Deutschland

Aktuelle Studie: Große Mehrheit der Deutschen erwartet sinkenden Lebensstandard

Einer aktuellen Forsa-Umfrage zum Start des Forum New Economy in Berlin zufolge befürchtet eine deutliche Mehrheit der Deutschen, sozial abzusteigen.
30.09.2020 15:00
Lesezeit: 3 min
Aktuelle Studie: Große Mehrheit der Deutschen erwartet sinkenden Lebensstandard
22.07.2020, Niedersachsen, Braunschweig: Dreiundzwanzig Euro-Cent liegen auf einem Holztisch. (Foto: dpa) Foto: Stefan Jaitner

Trotz des zehnjährigen zurückliegenden Aufschwungs hadern die Deutschen mit den wirtschaftlichen Verhältnissen im Land. Mehr als die Hälfte der Bundesbürger hält das Risiko für einen sinkenden Lebensstandard heute für größer als es bei früheren Generationen der Fall war. Gut ein Viertel stuft die Gefahr sogar als „sehr viel größer“ ein. Und: fast zwei Drittel der Deutschen äußert die Erwartung, dass das Risiko künftig „eher“ noch weiter steigen wird. Weitere knapp 20 Prozent rechnen sogar damit, dass die Gefahr „stark steigt“. Das ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Forum New Economy, das an diesem Donnerstag in Berlin startet.

Zwar gaben in der Befragung 67 Prozent an, dass „in Deutschland am Ende alle davon profitieren, wenn es der Wirtschaft gut geht“. Rund ein Drittel äußert daran aber Zweifel. Auch geben nur knapp über die Hälfte der Befragten an, dass die Globalisierung ihnen mehr Vorteile als Nachteile gebracht hat. Die weltweite wirtschaftliche Integration gilt nach gängiger Einschätzung von Beobachtern dabei eigentlich ja als Gewinngeschäft für Deutschland. Immerhin jeder Vierte schätzt, dass die Globalisierung von Wirtschaft und Finanzen persönlich überwiegend Nachteile bringt.

Nur jeder Dritte findet, dass Reiche ihren Reichtum in aller Regel verdienen

Neuere Forschungen gehen der Frage nach, inwieweit der Aufstieg populistischer Kräfte im Ursprung mit sozio-ökonomischen Faktoren zu tun hat. Dabei geht es weniger um absolute monetäre Einkommen. Die Unzufriedenheit fällt Schätzungen zufolge vielmehr mit einer (gefühlten) Unsicherheit, einem vermeintlichen oder tatsächlichen Kontrollverlust und mangelnder Anerkennung zusammen. Ziel der vorliegenden Umfrage war es, diese Vermutung durch eine repräsentative Erhebung zu überprüfen. Dafür befragte Forsa vom 9. bis 13. Oktober insgesamt 1009 Personen.

Neben dem Gefühl zunehmender Abstiegsrisiken, die durch neue Technologien oder Effekte der Globalisierung hervorgerufen werden, scheint zum Unmut vieler Menschen auch die ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen beizutragen. Fast jeder zweite Befragte stimmt dabei der Aussage „voll und ganz zu“, dass die Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen in Deutschland „zunehmend zu einem Problem für den Zusammenhalt der Bevölkerung“ wird. Weitere 38 Prozent gaben an, dem „eher“ zuzustimmen. Dass das Gefälle zwischen Reich und Arm „überhaupt kein“ Problem darstellt, sagt gerade einmal ein Prozent.

Dabei spielt offenbar auch eine Rolle, dass dieser Trend nicht als wirtschaftlich nachvollziehbar eingeschätzt wird. Nur 32 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu, wonach jemand, der in Deutschland sehr reich ist, diesen Reichtum „in aller Regel auch verdient“ hat. Dass dies nicht der Fall sei, äußern zwei von drei Deutschen.

