In Italien ist eine Partei mit dem Namen „Italexit“ aus dem Boden gestampft worden. „Ich habe eine neue politische Bewegung gegründet, deren erstes Ziel es ist (…) aus der Europäischen Union und dem Euro auszutreten– bevor der Euro das Leben der Italiener vollständig zerstört“, zitiert Rovigoggi.it Gianluigi Paragone. Der italienische Politiker, der einst der 5-Sterne-Bewegung angehörte, meint, dass sich Italien nicht mehr von jenen Ländern „erpressen“ lassen dürfe, die Italiens Ansehen untergraben würden.
Im Interview mit der Zeitung La Repubblica sagte Paragone, dass der Wiederaufbaufonds der EU lediglich dazu diene, die Banken zu retten. „Und Sie glauben, dass dieses Geld an die Italiener gehen wird? Das Geld wird an die Banken übergeben, die Bürger werden keinen Cent sehen“, so Paragone.
Der Wiederaufbaufonds sei ein Manöver, um die „europäische Täuschung“ am Leben zu halten. Auf Nachfrage, was er damit meint, antwortete der Politiker: „Schauen Sie, es ist so, als hätte Europa zu einem durstigen Mann gesagt: Ich gebe Ihnen eine Flasche Wasser, aber seien Sie vorsichtig beim Trinken. Legen Sie dabei Ihre Hände auf den Rücken.“
Die Corona-Pandemie mit ihren schweren wirtschaftlichen und sozialen Folgen kann nach Ansicht des Pariser Experten Sébastien Maillard das Gefüge der EU erschüttern. „Die Italiener sind bereits sehr misstrauisch gegenüber Europa geworden. Es gibt das Risiko, dass ein ,Italexit‘ ausgelöst werden könnte“, sagte der Direktor des "Jacques Delors Instituts" im April 2020 mit Blick auf einen möglichen italienischen EU-Austritt.
Der Chef der Lega Nord, Matteo Salvini, hatte zu Beginn der Pandemie gesagt: „Die EU ist eine Höhle voller Schlangen und Schakale. Zuerst besiegen wir das Virus, dann denken wir über Europa nach. Und wenn nötig, verabschieden wir uns - ohne uns zu bedanken.“
Salvinis außenpolitische Ausrichtung ist besonders interessant. Er sagt deutlich, dass sich Italien finanziell nicht von Deutschland abhängig machen dürfe, um gerettet zu werden. „Ich traue weder Peking noch Berlin“, so der umstrittene Politiker.
Paragone meint hingegen, dass Deutschland sich in Europa „alles nimmt“, um den restlichen Staaten die „Krümel“ zu überlassen. Und das Problem sei, dass viele denken, dass die „Krümel die wahre Mahlzeit“ seien. All dies schade der Realwirtschaft, Familien, Arbeitern sowie kleinen und mittleren Unternehmen, wie die Corriere Dell Umbriart den Politiker zitiert.
La Repubblica berichtet über den jüngsten EU-Sondergipfel: „Neben Berlin und Paris zu den Gewinnern des Duells um den Wiederaufbaufonds zu gehören, ist allerdings mit einer hohen Verantwortung verbunden: Wir sind das Land, das die meisten Zuschüsse und Kredite erhält, und daher wird die Art und Weise, wie wir sie verwalten, weitgehend mitbestimmen, wie glaubwürdig die gesamte Rettungsaktion der EU-Wirtschaft wird. Wenn die Conte-Regierung schnell Entscheidungen trifft, visionär in Bezug auf Wachstum und mutig in Kampf gegen Bürokratie und Korruption ist, werden wir ein Modell für den EU-Neustart sein, genau wie es unsere Ärzte und Krankenschwestern im Kampf gegen das Virus waren. Wenn jedoch interner Streit, politische Blindheit, persönliche Ambitionen und bürokratischer Widerstand überwiegen, wird die Chance verspielt, Italien wird geschwächt hervorgehen und alle, die das Ende der EU wollen, werden davon profitieren.“