Im „Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ soll ein neuer § 28a IfSG („Besondere Schutzmaßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2“) eingefügt werden. Dieser Paragraph präzisiert künftig alle möglichen in Betracht kommenden Grundrechtseinschränkungen.
Im Detail geht es um folgende Bereiche:
„Ausgangs- oder Kontaktbeschränkungen im privaten sowie im öffentlichen Raum,
- Anordnung eines Abstandsgebots im öffentlichen Raum,
- Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht),
- Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Kultur- oder Freizeitgestaltung zuzurechnen sind,
- Untersagung oder Beschränkung von Freizeit-, Kultur- und ähnlichen Veranstaltungen,
- Untersagung oder Beschränkung von Sportveranstaltungen,
- Schließung von Gemeinschaftseinrichtungen im Sinne von § 33 oder ähnlicher Einrichtungen sowie Erteilung von Auflagen für die Fortführung ihres Betriebs,
- Untersagung oder Beschränkung von Übernachtungsangeboten,
- Betriebs- oder Gewerbeuntersagungen oder Schließung von Einzel- oder Großhandel oder Beschränkungen und Auflagen für Betriebe, Gewerbe, Einzel- und Großhandel,
- Untersagung oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Veranstaltungen,
- Untersagung sowie dies zwingend erforderlich ist oder Erteilung von Auflagen für das Abhalten von Versammlungen oder religiösen Zusammenkünften,
- Verbot der Alkoholabgabe oder des Alkoholkonsums auf bestimmten öffentlichen Plätzen oder zu bestimmten Zeiten,
- Untersagung oder Beschränkung des Betriebs von gastronomischen Einrichtungen,
- Anordnung der Verarbeitung der Kontaktdaten von Kunden, Gästen oder Veranstaltungsteilnehmern, um nach Auftreten eines Infektionsfalls mögliche Infektionsketten nachverfolgen und unterbrechen zu können,
- Reisebeschränkungen.“
Der verfassungspolitische Sprecher der Linken, Niema Movassat, sagte gegenüber „Legal Tribune Online“: „Wir erleben die schärfsten, grundrechtsintensivsten Maßnahmen seit Bestehen des Grundgesetzes und die Koalitionsfraktionen betreiben trotzdem weiter politisch Schindluder. Statt die Rolle des Parlamentes und der Opposition ernst zu nehmen, legen sie montagmorgens dem Ausschuss dutzende Änderungen an ihrem eigenen Gesetz als Tischvorlage vor. Das ist ein Stil, der die Legitimität von parlamentarischen Verfahren gefährdet und geeignet ist, noch mehr Vertrauen in der Bevölkerung zu verspielen.“
Problematisch ist vor allem, dass der Exekutive, also der Regierung, große Macht eingeräumt wird, ohne den Bundestag zu beteiligen. Der FDP-Politiker Konstantin Kuhle spricht im Interview mit „Merkur Online“ von „exekutiver Arroganz“. „Cicero“ führt aus: „Eine Beschränkung des privaten Raumes ist damit unter den gleichen Voraussetzungen möglich, wie eine solche des öffentlichen Raumes, maßgeblich ist allein die Einschätzung der Exekutive im Hinblick auf die Notwendigkeit der Maßnahme. Auch hier ist die Anhörung der Sachverständigen glücklicherweise nicht folgenlos geblieben, so dass nunmehr für einige wenige Maßnahmen, die verfassungsrechtlich sensible Bereiche betreffen (etwa Versammlungen und Gottesdienste) spezifische Voraussetzungen vorliegen müssen. Dennoch: Hier hätte sich der Gesetzgeber besser generell am allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht orientiert, das neben einer Generalklausel für besondere Maßnahmen jeweils eigene Rechtsgrundlagen und besondere Tatbestandsvoraussetzungen formuliert.“
Angesichts der Kritik an dem geplanten Paragraphen entschied sich die Bundesregierung dazu, den Paragraphen teilweise zu entschärfen. Auf Openpetition.de wird trotzdem Kritik an der Novelle geübt. Dort heißt es: „Neu: Offenbar sollen nächtliche Ausgangssperren zulässig sein (,Ausgangsbeschränkungen‘/,Verlassen des priv. Wohnbereichs nur zu bestimmten Zeiten‘). Das Virus überträgt sich aber nachts nicht anders als tagsüber (oder andersh.). Die Regelung halte ich für verfassungswidrig. Es ist weiterhin davon die Rede, dass ggf. bundesweit einheitliche Maßnahmen anzustreben sind. Bundesweit einheitliche Maßnahmen kann aber nur der Bund verordnen, dafür bedarf es einer entsprechenden Verordnungsermächtigung.”
Doch Andrea Kießling, eine der Expertinnen für das neue Infektionsschutzgesetz, meint der „Zeit“ zufolge: „Wenn wir keine Gesetze hätten, die die Behörden zu Grundrechtseingriffen ermächtigen würden, wäre der Staat handlungsunfähig – oder eine Diktatur.“