Finanzen

Das Endspiel ums Bargeld geht in die entscheidende Phase

Lesezeit: 7 min
11.08.2020 14:01  Aktualisiert: 11.08.2020 14:01
Während die Stimmung in Deutschland eindeutig gegen die „Abschaffung des Bargelds“ tendiert, setzen sich der IWF und die EZB für einen schrittweisen Übergang zum kontaktlosen Bezahlen ein.
Das Endspiel ums Bargeld geht in die entscheidende Phase
Die Abschaffung des 500 Euro-Scheins soll in erster Linie der Eindämmung von Schwarzarbeit dienen. (Foto: dpa)
Foto: Peter Steffen

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Im Verlauf der Corona-Krise wurde oftmals das Argument angeführt, dass das kontaktlose Bezahlen das Bargeld früher oder später ablösen wird. Dieses Thema, das die Gemüter der Bürger erhitzt, ist in vollem Gange. Die Befürworter des kontaktlosen Bezahlens beharrten zunächst auf dem Ansatz, dass das Corona-Virus über Bargeldscheine übertragen werden könnte. Die Reaktion darauf ließ nicht lange auf sich warten, wurden jedoch von Verbänden und Banken entkräftet.

„Wer im Supermarkt einkauft und seine Karte aus dem Geldbeutel holt, ist nicht weniger gefährdet als derjenige, der bar zahlt“, sagte BDGW-Hauptgeschäftsführer Harald Olschok.

Welchen Stellenwert das Bargeld für die Deutschen hat, zeigt die Tatsache, dass die Bundesbürger mit etwa 235 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel Bargeld in Banknoten zu Hause wie vor zehn Jahren lagern.

Volkswirten zufolge würde die Abschaffung oder Einschränkung des Bargelds wirtschaftliche Nachteile nach sich ziehen. Die Stiftung Datenschutz führt aus: „Auch die Wirtschaftswissenschaft gab sich skeptisch: Von 184 im ifo-Ökonomen-Panel im März befragten Volkswirtschaftsprofessoren hielten mehr als die Hälfte sogar wirtschaftliche Nachteile in der Folge von Bargeld-Einschränkungen für realistisch. Abgesehen von möglichen handfesten negativen Auswirkungen war es gleichwohl richtig, dass auch das Grundsätzliche betont wurde. So hatte es der F.A.Z.-Herausgeber Steltzner getan: ,In einer Welt, in der alles, was man kauft und konsumiert, verfolgt wird, gibt es keine Privatheit mehr, sondern herrscht die perfekte Kontrolle'.“

Was sagen die Bürger?

Nun lohnt sich auch ein Blick auf die Ansichten der Bürger. Die ING Bank hat das Thema „Bargeldabschaffung“ auf ihrer Webseite aufgegriffen, um den Internetnutzern die Möglichkeit zu geben, ihre Standpunkte darzustellen.

Hier sollen einige Argumente dargestellt werden:

„Wenn wir das Bargeld abschaffen, werden wir besser kontrollierbar – es gibt dann quasi nichts mehr, das den Finanzämtern und Behörden verborgen bleibt. Ein Hartz-IV-Empfänger kann keine 10€ mehr zugesteckt bekommen, ohne dass das Amt es anrechnet, gegen Systemausfälle sind wir nicht mehr geschützt.“

„Wenn Bargeld abgeschafft wird, dann droht uns die totale Überwachung und das komplette Ende der Privatsphäre, und das kann kein vernünftiger Mensch wollen! Schlimm genug, dass – vor allem die Jungen – heute schon ihr gesamtes Leben im Internet frei ausbreiten und keinen Gedanken mehr an Datenschutz verschwenden.“

„Bei einem Sturm am 30. Dezember in Portugal und dem folgenden Stromausfall, fielen alle Bankautomaten aus. Frauen saßen beim Friseur, bekamen wegen des Stromausfalls ihre Haare nicht mehr trocken und konnten den Friseur nicht bezahlen, weil sie kein Bargeld hatten. Ich musste mir bei einem guten Freund Bargeld leihen, damit ich noch etwas für Silvester zum Essen und Trinken einkaufen konnte.“

