Weltwirtschaft

Verbrauch wächst, geopolitisches Risiko steigt: Ohne Nord Stream 2 ist Deutschlands Energie-Sicherheit gefährdet

Lesezeit: 2 min
13.11.2020 09:08
Deutschlands Gasbedarf wird sich bis zum Jahr 2034 drastisch erhöhen. Eine Analyse mit kartographischen Darstellungen.
Verbrauch wächst, geopolitisches Risiko steigt: Ohne Nord Stream 2 ist Deutschlands Energie-Sicherheit gefährdet
Mecklenburg-Vorpommern, Lubmin: Die letzten Verbindungsrohre für den Anschluss der Gas-Anlandestation an die Ostseepipeline Nord Stream 2 liegen bereit. (Foto: dpa)
Foto: Jens B

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der deutsche Gasbedarf, der derzeit bei knapp über 90 Milliarden Kubikmeter (Bcm) pro Jahr liegt, soll bis 2034 auf über 110 Milliarden steigen. Da jedoch die künftigen Lieferungen aus Norwegen und den Niederlanden zurückgehen, müssen neue Importmöglichkeiten her. Eine vergleichende Analyse des norwegischen Beratungs-Unternehmens "Rystad Energy" zeigt, dass der Import von mehr russischem Gas über das Nord Stream 2-Projekt die zuverlässigste und billigste Option im Vergleich mit US-amerikanischen Lieferungen von Flüssigerdgas (LNG) und der Versorgung über andere inner-europäische Rohrleitungen ist.

Daten aus dem vollständigen Jahr 2019 zeigen, dass Deutschland - das auch als Gastransportzentrum fungiert - 55,5 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland, 27 Milliarden Kubikmeter Gas aus Norwegen und 23,4 Milliarden Kubikmeter Gas aus den Niederlanden importierte, wobei auf diese drei Länder 92 Prozent der deutschen Gesamt-Gasimporte entfielen.

Mit dem ehrgeizigen Ziel, alle Kernkraftwerke bis 2022 und alle Kohlekraftwerke bis 2038 stillzulegen, wird der zukünftige deutsche Gasverbrauch aller Voraussicht nach massiv steigen, da mehr Gas benötigt wird, um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu unterstützen. In der Zwischenzeit wird die niederländische Gasproduktion rasch zurückgehen, da das Förderfeld Groningen stillgelegt wird. Darüber hinaus ist auch damit zu rechnen, dass die norwegische Produktion nach 2030 rückläufig werden wird.

„Die Abhängigkeit Deutschlands von Gasimporten wird zunehmen. Daher ist es wichtig, den Zugang zu zuverlässigen Gasquellen sicherzustellen und das Risiko zu diversifizieren, indem eine neue Infrastruktur hinzugefügt wird, die eine direkte Versorgung entweder mit Pipeline-Gas oder mit LNG ermöglicht. Wenn Deutschland sich dafür entscheidet, dass der Preis der wichtigste Faktor ist (das heißt, nicht bereit ist, aus politischen Gründen mehr Geld für das teurere US-amerikanische Gas zu zahlen - Anm. d. Red), wird Nord Stream 2 das Angebot an den Märkten diversifizieren und das Risiko hoher Energiepreise verringern“, zitiert Oilprice.com Carlos Torres Diaz, der als Leiter „Strom- und Gasmärkte“ bei "Rystad Energy" fungiert.

Auch wichtig: Im Zuge der steigenden Bedeutung der Energie-Versorgung durch Gas plant die Bundesrepublik, drei Wiederverdampfungsterminals mit einer Gesamtkapazität von 19,4 Millionen Tonnen (26,4 Bcm) zu bauen. Von den drei Projekten hat das FSRU-Werk (stationäre schwimmende LNG-Terminals mit Regasifizierungs-Anlagen) in Wilhelmshaven die größte Zugkraft und könnte bis etwa 2023 in Betrieb gehen.

Ein ist klar: Die zunehmende Abhängigkeit vom Gas macht Deutschland für externe geopolitische Spannungen anfällig. Darum ist es wichtig, über möglichst viele Lieferketten zu verfügen. Durch den Bau von Nord-Stream 2 kann Deutschland darüber hinaus die Arbitrage (die Ausnutzung von Preisunterschieden an verschiedenen Märkten) zwischen US-amerikanischer und russischer Gasversorgung verbessern, und deutsche Käufer können ihre Position nutzen, um bessere Bedingungen für Lieferabkommen auszuhandeln.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass Deutschland von Nord Stream 2 profitiert, da es durch die Pipeline Zugang zu kostengünstigem Gas erhält und das Versorgungsrisiko verringert durch die Umgehung von Drittländern (vor allem der Ukraine. Nach dem jüngsten Abkommen vom Dezember 2019 kann Russland zwar mehr Volumina durch die Ukraine transportieren. Diese steht einem solchen Vorgaben, aufgrund der Einnahmen, die sie durch die fälligen Transitsteuern erzielen würde, auch sehr positiv gegenüber. Aber mit ihrer politischen Instabilität und dem maroden Infrastruktur-Netz bleibt das Land ein Sicherheitsrisiko). Durch den Zugang zu LNG über eigene Wiederverdampfungsterminals kann Deutschland außerdem die Abhängigkeit von einer dominanten Bezugsquelle verringern, und die Gaskäufer im Land können ihr Portfolio besser optimieren, indem sie Niedrigpreisperioden auf dem LNG-Markt nutzen.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...

DWN
Politik
Politik Angriff auf SPD-Europapolitiker: Matthias Ecke in Dresden schwer verletzt
04.05.2024

Schockierende Gewalt: SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke wurde brutal angegriffen. Politiker verurteilen den Angriff als Attacke auf...

DWN
Finanzen
Finanzen Platzt die ETF-Blase – was dafür, was dagegen spricht
04.05.2024

Kaum eine Investmentform konnte in den zurückliegenden Jahren die Gunst der Anleger derart erlangen wie dies bei Exchange Traded Funds,...

DWN
Immobilien
Immobilien Streikwelle auf Baustellen droht: Gewerkschaft kündigt Massenstreiks an
04.05.2024

Die Bauindustrie steht vor Massenstreiks: Gewerkschaft kündigt flächendeckende Arbeitsniederlegungen mit rund 930.000 Beschäftigten an.

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Chinas Einfluss in Südostasien: Herausforderung für deutsche Firmen
04.05.2024

Deutsche Unternehmen suchen verstärkt nach Alternativen zum chinesischen Markt und richten ihr Augenmerk auf die aufstrebenden...

DWN
Technologie
Technologie CO2-Speicherung: Vom Nischenthema zum Wachstumsmarkt
04.05.2024

Anreize durch die Politik, eine neue Infrastruktur und sinkende Kosten: CO2-Speicherung entwickelt sich zusehends vom regionalen...

DWN
Politik
Politik Wahljahr-Turbulenzen: Biden im Kreuzfeuer der Gaza-Proteste
04.05.2024

Seit Monaten sind bei fast jedem öffentlichen Auftritt von Präsident Joe Biden propalästinensische Demonstrationen zu sehen, die sich im...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...