Finanzen

EU-Staaten treiben europäische Bankenunion mit ESM-Reform voran

Die Euro-Staaten haben eine Reform des ESM in die Wege geleitet. Dieser soll künftig als "letzte Verteidigungslinie" bei drohenden Bankzusammenbrüchen fungieren. Dem Ziel der europäischen Bankenunion kommt man damit ein Stück näher.
01.12.2020 09:05
Aktualisiert: 01.12.2020 09:05
Lesezeit: 2 min
EU-Staaten treiben europäische Bankenunion mit ESM-Reform voran
Die Euro-Skulptur in Frankfurt. (Foto: dpa) Foto: Frank Rumpenhorst

Die Eurogruppe hat sich nach Angaben der Bundesregierung darauf geeinigt, die Reform des Euro-Rettungsfonds ESM voranzutreiben. Unter anderem werde der ESM künftig als Letztabsicherung für den europäischen Bankenabwicklungsfonds SRF zwei Jahre früher zur Verfügung stehen, teilte das Bundesfinanzministerium am Montag in Berlin mit. Das ist damit schon ab Anfang 2022 möglich. Der überarbeitete ESM-Vertrag soll nun im Januar 2021 unterschrieben werden und dann der Ratifizierungsprozess starten.

"Diese Entscheidungen sind ein weiterer wichtiger Schritt bei der Vollendung der Bankenunion", sagte Finanz-Staatssekretär Jörg Kukies. Das sei möglich, weil im Finanzbereich Risiken in den vergangenen Jahren reduziert und Kapitalpuffer aufgebaut worden seien. Nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise hat Europa bereits die Aufsicht großer Banken verstärkt und Möglichkeiten zur Abwicklung maroder Institute geschaffen. Hier setzt die ESM-Reform an. Im Konzept eines einheitlichen Bankenmarktes fehlt aber noch eine gemeinsame Einlagensicherung.

Tatsächlich hatten die Banken der Eurozone in den vergangenen Jahren Kapitalpuffer aufgebaut und Risiken in den Bilanzen reduziert. Infolge der schweren wirtschaftlichen Schäden, welche auf die Corona-Maßnahmen der Staaten in der jüngsten Vergangenheit zurückzuführen sind, dürften die Risiken in den Bilanzen wieder deutlich gestiegen sein. Insbesondere erwarten Beobachter eine Pleitewelle bei kleineren Unternehmen, wenn diese die Überbrückungskredite nicht mehr bedienen können oder schlicht aufgrund der enormen Umsatzausfälle in Schieflage geraten.

Auch Eurogruppen-Chef Paschal Donohoe sprach von einer wichtigen Verständigung. Bundesfinanzminister Olaf Scholz äußerte sich ebenfalls erleichtert: "Es gibt Entscheidungen, insbesondere auf EU-Ebene, die klingen so technisch, dass man ihre politische Wirkung zunächst schwer erkennt. Die heutige Einigung auf die Reform des europäischen Rettungsschirms ESM ist eine solche Entscheidung." Sie stärke aber den Euro und den gesamten europäischen Bankensektor, so Scholz nach virtuellen Beratungen der Euro-Finanzminister. "Denn wir machen die Euro-Zone noch robuster gegenüber den Attacken von Spekulanten."

Im Vorfeld hatte der SPD-Kanzlerkandidat bereits grünes Licht für die Reform angedeutet: "Wir warten jetzt alle darauf, dass der Ratifizierungsprozess in den Ländern starten kann." Seit einem Jahr gebe es bereits einen rechtlichen Rahmen, wie der ESM weiterentwickelt werden könne. "Viele Vorarbeiten sind geleistet worden." Nun werde aber schon seit Januar darauf gewartet, dass alle Euro-Länder den Ratifizierungsprozess einleiten. "Das wäre ein gutes Zeichen in stürmischer See."

Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) soll unter anderem mit einer vorsorglichen Kreditlinie um ein neues Hilfsinstrument erweitert werden, also schlagkräftiger werden. Der Fonds wurde 2012 ins Leben gerufen - mitten in der Euro-Krise, als zahlreiche Länder mit überbordenden Schulden und Problemen ihrer Banken kämpften. Milliardenschwere Hilfen des ESM und seines Vorgängermodells EFSF gingen bereits an Griechenland, Zypern, Spanien, Irland und Portugal. Künftig soll er dann auch die Abwicklung maroder Banken absichern und zwar als letzte Verteidigungslinie, sollte der dafür eigentlich zuständige Fonds SRF in einer schweren Krise ohne die nötigen Mittel dastehen. Gleichzeitig soll der ESM eine größere Rolle bei der Ausarbeitung und Überwachung von Hilfsprogrammen erhalten.

Lesen Sie dazu auch:

EZB plant Bad Bank wegen drohender Welle fauler Kredite

Corona-Krise: Eurostaaten erhalten ab sofort 240 Milliarden Euro aus dem ESM

Bundesbank ist gegen Corona-Bonds und fordert den Einsatz des Euro-Rettungsschirms ESM

Studie: Auf deutsche Bankenbranche kommen „rote Zahlen“ zu

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Auswandern in die Schweiz: Die Sehnsucht nach dem besseren Deutschland
19.05.2025

Immer mehr Deutsche denken daran, das Land zu verlassen – besonders oft AfD-Wähler. Das bevorzugte Ziel: die Schweiz. Was offenbart...

DWN
Panorama
Panorama Papst Leo XIV.: Kapitalismuskritik bei der Amtseinführung
19.05.2025

Papst Leo nutzt seine erste große Bühne für klare Worte. Zwischen Applaus und Kritik: Was bedeutet seine Kapitalismus-Kritik für die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Berkshire Hathaway nach Buffett: Ein Imperium ohne seinen Architekten – droht der Zerfall oder folgt ein neuer Aufstieg?
19.05.2025

Mit dem Rückzug von Warren Buffett endet eine Ära – und möglicherweise beginnt eine neue. Doch die Märkte reagieren nervös: Wie viel...

DWN
Politik
Politik Wahlen in Polen: Enges Rennen bei der Präsidentschaftswahl in Polen - es kommt zur Stichwahl
18.05.2025

Bei den Wahlen in Polen liefern sich der liberale Rafal Trzaskowski und der konservative Karol Nawrocki laut aktuellen Prognosen ein...

DWN
Politik
Politik „Trump ist nur eine Episode“: Boltons Abrechnung mit dem Mann im Weißen Haus
18.05.2025

Während Europa nervös auf jeden Tweet aus Washington reagiert, warnt Ex-Sicherheitsberater John Bolton: Nicht Trump sprengt die NATO –...

DWN
Technologie
Technologie Cyberkriminalität: Nur ein Klick von der Katastrophe entfernt
18.05.2025

Cyberkriminalität ist zur globalen Supermacht aufgestiegen – mit höherem Schaden als die Volkswirtschaften Deutschlands und Japans...

DWN
Panorama
Panorama Whisky – die stets liquide Luxus-Geldanlage
18.05.2025

Wein, Uhren, Schmuck, Handtaschen, Kunst, Oldtimer – es gibt viele Möglichkeiten, in alternative Geldanlagen zu investieren. Die meisten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Marokko als chinesisches Tor zur EU – doch Handelskrieg könnte Riegel vorschieben
18.05.2025

Peking investiert Milliarden in Marokkos Industrie – doch geopolitische Spannungen und der drohende Protektionismus eines möglichen...