Hinter der Skepsis hinsichtlich der wirtschaftlichen Umstände und Perspektiven im Land verbirgt sich der Umfrage zufolge offenbar auch eine Skepsis gegenüber den wirtschaftsliberalen Prinzipien, die zu Zeiten der Agenda 2010 stark die Wirtschafts- und Sozialpolitik in Deutschland bestimmt haben. Nur 21 Prozent der Befragten hält es für gut, dass die Menschen im Land durch die Reformen „zu mehr Eigenverantwortung und Eigenvorsorge“ bewegt wurden – und der Staat entsprechende Leistungen dafür gekürzt hat. Für „schlecht“ halten das heute 74 Prozent. Knapp 80 Prozent gaben an, die Privatisierung öffentlicher Leistungen sei in den vergangenen zehn Jahren „zu weit gegangen“ - „nicht weit genug“, sagen nur sechs Prozent. Auch äußern 57 Prozent Zweifel daran, dass in der sozialen Marktwirtschaft das „Prinzip des sozialen Ausgleichs“ heute noch funktioniert.

Große Mehrheit für mehr nationale Einflussmöglichkeiten in Zeiten der Globalisierung

Entsprechend groß ist die Zustimmung zu korrigierenden Eingriffen. Von den Befragten hielten es 80 Prozent für richtig, dass die Regierung Menschen stärker schützen sollte, wenn durch die Folgen von Digitalisierung oder Globalisierung „in größerem Umfang Arbeitsplatzverluste drohen“. Die Zustimmung zu steigenden staatlichen Investitionen in Klimaschutz, moderne Schulen und Universitäten, die Bahn und ähnliche Infrastruktur liegt bei 87 Prozent. Immerhin 67 Prozent stimmen der Aussage zu, Politiker sollten angesichts der fortgeschrittenen Globalisierung „wieder mehr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung bekommen“.

Über das Forum New Economy

Das Forum New Economy wird an diesem Donnerstag in Berlin eröffnet. Ziel ist es, eine Plattform für neue wirtschaftspolitische Ideen zur Lösung der großen Herausforderungen der kommenden Jahre zu bieten. Das Forum wird dabei von mehr als 30 renommierten deutschen und internationalen Experten unterstützt.

Hier in Kürze mehr: www.newforum.org

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft VW-Aktie im Fokus: Was die Werksschließung bei Volkswagen für die Autoindustrie bedeutet
16.12.2025

Ein symbolträchtiger Standort der deutschen Autoindustrie schließt seine Tore und rückt die VW-Aktie erneut in den Fokus von Anlegern...

DWN
Politik
Politik Teure Mieten, hohe Steuern, weniger Kinder: Auswanderungen aus Deutschland weiterhin auf hohem Niveau
16.12.2025

Nach wie vor wandern sehr viele Menschen aus Deutschland aus, gleichzeitig bekommen Deutsche immer weniger Kinder: Eine fatale Entwicklung...

DWN
Politik
Politik Umfrage: Spätere Rente für Akademiker spaltet die Deutschen
16.12.2025

Sollte das Renteneintrittsalter an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt sein? Die Bürger sind sich darin nicht einig. Deutsche mit Abitur...

DWN
Politik
Politik CDU-Vorsitz: Einstimmiges Votum aus NRW - Merz soll CDU-Chef bleiben
16.12.2025

Friedrich Merz erhält einstimmige Unterstützung aus NRW für eine weitere Amtszeit als CDU-Bundesvorsitzender. Der Vorschlag kommt von...

DWN
Politik
Politik Anschlag geplant? Terrorverdächtiger in Magdeburg reiste legal ein
16.12.2025

Mit Visum kam er nach Deutschland, dann informierte er sich über Waffen und glorifizierte Anschläge. Zu dem 21-jährigen Mann in...

DWN
Politik
Politik Sudan führt auch 2026 Krisenliste von Hilfsorganisation an
16.12.2025

Die Hilfsorganisation IRC erstellt jeden Dezember eine Liste von Krisenstaaten, die im Folgejahr zu beachten sind. Der Sudan steht im...

DWN
Finanzen
Finanzen Bargeld: Barzahlen wird bei Behörden zur Ausnahme - Bundesbank sieht Akzeptanzlücken
16.12.2025

Bargeld ist in Deutschland nach wie vor beliebt, doch in Ämtern und Behörden stößt man damit nicht immer auf offene Türen. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Finanzielle Unabhängigkeit für Führungskräfte: So sichern Sie echte Entscheidungsfreiheit
16.12.2025

Die meisten Führungskräfte träumen davon, unabhängig Entscheidungen treffen und nach eigenen Überzeugungen handeln zu können. In der...