Politik

Grundsteuer-Chaos: Vermieter und Mieter müssen sich auf höhere Abgaben einstellen

Im Rahmen der Grundsteuer werden 36 Millionen Grundstücke und Häuser neu bewertet. Anschliessend wird die Steuer von den Vermietern auf die Mieter umgelegt.
17.09.2020 13:35
Aktualisiert: 17.09.2020 13:35
Lesezeit: 2 min
Grundsteuer-Chaos: Vermieter und Mieter müssen sich auf höhere Abgaben einstellen
Eine Euro-Geldmünze sowie ein Spielzeughaus stehen auf einem Abgabenbescheid für die Entrichtung der Grundsteuer. (Foto: dpa) Foto: Jens B

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) kann nicht ausschließen, dass einige Hausbesitzer und Mieter künftig mehr Grundsteuer zahlen müssen als bisher.

„Es ist das Ziel, dass es nicht zu einer Erhöhung des Grundsteueraufkommens in Deutschland kommt, weder insgesamt, noch in der einzelnen Gemeinde“, so Scholz. Das gelte aber unterm Strich und nicht für jeden einzelnen Bürger.

Die Grundsteuer muss bis Ende des Jahres neu geregelt sein. Scholz will, dass künftig der Wert des Bodens und die durchschnittliche Miete eine Rolle spielen. Alle rund 36 Millionen Häuser und unbebaute Grundstücke müssten dann neu bewertet werden. Das Bundesland Bayern dagegen wünscht sich ein Modell, das allein auf der Fläche basiert.

Letztlich aber bestimmen die Kommunen die Höhe der Grundsteuer durch ihre Hebesätze. Scholz geht davon aus, dass die Gemeinden diesen Faktor senken werden, damit ihre Bürger nicht stärker belastet werden - garantieren kann er dies aber nicht. „Es gibt kein Mittel, die Gemeinden zu zwingen, es so oder so zu machen“, sagte er. Doch: „Kein Bürgermeister wird es überleben, wenn er den Hebesatz nicht senkt, falls es zu einem Mehraufkommen in seiner Kommune kommt.“

Haus-und-Grund-Präsident Kai Warnecke widersprach: Eine entsprechende Zusage aller Bürgermeister habe Scholz nicht. Der Verband befürchtet, dass Hausbesitzer und Mieter künftig mehr zahlen müssen.

Wer profitiert und wer draufzahlt, ist in allen Ländern noch offen. „Jedes Reformmodell wird im Vergleich zur verfassungswidrigen Einheitsbewertung Gewinner und Verlierer erzeugen“, sagt Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) voraus. Das komme ganz darauf an, ob das Grundstück bisher ungewöhnlich niedrig bewertet worden sei oder nicht. Derzeit wird die Grundsteuer noch nach völlig veralteten, jahrzehntealten Angaben berechnet - viele Grundstücke in Deutschland waren damals deutlich weniger wert als heute.

Die FDP im Bundestag kritisierte die unklare Lage. Es räche sich nun, dass die Koalition zu lange an einem bürokratischen und komplizierteren Grundsteuermodell festgehalten und die Länder fast zwei Jahre lang im Ungewissen gelassen habe, sagte Fraktionsvize Christian Dürr am Montag. Nun renne die Zeit für die Umstellung davon. Dürr riet: „Die Länder sollten nun rational handeln und ein transparentes Modell auf Basis der Grundstücks- und Wohnfläche einführen. Dies ließe sich schnell umsetzen und die wichtigen Einnahmen aus der Grundsteuer für die Kommunen sichern.“

Hamburg wird bei der künftigen Berechnung der Grundsteuer ein eigenes Modell anwenden. Im Gegensatz zum Modell von Bundesfinanzminister und Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sollen dabei sowohl Fläche als auch Lage eines Grundstücks berücksichtigt werden. Ziel sei, Verwerfungen am Wohnungsmarkt zu vermeiden, der Verdrängung angestammter Bewohner entgegenzuwirken und eine Mehrbelastung der Steuerzahler zu vermieden, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) am Dienstag bei Vorstellung der Eckpunkte.



Seinen Plänen zufolge soll unabhängig von der Nutzung die Grundstücksfläche mit 0,02 Euro und die Gebäudefläche mit 0,40 Euro je Quadratmeter bewertet werden. Wohnanlagen sollen steuerlich begünstigt werden. Zur Berechnung der Lage orientiere man sich am Hamburger Mietspiegel, der die Grundstücke in „normale“ und „gute“ Wohnlagen einteilt.



Spekulation mit leeren Grundstücken soll mit der „Grundsteuer C“ verhindert werden: für brachliegende Grundstücke, für die eine Baugenehmigung vorliegt, soll ein höherer Hebesatz berechnet werden. „Jeder hat jetzt fünf Jahre Zeit, sich einen Bebauungsplan für sein Grundstück zu überlegen“, sagte Dressel.



2018 wurde die bisherige Regelung der Grundsteuer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. 2025 muss die Berechnung auf neuer Grundlage erfolgen. Im Bundesmodell ermöglicht eine Öffnungsklausel den Ländern, eigene Wege bei der Grundsteuer zu gehen. Neben Hamburg hatten dies bereits Bayern und Hessen angekündigt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen EZB-Zinsen: Warum Europas Geldpolitik zur Falle werden könnte
17.12.2025

Die EZB signalisiert das Ende der Zinssenkungen – und plötzlich zieht die Eurozone die Risiken einer neuen Straffung an. Europas...

DWN
Politik
Politik Drohnenabwehrzentrum startet: Bund und Länder bündeln Kräfte zur Gefahrenabwehr
17.12.2025

In Berlin startet ein neues Drohnenabwehrzentrum, das Behörden, Bundeswehr und Nachrichtendienste enger verzahnen soll. Drohnensichtungen...

DWN
Politik
Politik EU-Parlament macht Weg für Verzicht auf russisches Gas frei
17.12.2025

Die EU steuert auf einen harten Schnitt zu: Spätestens 2027 soll Schluss sein mit russischem Gas. Doch Ausnahmen, LNG und der Streit mit...

DWN
Politik
Politik Aus Bürgergeld wird Grundsicherung: Kabinett schickt mehrere Reformen auf die Strecke
17.12.2025

Letzte Kabinettsrunde vor Weihnachten: Von Grundsicherung über Rente bis Kurzarbeitergeld treibt die Regierung mehrere Reformen an. Auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Deutsche Bank bringt den Wero-Bezahldienst zu Millionen Kunden
17.12.2025

Der Wero-Bezahldienst erreicht jetzt Millionen Bankkunden: Deutsche Bank und Postbank schalten den vollen Funktionsumfang frei. Europa...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Eurozone: Inflation im November bei 2,1 Prozent
17.12.2025

Die Eurozone-Inflation wirkt auf den ersten Blick stabil – doch eine neue Eurostat-Schätzung verändert den Blick auf den November. Auch...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Steve Jobs und die Zukunft der Führung: Warum Chefs jetzt umdenken müssen
17.12.2025

Der Mittelstand arbeitet noch nach Regeln von gestern – doch die Herausforderungen von heute lassen sich damit kaum lösen. Der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutschland: Ifo-Index schwach – Jahr endet ohne Aufbruchsstimmung
17.12.2025

Der Ifo-Index sendet zum Jahresende ein klares Warnsignal für Deutschlands Wirtschaft. Sinkende Erwartungen, enttäuschte Hoffnungen und...