Im August 2019 veröffentlichte das US-Finanzunternehmen Blackrock eine Studie, welche Strategien beinhaltete, wie im Falle einer neuen (Finanz-)Krise reagiert werden solle. Vorgestellt wurden die Ideen damals am alljährlich stattfindenden Notenbanktreffen in Jackson Hole.
Schon der von den Autoren angegebene Grund, der zur Erstellung des „Whitepapers“ mit dem Titel „Mit dem nächsten Abschwung umgehen: Von der unkonventionellen Geldpolitik zu einer präzedenzlosen Kooperation“ geführt hatte, ist bemerkenswert. So heißt es im Vorwort, dass die seit 2008 von den großen Zentralbanken verfolgte expansive Geldpolitik wirkungslos geworden sei – vielmehr müssten im Falle neuer Krisen Zentralbanken und Staaten künftig eng zusammenarbeiten. Die Forderung nach einer stärkeren Verzahnung zwischen Zentralbanken und Staaten beziehungsweise einer Übernahme von mehr Verantwortung durch die Staaten wird seit einigen Monaten vermehrt geäußert. Die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichteten vor einigen Wochen von einem Hedgefonds-Veteranen, der genau darin ein Anzeichen für den Anfang vom Ende des gegenwärtigen Finanzsystems erkennt.
Blackrock bewegt für Fed und EZB die Kurse
Blackrock wurde nach Beginn der Corona-Pandemie sowohl von der US-Notenbank Federal Reserve als auch von der Europäischen Zentralbank sowie weiteren Notenbanken mit der Verwaltung der Krisen-Maßnahmen im Umfang hunderter Milliarden Dollar betraut – und wettet darüber hinaus auch gegen die dem Unternehmen anvertrauten Aktien.
Die von Blackrock in der Studie empfohlene Verzahnung von geldpolitischen und fiskalischen Maßnahmen im Falle einer neuen Krise wurde weitgehend Realität – Beispiele für geldpolitische Elemente, die heute Anwendung finden, sind die massiven Anleihekaufprogramme der Notenbanken oder das unter anderem in den USA und Hongkong an die Bürger verteilte Helikoptergeld. Bei der Aufhebung der Insolvenz-Meldepflicht in Deutschland oder der Kurzarbeit handelt es sich hingegen beispielsweise um fiskalische Maßnahmen, die von den Staaten gefordert wurden.
In der Zusammenfassung der Studie heißt es:
„Präzedenzlose Maßnahmen werden notwendig sein, um auf den nächsten Wirtschaftsabschwung zu reagieren. Die Geldpolitik ist fast erschöpft, weil die Leitzinsen weltweit bereits auf null oder in den negativen Bereich gefallen sind. Die Fiskalpolitik (der Staaten – die Red.) alleine wird sich schwertun, rechtzeitig größere Stimuli aufgrund der hohen Schuldenstände und Verzögerungen bei der Implementierung der Maßnahmen bereitzustellen. (…) Diese Studie zeichnet die Konturen eines Strategierahmens auf, um diese Risiken abzufedern, damit eine präzedenzlose Zusammenarbeit bei den zu treffenden Maßnahmen mithilfe einer geldpolitisch finanzierten Fiskal-Institution erreicht werden kann. Aktiviert, finanziert und geschlossen durch die Zentralbank bei der Verfolgung eines expliziten Inflationsziel würde eine solche Institution bei der Fiskal-Behörde (eines Staates – die Red.) angesiedelt sein.“
Beim Thema Inflation weicht die Realität von den Vorschlägen ab
Auffallend ist, dass die Empfehlungen Blackrocks beim Thema Inflation bislang nur unvollständig umgesetzt wurden. So fordert der Vermögensverwalter die „Bildung eines Inflationsziels, für dessen Erreichung die Zentralbanken und der Staat gemeinsam haften müssen“ sowie eine „klare Exit-Strategie“ aus dem gesamten Krisenprogramm.
Zwar hat die Federal Reserve vor einiger Zeit einen bedeutenden Strategieschwenk hin zu deutlich höheren Inflationszielen vollzogen – ein exakter Wert wurde jedoch nicht definiert und auch eine Mitarbeit staatlicher Behörden zur Erreichung der Ziele ist nicht bekannt – ebenso wie eine Ausstiegsstrategie. In Europa verfolgte die EZB lange Zeit weiterhin das alte Ziel von rund 2 Prozent, ohne dass die EU-Kommission oder die nationalen Regierungen dabei involviert wären - bis zum heutigen Mittwoch, als EZB-Präsidentin Christine Lagarde plötzlich die Tür zur Inflation aufstieß.
Blackrock-Chef Fink: „Die Welt wird eine andere sein“
Ein weiterer bemerkenswerter Umstand ist, dass es einen Monat nach Vorstellung der Empfehlungen im amerikanischen Geldmarkt wie aus dem Nichts zu schweren Verwerfungen kam, welche die Fed erst nach Monaten und der Bereitstellung mehrerer Billionen Dollar an Liquidität in den Griff bekam.
Als die Unruhe im Repo-Markt zu Beginn des laufenden Jahres schließlich abebbte, breitete sich die Corona-Pandemie über den Globus aus. Blackrock rechnet mit Blick auf die Pandemie mit grundlegenden Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Die Verbreitung des Virus habe „nicht nur die Finanzmärkte und das kurzfristige Wachstum unter Druck gesetzt“, sondern auch eine Neubewertung vieler Annahmen zur Weltwirtschaft bewirkt, schrieb der Chief Executive Officer, Larry Fink, Ende März an die Aktionäre des Unternehmens.
„Wenn wir diese Krise überstanden haben, wird die Welt eine andere sein. Die Psychologie der Anleger wird sich verändern. Das Geschäftsleben wird sich verändern. Der Konsum wird sich verändern“, heißt in dem Schreiben. Fink blickt insgesamt zuversichtlich in die Zukunft: „Die Welt wird diese Krise überstehen. Die Wirtschaft wird sich erholen. Und jenen Anlegern, die ihre Augen nicht auf den wackeligen Boden unter unseren Füßen richten, sondern auf den Horizont, bieten sich an den Märkten jetzt enorme Chancen.“
Bei der Geldanlage könnte die aktuelle Krise nach Finks Einschätzung zum Katalysator für Angebote werden, die Kriterien wie Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung berücksichtigen. „Die aktuelle Pandemie führt uns vor Augen, wie fragil die Welt ist und welcher Wert in nachhaltigen Portfolios steckt“, schreibt Fink. „Wenn wir diese Krise überstanden haben und Anleger ihre Portfolios anpassen, haben wir die Möglichkeit, eine nachhaltigere Welt zu schaffen.“
Die Worte des Blackrock-Chefs haben Gewicht. Der 1988 gegründete Finanzriese verwaltet nach jüngsten Zahlen für das Jahr 2019 gut 7,4 Billionen Dollar (gut 6,7 Billionen Euro) Anlagegelder. Blackrock ist weltweit an mehr als 15.000 Unternehmen beteiligt, in Deutschland unter anderem an allen Dax-Konzernen.