Bank in das...

DWN
Finanzen
Finanzen Depotübertrag: Wie Sie Ihr Wertpapierdepot wechseln und dabei Geld sparen
20.11.2024

Ein Depotübertrag kann für Sie als Anleger zahlreiche Vorteile bieten, von geringeren Gebühren bis hin zu attraktiven Prämien für...