Politik

Der Fall „Tik Tok“: Die technologische Abkopplung zwischen den USA und China nimmt Fahrt auf

Die Offensive gegen die beliebte App Tiktok ist die jüngste Maßnahme in einer langfristigen Strategie der Abkopplung von China, welche die US-Regierung verfolgt.
03.08.2020 11:46
Aktualisiert: 03.08.2020 11:46
Lesezeit: 3 min
Der Fall „Tik Tok“: Die technologische Abkopplung zwischen den USA und China nimmt Fahrt auf
Das Tiktok-Logo. (Foto: dpa) Foto: Uncredited

Der US-Technologiekonzern Microsoft bringt sich nach massivem politischen Druck aus dem Weißen Haus in Stellung, das US-Geschäft der populären chinesischen Video-App Tiktok zu übernehmen. Der Software-Konzernriese will bis Mitte September einen Deal mit dem privaten Tiktok-Eigentümer Bytedance aushandeln. Microsoft bestätigte die Gespräche erstmals, nachdem Präsident Donald Trump am Wochenende mit einem Verbot der Plattform unter Verweis auf die Datensicherheit drohte.

Auch der Tiktok-Betrieb in Kanada, Australien und Neuseeland soll Teil der Vereinbarung sein, erklärte Microsoft in einem Blogeintrag in der Nacht zum Montag. Europa wurde nicht erwähnt.

Die US-Regierung warnt schon länger vor der angeblichen Gefahr, dass über Tiktok Daten von Amerikanern in die Hände chinesischer Behörden geraten könnten. Zugleich will Trump Pekings Einfluss in den USA mit aller Macht zurückdrängen, auch andere chinesische Konzerne wie die Telekom-Riesen Huawei und ZTE bekamen dies schon zu spüren. Im Fall von Tiktok wird auch die Gefahr einer politischen Einflussnahme oder Zensur von Inhalten im Sinne Pekings angeführt.

Microsoft erklärte, die Einwände Trumps ernstzunehmen. Nach einem Gespräch des Firmenchefs Satya Nadella mit dem Präsidenten sollen die Übernahmepläne nun aber weiterverfolgt werden. Der Konzern wolle dafür sorgen, dass alle persönlichen Daten von US-Bürgern in die USA übertragen und nur dort gesammelt werden. Microsoft betonte zugleich, dass eine Übernahme nur im Einvernehmen mit der US-Regierung und im Zuge einer Sicherheitsprüfung infrage käme.

Hintergrund für die Offensive der US-Regierung gegen Tiktok ist das Bestreben Washingtons, sich vom Rivalen China auf mehreren sicherheitsrelevanten Feldern abzukoppeln. Zuletzt hatten mehrere Stimmen aus China vor den Abspaltungstendenzen gewarnt. Unter anderem solle sich Peking auf einen Ausschluss aus dem Dollar-System vorbereiten.

Von Snowden zu Tik Tok

Der Finanzdienstleister Solvecon lieferte heute einen Kommentar zum Fall Tiktok:

Um Sachlichkeit zu gewährleisten, erinnern wir an die Snowden-Veröffentlichungen, die belegten, dass die US-Regierung und US-IT-Unternehmen im unzulässigem Schulterschluss agierten. Snowden hat den Missbrauch seitens der USA belegt. Wurden die USA seinerzeit sanktioniert? Nehmen die USA heute nachweislich von diesen Aktivitäten Abstand?

Präsident Trump nimmt laut US-Außenminister Pompeo chinesische Softwarefirmen ins Visier. Gegen Unternehmen, die Daten direkt an die Regierung in Peking weiterleiten würden und damit ein Risiko für die nationale Sicherheit der USA darstellten, würden in Kürze Maßnahmen ergriffen. Hier wird ein Vorwurf erhoben, der nicht belegt wird. Belegt ist, dass den USA genau diese Täterschaft, die China unterstellt wird, durch Snowden seitens der USA nachgewiesen wurde. Laut Pompeo wird Präsident Trump Maßnahmen in Bezug auf eine Palette von Risiken für die nationale Sicherheit ergreifen, die durch Software entstehen würden, die mit der Kommunistischen Partei Chinas in Verbindung stünden.

Es ist also nicht Chinas Regierung, sondern die „Kommunistische Partei“. Diese Verbalakrobatik soll emotionalisieren und Feindbilder von gestern neu kreieren. Die Spannungen zwischen China und den USA nehmen erkennbar durch US-Aggressionen zu. Dazu gehört auch Trumps Vorgehen gegen das Netzwerk TikTok, das zum chinesischen Unternehmen Bytedance mit Sitz in Peking gehört. Wo will sich Kontinentaleuropa plus Irland aufstellen (eigener IT-Airbus!)?

