Finanzen

Lagarde: Corona-Krisenfonds der EU sollte zu dauerhaftem Schulden-Instrument ausgebaut werden

Der sogenannte "Corona-Aufbaufonds" der EU soll nach dem Willen von EZB-Präsidentin Lagarde zu einem dauerhaften Schuldenvehikel ausgebaut werden. Die Deutschen sind die größten Zahler, die Vergemeinschaftung der Schulden in Europa längst Realität.
19.10.2020 10:00
Aktualisiert: 19.10.2020 10:33
Lesezeit: 2 min
Lagarde: Corona-Krisenfonds der EU sollte zu dauerhaftem Schulden-Instrument ausgebaut werden
EZB-Präsidentin Christine Lagarde mit EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen. Foto: Zhang Cheng

Europa sollte nach Meinung der Europäischen Zentralbank (EZB) über ein dauerhaftes konjunkturelles Stützungsinstrument nachdenken. Dafür plädierte EZB-Präsidentin Christine Lagarde gegenüber der französischen Tageszeitung "Le Monde". Die EZB veröffentlichte das Interview am Montag auf ihrer Internetseite.

Konkret geht es um den Corona-Fonds der Europäischen Union, der einen Umfang von 750 Milliarden Euro hat. Das Geld wird nur in Etappen ausgezahlt. 390 Milliarden Euro sollen als Zuschüsse fließen, die von den Empfängerstaaten nicht selbst zurückgezahlt, sondern als gemeinsame EU-Schulden getilgt werden. Weitere 360 Milliarden Euro stehen als Kredite zur Verfügung. Damit findet faktisch eine Vergemeinschaftung der Schulden in Europa statt. Zudem wird die EU-Kommission erstmals auch selbst Anleihen ausgeben, für die alle Mitgliedsstaaten haften.

Die Deutschen sind dabei die größten Zahler. Rund 50 Milliarden Euro dürften deutsche Steuerzahler im Rahmen des gegenwärtigen EU-Fonds nach Brüssel überweisen. Sollte der Fonds wie von Lagarde vorgeschlagen permanent werden, wird der Kapitalfluss verstetigt.

Das Instrument sei zwar eine Reaktion auf eine außergewöhnliche Situation, sagte Lagarde. Sie ergänzte jedoch: "Wir sollten die Möglichkeit diskutieren, dass es im europäischen Instrumentenkasten verbleibt, damit es wieder verwendet werden kann, wenn ähnliche Umstände eintreten." Darüber hinaus hoffe sie auf ein gemeinsames Haushaltsinstrument für den Euroraum.

Schon seit längerem läuft eine Debatte, ob die erheblichen Finanzmittel, die der Corona-Fonds zur Verfügung stellt, einen Einstieg in eine gemeinsame europäische Finanzpolitik darstellen sollen. In Deutschland steht etwa Bundesfinanzminister Olaf Scholz für diese Position. Die EZB hat sich in der Debatte bisher eher zurückgehalten. Sie tritt jedoch schon länger für gemeinsame Haushaltsmittel für den Euroraum ein.

Neue Interventionen am Horizont

Die EZB könnte ihre bereits sehr umfangreichen Konjunkturhilfen noch ausweiten. Lagarde äußerte ihre Sorge, dass die konjunkturelle Erholung vom Corona-Einbruch im Frühjahr an Dynamik zu verlieren drohe. "Seit der Gegenbewegung, die wir im Sommer erlebt haben, war die Erholung ungleichmäßig, ungewiss und unvollständig und läuft jetzt Gefahr, an Schwung zu verlieren." Die EZB werde die Entwicklung den Herbst über beobachten. Sollte sich die Lage eintrüben, könne die Notenbank gegensteuern. Die geldpolitischen Möglichkeiten seien noch nicht ausgeschöpft. "Wenn mehr getan werden muss, werden wir mehr tun."

Die EZB hat auf die Corona-Pandemie vor allem mit zusätzlichen Wertpapierkäufen und extrem günstigen Langfristkrediten für die Banken reagiert. Letztere sollen den Kreditfluss in die Wirtschaft aufrecht halten. Beobachter gehen derzeit mehrheitlich davon aus, dass die EZB ihr billionenschweres Corona-Wertpapierkaufprogramm PEPP gegen Jahresende aufstocken wird.

Lesen Sie dazu auch:

EU spricht vom „Wiederaufbau“ nach Corona: Tatsächlich geht es um die Rettung der Superreichen

Japans aggressive Geldpolitik ist gescheitert: Werden EZB und EU daraus lernen?

Kritik wird lauter: EU erdrückt den Mittelstand mit „grünem Bürokratiemonster“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Checkliste: So vermeiden Sie unnötige Kreditkarten-Gebühren auf Reisen
12.07.2025

Ob am Strand, in der Stadt oder im Hotel – im Ausland lauern versteckte Kreditkarten-Gebühren. Mit diesen Tricks umgehen Sie...

DWN
Technologie
Technologie Elektrische Kleinwagen: Kompakte Elektroautos für die Innenstadt
12.07.2025

Elektrische Kleinwagen erobern die Straßen – effizient, kompakt und emissionsfrei. Immer mehr Modelle treten an, um Verbrenner zu...

DWN
Finanzen
Finanzen Elterngeld: Warum oft eine Steuernachzahlung droht
12.07.2025

Das Elterngeld soll junge Familien entlasten – doch am Jahresende folgt oft das böse Erwachen. Trotz Steuerfreiheit lauert ein...

DWN
Finanzen
Finanzen Krypto ersetzt Börse: Robinhood bietet Token-Anteile an OpenAI und SpaceX
12.07.2025

Die Handelsplattform Robinhood bringt tokenisierte Beteiligungen an OpenAI und SpaceX auf den Markt. Doch was wie ein Investment klingt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Meta-KI: Facebook-Mutter wirbt KI-Top-Talente von OpenAI ab – Altman schlägt Alarm
12.07.2025

Der KI-Krieg spitzt sich zu: Meta kauft sich Top-Talente, OpenAI wehrt sich mit Krisenurlaub – und Europa droht im Wettrennen um die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deindustrialisierung: Ostdeutsche Betriebsräte fordern Ende von Habecks Energiewende - Industriestandort gefährdet
11.07.2025

Nach dem Verlust von über 100.000 Industriearbeitsplätzen richten ostdeutsche Betriebsräte einen dramatischen Appell an Kanzler Merz....

DWN
Technologie
Technologie Start-up ATMOS Space Cargo setzt neue Maßstäbe: Deutsche Logistik erobert den Weltraum
11.07.2025

Fracht ins Weltall zu bringen, ist eine Herausforderung. Eine noch größere ist es, sie wieder unversehrt zur Erde zurückzubringen....

DWN
Finanzen
Finanzen JP Morgan-CEO Jamie Dimon rechnet mit Europa ab: „Europa verliert“
11.07.2025

Jamie Dimon, CEO von JP Morgan und einer der mächtigsten Akteure der US-Wirtschaft, warnt europäische Politiker: Der Kontinent droht...