„Bargeld ist Freiheit. Wie ich mit meinem erarbeiteten Geld umgehe, ist mir überlassen. Das sollte niemanden etwas angehen. Bargeld ist kein Rückschritt. Gerade jetzt in Coronazeiten zahle ich wieder mehr bar. Jetzt erst recht.“

„Ich bin 74 Jahre alt. Mir ist es lieber, eine feste Summe Geld in der Geldbörse zu haben und damit zu wirtschaften, weil ich immer einen Überblick habe, wieviel kann ich noch ausgeben. Ich möchte Bargeld behalten. Für größere Ausgaben nutze ich die Karte.“

„Mit Kartenzahlung werden wir noch mehr kontrolliert. Flucht vor Negativzins durch Bargeldabhebung wäre nicht mehr möglich.“

„Also ich finde bargeldlos toll! Ich hab mich mit dem ,ach so bösen‘ PayPal auseinander gesetzt und mittlerweile macht mir das sogar Spaß. Ich nenn es mein ,Onlineportmonnaie‘. Ich pack mir da jeden Monat n kleines Guthaben hin und kann damit die Parkuhr in der Stadt, den Pizzamann um die Ecke oder mal ne Kleinigkeit im Onlineshop bezahlen.“

„Ohne Bargeld sind Negativzinsen für alle problemlos machbar – mit Bargeld kann man das verhindern. Wer also als Normalbürger für die Bargeldabschaffung ist, der ist entweder sehr naiv und dumm oder der will von seinem Sparvermögen befreit werden.“

„Ein Beispiel: 5% Negativzins. Zum jetzigen Zeitpunkt könnte ich einen Großteil des Geldes von der Bank abholen, und diesen Teil davor bewahren zu schrumpfen. Wäre kein Bargeld mehr da, könnte bzw. müsste ich zusehen, wie mein erarbeitetes Geld von Mal zu Mal weniger wird.“

„Das ist ein heikles Thema mit dem Bargeld. Wem nützt es? Dem Bürger jedenfalls nicht! Der Bürger ist Banken und Staat ausgeliefert, Negativzinsen sind durchsetzbar, Freiheit und Anonymität gehen verloren, bis zur letzten Rolle Toilettenpapier wird das Kaufverhalten durchschaubar.“

„In Wörgl Österreich hat 1933 ein Bürgermeister jedem, der sein Geld länger als einen Monat auf dem Konto hatte, 1% abgezogen. Das Ergebnis: Wörgl war die einzige Gegend, wo die Wirtschaft brummte. Die Menschen gaben ihr Geld lieber aus als Verlust zu erleiden. Es wurde für Baumaßnahmen und Konsumgüter ausgegeben und so die Wirtschaft angekurbelt. Im heutigen Deutschland ist dieser Trend auch schon zu beobachten – bei 0% Zinsen. Aber richtig brummen würde es erst bei Negativzinsen. Geht aber nicht, solange Bargeld im Umlauf ist. Die Menschen würden ihr Geld einfach abheben. Es sind aber nur 10% Bargeld im Umlauf, der Rest ist Buchgeld. Also: Bargeld weg und das Problem ist aus der Welt. Die Menschen müssten ihr Geld ausgeben, oder Verluste erleiden. Ein Gutes hätte es. Von dem daraus entstehenden Wirtschaftsaufschwung hätten wir fast alle was.“

Aus den Argumenten der Bürger geht hervor, dass sie sich aufgrund des aktuellen Negativzins-Umfelds vor einer „Enteignung“ ihrer Bankeinlagen fürchten. Es herrscht auch ein generelles Misstrauen gegenüber dem Staat, den Banken und den internationalen Finanzinstitutionen.