Tiktok – eine Chance für Microsoft zum Großangriff auf Facebook

Tiktok ist eine international erfolgreiche Videoplattform mit hunderten Millionen Nutzern weltweit. Nutzer können dort eigene Clips hochladen oder Videos von anderen ansehen. Bytedance bemüht sich schon seit einiger Zeit, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. Tiktok versichert, Chinas Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Daten von US-Nutzern würden sowieso in den USA gespeichert und verarbeitet. In Festland-China gibt es nur die zensierte Version Douyin. Als Chef von Tiktok wurde jüngst der Disney-Manager Kevin Mayer geholt, der bei dem US-Konzern lange als Kronprinz galt.

Wie viel Microsoft für Tiktok zahlen müsste, ist bislang unklar. Es dürfte aber um einen zweistelligen Milliardenbetrag gehen. In den USA hat Tiktok nach eigenen Angaben 100 Millionen Nutzer und ist damit ein äußerst attraktives Übernahmeziel. Microsoft könnte aus dem politischen Gerangel um die App somit als lachender Dritter hervorgehen - der Softwarekonzern hat bislang kein eigenes Social-Media-Geschäft. Unter Nadella wurde Microsoft erfolgreich vor allem mit Cloud-Angeboten für Unternehmen und tritt im Geschäft mit Verbrauchern vor allem mit der Spielekonsole Xbox in Erscheinung.

Mit dem Tiktok-Deal würde der Windows-Riese auf einen Schlag zu einem relevanten Wettbewerber von Facebook werden - Nadella würde sich damit aber auch für den Konzern ganz neue Probleme ins Haus holen. So muss Facebook gewaltige und teure Anstrengungen unternehmen, um Hassbotschaften, Hetze und andere politische Inhalte aus der Plattform zu filtern. Der Bytedance-Plattform war - vor allem zu Zeiten der Vorläufer-App Musical.ly - in der Vergangenheit unter anderem lascher Jugendschutz vorgeworfen worden.

Microsoft sei als potenzieller Käufer vom Bytedance-Chef Zhang Yiming ausgewählt worden, der vor gut zehn Jahren kurze Zeit bei dem Software-Konzern gearbeitet hatte, schrieb das "Wall Street Journal".

Tiktok verzeichnet rasantes Wachstum und gilt schon länger als angesagteste große Plattform bei jüngeren Leuten. Facebook versucht, auf den Zug mit dem Kurzvideo-Format Reels bei seiner Fotoplattform Instagram aufzuspringen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Open Source: Warum Gemeinschaftsprojekte die Basis für Innovation bilden

Was einst als Nischenphänomen engagierter Entwickler begann, ist heute ein globales Innovationsökosystem, das von Freiwilligen,...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Was hinter dem Misstrauen gegenüber der Merz-Regierung steckt
22.10.2025

Die deutsche Industrie steht vor einem Nervenzusammenbruch: Energiepreise, Bürokratie und globale Konkurrenz rauben ihr die Perspektive....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktienmarkt: Warum die nächste Rekordrally näher ist als der Crash
22.10.2025

Nach den Kursstürzen an den Börsen herrscht Unruhe, doch die Panik bleibt aus. Während regionale US-Banken wanken und Investoren über...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Chipkrise durch Nexperia-Lieferstopp: VW warnt vor möglichen Engpässen
22.10.2025

Die Krise um den Chip-Zulieferer Nexperia spitzt sich zu. VW schließt kurzfristige Engpässe nicht mehr aus.

DWN
Immobilien
Immobilien Preisdynamik am Mietmarkt: Mietanstieg auf Immobilienportalen schwächt sich ab
22.10.2025

Die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt ist hoch, doch die Preisdynamik verlangsamt sich. Was ist die Ursache? Der Experte des Kiel Instituts...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordniveau: Warum Anleger jetzt vorsichtig sein sollten
22.10.2025

Der weltweite Goldhandel boomt wie nie zuvor. Doch hinter glänzenden Preisen lauern Risiken: Gold kann entweder Sicherheit oder Rendite...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sanierungsfall Webasto: Rettungsplan für den Autozulieferer scheint in trockenen Tüchern
22.10.2025

Der Rettungsplan für den Automobilzulieferer Webasto steht: Der für seine Autodächer und Standheizungen bekannte Zulieferer hat seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Luxus im Wandel: Exklusive Erlebnisse lösen materiellen Besitz als Statussymbol ab
22.10.2025

Der Luxusmarkt steht vor einem Wandel. Trotz steigender Vermögen der Superreichen schrumpfen traditionelle Segmente, während sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Höhere Strompreise im Winter? Behörden legen Bericht für Deutschland vor
22.10.2025

Ende 2024 schnellten die Strompreise zeitweise auf mehr als 900 Euro pro Megawattstunde. Haben Anbieter die Lage ausgenutzt?...