Deutschland

NRW-Schulen: Maskenpflicht im Unterricht bei brütender Hitze

Nach Vorwürfen, er sei zu lasch im Umgang mit Corona, präsentiert sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nun als Hardliner. Wenn NRW am heutigen Mittwoch ins neue Schuljahr startet, gilt eine Maskenpflicht im Unterricht.
12.08.2020 09:35
Aktualisiert: 12.08.2020 09:35
Lesezeit: 2 min
NRW-Schulen: Maskenpflicht im Unterricht bei brütender Hitze
Bushra (7) sitzt im Klassenzimmer und trägt eine Maske. (Foto: dpa) Foto: Andreas Arnold

In Nordrhein-Westfalen startet an diesem Mittwoch mit dem Schulbeginn nach sechseinhalb Wochen Sommerferien die Generalprobe. Ganz Deutschland schaut hin, ob und wie der Sonderweg des bevölkerungsreichsten Bundeslands funktioniert, denn landesweite Maskenpflicht im Unterricht gibt es bislang nur hier. Ausgenommen bleiben davon lediglich die Grund- und Förderschulen.

Unter scharfer Beobachtung stehen nicht nur die Bedingungen für Schüler und Lehrer vor Ort, sondern das gesamte, von Anfang an heftig umstrittene Corona-Krisenmanagement von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). «Wir müssen gerade in diesen Tagen besonders vorsichtig sein», rechtfertigt Laschet seinen Kurs. Daher sei die zunächst bis Ende August befristete NRW-weite Maskenpflicht richtig. In anderen Bundesländern gibt es diese Vorschrift nur an einzelnen Schulen.

Gegen die Rückkehr der rund 2,5 Millionen Schüler in den Regelbetrieb an landesweit 2500 Schulen hatten mehrere Lehrer- und Elternverbände Bedenken geäußert, weil aus ihrer Sicht nicht ausreichend für den Infektionsschutz in großen Klassen Sorge getragen wird.

Unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft vermisst - wie auch die Landtagsopposition - intelligente Konzepte für eine Entzerrung des Unterrichts, etwa durch «Schichtbetrieb» und Angebote im Freien. Was, wenn sich nun massenhaft Schüler in NRW mit Corona anstecken, Schulen geschlossen werden müssen und die ohnehin seit Wochen anziehenden Infektionszahlen wieder starke Einschränkungen des öffentlichen Lebens erforderlich machen?

«Für Armin Laschet steht zur Zeit viel auf dem Spiel», stellt Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann fest. Dessen «Lockerungsübungen» im Corona-Krisenmanagement seien «in der Bevölkerung und in der Union nicht gut angekommen», sagte er der dpa. «Ob er mit einem harten Schulmanagement und mit neuen strengen Schutzauflagen punkten können wird, ist offen.»

Schließlich müsse sich Laschet derzeit im «Triathlon» um die Beliebtheit in der Bevölkerung, den Parteivorsitz der CDU und die Kanzlerkandidatur für die Union bewähren. Nachdem Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den NRW-Regierungschef in Sachen Popularität und Kanzlertauglichkeit in den Umfragen schon weit hinter sich gelassen habe, sei es «fast ausgeschlossen», diesen Vorsprung noch einzuholen, bilanzierte von Alemann.

Ein Fiasko im Corona-Krisenmanagement an den Schulen, das in NRW Millionen Eltern, Lehrer und Schüler unmittelbar betrifft, wäre keine Empfehlung für höhere Weihen. Der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, Thomas Kutschaty, sieht Laschet bereits «im corona-politischen Blindflug». Bislang sei die schwarz-gelbe Landesregierung vor allem durch ihr «Hin und Her» aufgefallen, sagte der SPD-Fraktionschef der dpa.

«Nachdem Armin Laschet mit seinem Lockerungskurs erkennbar vor die Wand gefahren ist, gibt er jetzt zum Schulstart ganz plötzlich den Hardliner», urteilte der frühere NRW-Justizminister. «In den USA nennt man das einen Flip-Flopper.» Nachdem es die Landesregierung versäumt habe, frühzeitig auf eine konsequente Teststrategie zu setzen, sei die Maskenpflicht an den Schulen nun «leider notwendig».