Der IWF ist ein Bargeld-Gegner

Im April 2020, also zu Beginn der Corona-Pandemie, hatte der IWF eine Studie veröffentlicht, in der geschildert wird, wie die Notenbanken Schritt für Schritt das Bargeld abschaffen könnten. Der IWF schlägt vor, dass die Notenbanken eine massive Negativzinspolitik betreiben, um die Wirtschaft in Zeiten von Krisen zu beleben. Dies würde dazu führen, dass jeder, der Sparguthaben führt, Strafzinsen zahlen müsste. Doch dieser Vorschlag könne nicht umgesetzt werden, weil das Bargeld im Weg steht. Schließlich hätten die Bankkunden die Möglichkeit, ihre Ersparnisse abzuheben, um sie zuhause aufzubewahren. Damit könnten sie einerseits Strafzinsen meiden, und andererseits auch das Geld dem Wirtschaftskreislauf entziehen.

Für die Praxis bedeutet dies: Wer in bar bezahlen würde, müsste mehr bezahlen als per Bankkarte oder Überweisung, weil Bargeld gegenüber dem Giralgeld einen geringeren Wert hätte.

Der IWF setzt bei seiner Hoffnung, das Bargeld Schritt für Schritt zu verbannen, auf die Einflussmöglichkeiten der Notenbanken.

EZB-Chefin Lagarde will kein Bargeld

Am 14. November 2018 hielt die aktuelle EZB-Chefin Christine Lagarde als damalige IWF-Chefin eine Rede auf dem Singapore Fintech Festival. Im Verlauf ihrer Rede stellte sie die Nutzung von Bargeld in Frage und unterstützte die Einführung von digitalen Währungen durch die Notenbanken.

Lagarde führte aus: „In den Schaufenstern steht bereits ,Bargeld wird nicht akzeptiert’. Nicht nur in Skandinavien, dem Aushängeschild einer bargeldlosen Welt. Auch in verschiedenen anderen Ländern ist die Nachfrage nach Bargeld rückläufig – wie die jüngsten IWF-Untersuchungen gezeigt haben. Und wer wird in zehn, zwanzig, dreißig Jahren noch Papierzettel (Bargeld, Anm. d. Red.) austauschen? (...) Denken Sie an die neuen spezialisierten Zahlungsanbieter, die E-Geld anbieten – von AliPay und WeChat in China über PayTM in Indien bis zu M-Pesa in Kenia. Diese Geldformen sind für die digitale Wirtschaft konzipiert.“

Sie setzt sich auch dafür ein, dass Notenbanken ihre eigenen digitalen Währungen ausgeben. Dem Economist zufolge würde eine „Verlagerung“ von Bargeld zu digitalen Währungen die Position der Notenbanken erheblich stärken.

2016 kündigte die EZB an, die Prägung von 500-Euro-Banknoten einzustellen, um Betrug und Geldwäsche einzudämmen. Doch Kritiker sahen darin einen offenkundigen „Krieg gegen das Bargeld“ unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung, weil die 500-Euro-Banknote vor allem zur Aufbewahrung von Bargeld diente.

Zum Zeitpunkt der Ankündigung der EZB belief sich die Anzahl der im Umlauf befindlichen 500-Euro-Scheine auf über 300 Milliarden Euro oder fast ein Drittel aller auf Euro lautenden Barmittel.

Analysten der Bank of America ( BAC ) teilten mit, dass die Eliminierung von Banknoten mit hohem Nennwert eine Währung auf den globalen Devisenmärkten effektiv schwächen kann, weil beispielsweise EU-Bürger ihre Euros gegen 1000-Schweizer Franken-Noten eintauschen würden.

Die Abschaffung von Banknoten mit hohem Nennwert würde somit auch den Motiven der EZB dienen, die Währung indirekt zu schwächen, um die Exporte und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Das Thema der „Abschaffung des Bargelds“ wird die Öffentlichkeit in den kommenden Jahren noch intensiver beschäftigen. Am Ende wird sich zeigen lassen, ob die Argumente für oder gegen die „Abschaffung des Bargelds“ überwiegen werden.

Doch in jedem Fall steigt die Zahl der weltweiten Notenbanker, die den Ansatz der Nutzung von digitalen Währungen unterstützen.

Das Bargeld befindet sich – erzwungenermaßen – auf dem Rückzug!

                                                                                ***

Cüneyt Yilmaz ist Absolvent der oberfränkischen Universität Bayreuth. Er lebt und arbeitet in Berlin.


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