Finanzen

Intervention der türkischen Zentralbank verpufft, Lira-Verfall beschleunigt sich

Lesezeit: 2 min
28.09.2020 10:33
Die Leitzinsanhebung der türkischen Zentralbank ist wirkungslos verpufft, der Wertverfall der Landeswährung Lira beschleunigt sich beträchtlich. Eine Rolle soll Beobachtern zufolge auch der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien spielen.
Intervention der türkischen Zentralbank verpufft, Lira-Verfall beschleunigt sich
Banknoten der türkischen Lira. (Foto: dpa)
Foto: Lefteris Pitarakis

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Leitzinsanhebung der türkischen Zentralbank vom vergangenen Donnerstag konnte den Wertverfall der Landeswährung Lira nicht stoppen. Am Montag markierte diese zum Dollar und zum Euro erneut Allzeit-Tiefststände.

Zum Dollar sackte der Wechselkurs auf etwa 7,82 Lira ab, nachdem er kurz nach der Intervention der Zentralbank vergangene Woche auf etwa 7,50 Lira gesunken war. Zum Euro wird derzeit ein Kursverhältnis von rund 9,13 Lira markiert. Gegenüber dem Dollar belaufen sich die Wertverluste allein im laufenden Jahr auf rund 40 Prozent, zum Euro sind es sogar fast 50 Prozent.

Den jüngsten Abverkauf könnte der Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien ausgelöst haben. "Es besteht die Sorge, dass die Türkei in einen weiteren regionalen Konflikt hineingezogen wird", sagte Timothy Ash, Experte bei der Vermögensverwaltung BlueBay. Die Türkei grenzt an Armenien an, ist aber traditionell mit Aserbaidschan verbündet. Die russische Nachrichtenagentur Interfax zitierte am Montag den armenischen Botschafter in Russland mit den Worten, die Türkei habe rund 4.000 Söldner aus Nordsyrien nach Aserbaidschan geschickt. Die strukturellen Ursachen der Liraschwäche sind hingegen seit Langem bekannt.

Vergangene Woche hatte sich die türkische Zentralbank mit einer überraschenden Erhöhung ihrer Leitzinsen gegen eine ausufernde Inflation und den Absturz der Landeswährung Lira gestemmt. Die Währungshüter entschieden auf ihrer Zinssitzung, den Schlüsselsatz zur Versorgung der Geschäftsbanken mit Geld auf 10,25 Prozent von bislang 8,25 Prozent zu erhöhen, wie die Notenbank am Donnerstag mitteilte. Es ist die erste Zinsanhebung seit rund zwei Jahren. Die Lira war im vergangenen Monat von Rekordtief zu Rekordtief geeilt.

In diesem Jahr hat die türkische Währung gegenüber dem Dollar bereits 23 Prozent an Wert eingebüßt. Eine hohe Inflation und geschröpfte Devisenreserven der Zentralbank setzen der Landeswährung momentan zu. Im August lag die Teuerung im Land bei 11,77 Prozent. Dazu kommt die steigende Nachfrage der Türken nach harten Devisen angesichts des Währungsverfalls. Nur drei von 17 befragten Volkswirten hatten mit einer Zinserhöhung gerechnet. Die Lira zog nach dem Beschluss zum Dollar auf 7,56 an von zuvor rund 7,71. Das war der stärkste Tagesanstieg seit rund einem Monat.

Zentralbank auf Kollisionskurs mit Erdogan

Mit der Entscheidung gehen die Währungshüter auf Kollisionskurs zu Präsident Recep Tayyip Erdogan. Dieser hatte eine mögliche Anhebung der Leitzinsen wiederholt öffentlich kritisiert und vor solchen Schritten gewarnt - schließlich wurde der frühere Gouverneur der Zentralbank ausgewechselt. Seine Regierung hatte zuletzt auf mehr Unterstützung für die Wirtschaft gedrungen. Denn das Bruttoinlandsprodukt des lange Zeit boomenden Schwellenlandes war angesichts der Corona-Krise von April bis Juni um 11,0 Prozent zum Vorquartal gefallen. Unter anderem die wichtige Tourismusindustrie bekam die Virus-Pandemie deutlich zu spüren.

Aus Sicht der Notenbank hat eine schnelle wirtschaftliche Erholung von dem durch die Krise ausgelösten konjunkturellen Schock die Preise angeschoben. "Die Inflation ist einem Pfad gefolgt, der höher als erwartet war", erklärten die Währungshüter. Die Schritte zur Straffung der Geldpolitik müssten daher verstärkt werden, um die Inflationserwartungen einzudämmen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Wie die Schweiz die Rettung der Credit Suisse erpresste

Die Schweizer Behörden haben brutalen Druck auf Credit Suisse und UBS ausgeübt. Denn noch vor Marktöffnung sollte eine Lösung gefunden...

DWN
Technologie
Technologie Ukraine träumt von Drohnen-Angriffen tief in russischem Gebiet

Der Westen weigert sich beharrlich, dem Wunsch der Ukraine nach Langstreckenwaffen nachzukommen. Daher will Kiew nun mit Drohnen Ziele tief...

DWN
Finanzen
Finanzen Orientierung in historisch volatilen Märkten

In volatilen Märkten kann man sehr viel Geld verdienen, aber auch verlieren. Die Zeit des passiven Investierens ist vorbei, meint...

DWN
Politik
Politik Habeck will bestimmte Exporte nach China verbieten

Der grüne Wirtschaftsminister greift zunehmend in die freie Wirtschaft ein - auf Basis politischer Überlegungen.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Restrukturierungen: Prestigeträchtiges MAN-Werk in Polen fährt weiter am Abgrund

Ein Geschäftszeig für den traditionsreichen Konzern MAN ist die Produktion von E-Bussen. In Polen, einem europäischen Zentrum für...

DWN
Ratgeber
Ratgeber Höhere Rendite: Lohnen sich Unternehmensanleihen?

Unternehmensanleihen bringen mehr Rendite als Staatsanleihen, sind aber auch ausfallgefährdeter. Lohnt sich der Kauf?

DWN
Finanzen
Finanzen Die EZB: Spezialist für die Vernichtung von Vermögen

Die EZB und alle anderen Zentralbanken richten seit der Finanzkrise 2008 ein Unheil nach dem anderen an, das stets mit der Vernichtung von...

DWN
Politik
Politik Polen kritisiert Deutschland: Zu wenig Hilfe für Ukraine

Deutschland unterstützt die Ukraine zu wenig, sagt Polens Premierminister Morawiecki und bringt EU und Nato in Stellung, um höhere...