Unter Lehrer-, Eltern-, Ärzteverbänden und Wissenschaftlern ist das bundesweit umstritten. Während der Marburger Bund die Maskenpflicht im Unterricht als sinnlose, «überflüssige Behinderung» sieht, stuft eine Gruppe renommierter Wissenschaftler sie in einer Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina als empfehlenswert ein.

Umstritten ist auch, ob nach Corona-Infektionen ganze Schulen geschlossen werden sollen. «Wenn ein Corona-Fall in einer Schule auftaucht, muss nicht direkt die Schule für 14 Tage geschlossen werden», sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der «Rheinischen Post» (Mittwoch). Es reiche, wenn einzelne Klassen oder Kurse zu Hause blieben.

Zumindest hat sich in NRW keine Partei und kein namhafter Verband dafür ausgesprochen, sicherheitshalber beim Lernen auf Distanz zu bleiben und wieder auf Home Schooling zu setzen. Dass dabei in den Wochen vor den Ferien nicht alle Schüler mitgenommen werden konnten, sondern Bildungsnachteile entstanden seien, sei unzweifelhaft, räumt Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) ein. Auch die Landesschülervertretung hat davor gewarnt.

NRW startet nun als sechstes Bundesland nach Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Berlin ins neue Schuljahr. Laschets komplette politische Existenz stehe mit dem Ausgang des Experiments Schulvollbetrieb im Corona-Jahr nicht auf dem Spiel, betonte von Alemann. «Wenn Söder sein bayrisches Amt als das schönste der Welt hinstellt, warum macht es dann Laschet nicht ebenso?» In NRW sei er «bisher jedenfalls nicht herausgefordert».

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Fondsmanager warnt: „Gold ist noch immer unterbewertet“
05.06.2025

Der Goldpreis explodiert – doch laut Fondsmanager Erik Strand ist das Edelmetall noch immer unterbewertet. Die wahre Blase?...

DWN
Panorama
Panorama Stromanbieterwechsel 2025: Neue Fristen ab 6. Juni – wichtige Tipps
05.06.2025

Ein Stromanbieterwechsel soll ab dem 6. Juni deutlich schneller gehen – das klingt gut, hat aber Tücken. Welche Chancen und Risiken...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin in Deutschland lebt in Altersarmut
05.06.2025

Die neuen Zahlen zur Altersarmut in Deutschland sind alarmierend: 2,1 Millionen Rentnerinnen und 1,3 Millionen Rentner leben unterhalb der...

DWN
Finanzen
Finanzen EZB stützt Konjunktur mit achter Zinssenkung seit Juni 2024
05.06.2025

Die von hohen US-Zöllen bedrohte Wirtschaft im Euroraum darf auf günstigere Kredite hoffen: Zum achten Mal seit Juni 2024 senkt die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Erneut mehr Aufträge in der Industrie - Experte: mögliche Trendwende
05.06.2025

In der deutschen Industrie mehren sich Hinweise auf ein Ende der Schwächephase. Im April haben die Industriebetriebe den zweiten Monat in...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Börsenboom trotz Pleitewirtschaft: Drei Konzerne täuschen die deutsche Stärke vor
05.06.2025

Während die deutsche Wirtschaft stagniert und die Industrie schwächelt, feiert die Börse Rekorde. Doch hinter dem Höhenflug stecken nur...

DWN
Technologie
Technologie Wenn die künstliche Intelligenz lügt: Wie Sie sich schützen und was KI-Versicherungen bringen?
05.06.2025

Chatbots erfinden Fakten, ruinieren Verträge und blamieren Konzerne – und die Industrie weiß: Das Problem ist nicht lösbar. Jetzt...

DWN
Politik
Politik Altersvorsorgedepot: Kommt die Frühstart-Rente? Zehn Euro pro Monat für jedes Kind geplant
05.06.2025

Die neue Regierung aus Union und SPD plant die Einführung einer Frühstart-Rente ab 2026. Laut Koalitionsvertrag sollen für jedes Kind...