Politik

Krawalle in Frankfurt: Integrations-Debatte soll von Corona-Misere ablenken

Die Krawalle in Frankfurt haben eine hitzige Debatte über Migration und Integration ausgelöst. Die Rassismus-Debatte gegen die Polizei ist ebenfalls in vollem Gange. In beiden Fällen soll die Bevölkerung offenbar von den wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie abgelenkt werden.
22.07.2020 22:07
Aktualisiert: 22.07.2020 22:07
Lesezeit: 2 min
Krawalle in Frankfurt: Integrations-Debatte soll von Corona-Misere ablenken
19.07.2020, Frankfurt/Main: Scherben von zertrümmerten Scheiben einer Bushaltestelle und umgefallene Mülltonnen liegen vor der Alten Oper am Boden. (Foto: dpa) Foto: ---

Die gewalttätigen Krawalle auf dem Frankfurter Opernplatz haben in der deutschen Öffentlichkeit mal wieder eine Debatte über Integration und Migration entfesselt.

Diese Debatte wird veranstaltet als Abwehr und Vergeltungsmaßnahme gegen die jeder Grundlage entbehrenden Gräuelmärchen über die „kulturfremden Invasoren“, die über die sozialen Medien auf geschickte Weise massenhaft in das Gedächtnis der Deutschen lanciert werden. Und jeder fühlt sich nun berechtigt und bemüßigt, sich eine Meinung über eine gesamte gesellschaftliche Gruppe - und eben nicht über die Straftäter vom Opernplatz - zu bilden. Dabei sollte eine grundsätzliche Debatte über „Law and Order“ geführt werden - aber unter Berücksichtigung der Corona-Maßnahmen, die viele Menschen schwer traumatisiert haben.

Zwischen den Krawallen in Frankfurt und dem religiösen oder ethnischen Hintergrund der Krawallmacher besteht kein Kausalzusammenhang. Wenn dem so wäre, ließen sich die Angriffe auf Polizisten, die in Berlin im Verlauf von „Straßen-Partys“ ausgeführt wurden, nicht erklären, zumal an diesen Vorfällen keine „Migranten-Gruppen“ beteiligt waren. Übersehen wurde natürlich auch die jüngste Massenschlägerei in Erfurt, die von den Medien weitgehend unbeachtet blieb.

Ich bin mir im Klaren darüber, dass meine Ausführungen nicht fruchten werden, weil sich viele Menschen die Realität in diesem Land so ausmalen, wie sie es gerne hätten – insbesondere die Politik. Man wird mir vielleicht auch unterstellen wollen, dass ich die Straftäter vom Opernplatz in Schutz nehmen möchte.

Wenn sich in den kommenden Monaten und Jahren die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen sollten, um anschließend in schweren Unruhen zu münden, wird sich die Öffentlichkeit nicht mehr des Arguments der „Integrations-Probleme“ bedienen können. Es sei denn, man würde den Deutschen tatsächlich unterstellen wollen, sie hätten Probleme bei der Integration in ihre eigene Heimat. In diesen „Zeiten der Wirren“ ist schließlich nahezu alles möglich.

Was aktuell in Deutschland passiert, kann wohl am besten als „Täuschungsmanöver“ bezeichnet werden. Der Unmut der Bürger über die strikten Corona-Maßnahmen in Verbindung mit nachvollziehbaren Existenzängsten wird – wie so oft – gegen ethnische und/oder religiöse Minderheiten kanalisiert, um von der Unfähigkeit der Politik, die Corona-Krise zu meistern, abzulenken.

Zu den Leidtragenden gehören aber nicht nur Menschen, die nichts mit den Krawallen zu tun hatten, sondern auch Polizeibeamte, die von denselben Politikern in ihren Eingriffsmöglichkeiten eingeschränkt werden.

In den vergangenen Wochen wurde den Polizeien in Deutschland seitens der Politik nicht nur Rassismus, sondern auch Unfähigkeit vorgeworfen. Es wurden Gesetze auf den Weg gebracht, um die Handlungsfähigkeit der Polizeien massiv einzuschränken. Die Medien spielten dieses Spiel mit.

Nun sind es dieselben Kreise, die sich darüber empören, was die Krawallmacher in Frankfurt veranstaltet haben. Der Ruf nach strikten Maßnahmen und Polizeipräsenz ist unüberhörbar. Ein gewisses Murmeln der Missbilligung – unterdrückt aber hörbar – läuft sogar unter den „Multi-Kulti-Fanatikern“ durch das Land.

Feinfühlig merken nicht wenige Politiker und selbst ernannte Integrations-Experten, dass ihre Stunde geschlagen hat, um Profit aus den Krawallen zu ziehen. Indem sie eine ganze gesellschaftliche Gruppe, die sie selbst definieren, kollektiv diskreditieren, bringen sie es zustande, dass nicht ihre, sondern die „Lebensberechtigung“ der genannten Gruppe in Frage gestellt werden soll. Es geht ihnen aber garantiert nicht um die Straftäter vom Opernplatz, sondern um den Fortbestand ihrer eigenen Privilegien auf Kosten von unschuldigen Menschen.

Ein geschickter Trick, der die Zweifel und Ängste innerhalb der deutschen Bevölkerung nur noch vertieft, sie aber von realen sozialen und wirtschaftlichen Problemen, die ihnen die Corona-Pandemie noch bescheren wird, ablenkt.

Divide et impera? Vielleicht. Aber möglicherweise ist es auch nur eine gefährliche und grenzenlose Dummheit!

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

avtor1
Cüneyt Yilmaz

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Solarausbauziel in Deutschland bis 2030 zur Hälfte erfüllt
04.07.2025

Deutschland hat bereits einen großen Schritt in Richtung Solarenergie gemacht – doch der Weg ist noch weit. Trotz beachtlicher...

DWN
Politik
Politik One Big Beautiful Bill: Das steckt hinter Trumps Steuererleichterungen
04.07.2025

Am amerikanischen Unabhängigkeitstag setzt Donald Trump ein innenpolitisches Zeichen: Mit dem "One Big Beautiful Bill" will er seine...

DWN
Panorama
Panorama Waldbrand Sachsen: Gohrischheide - über 1.000 Einsatzkräfte im Einsatz
04.07.2025

Hitze, Trockenheit und starker Wind: In Sachsen und Thüringen kämpfen Einsatzkräfte gegen massive Waldbrände. Besonders die...

DWN
Politik
Politik Rentenkasse: Neue Mütterrente wohl erst ab 2028 umsetzbar
04.07.2025

Die Ausweitung der Mütterrente sorgt für Diskussionen: Einigkeit herrscht über das Ziel, Uneinigkeit über das Tempo. Millionen Mütter...

DWN
Finanzen
Finanzen Sparen für Kinder: Welche Anlagen sich wirklich lohnen
04.07.2025

Eltern wollen ihre Kinder finanziell absichern, doch viele verschenken Chancen. Statt renditestarker Anlagen dominiert Vorsicht, oft ohne...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...