Politik

Eskalation in Sachsen-Anhalt: Ministerpräsident Haseloff feuert Innenminister im Streit um Rundfunkgebühren

Der Streit um die Anhebung der Rundfunkgebühr in Sachsen-Anhalt eskaliert. Ministerpräsident Haseloff feuert seinen INnenminister.
04.12.2020 14:47
Aktualisiert: 04.12.2020 14:47
Lesezeit: 2 min

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat Innenminister Holger Stahlknecht (beide CDU) entlassen. Er zog damit am Freitag die Konsequenz aus einem nicht abgesprochenen Interview Stahlknechts zum Koalitionsstreit um den Rundfunkbeitrag, wie die Staatskanzlei mitteilte. In dem Interview hatte der Innenminister eine CDU-Minderheitsregierung für den Fall angekündigt, dass die Koalition mit SPD und Grünen im Streit über die Erhöhung des Rundfunkbeitrag platzen sollte.

Wesentlicher Grund für Haseloffs Entscheidung sei, dass Stahlknecht unabgestimmt während der laufenden Bemühungen zur Stabilisierung der Koalition öffentlich den Koalitionsbruch und die Möglichkeit einer CDU-Minderheitsregierung in den Raum gestellt habe, teilte die Staatskanzlei in Magdeburg mit. Das Vertrauensverhältnis zu Stahlknecht sei so schwer gestört, dass er der Landesregierung nicht weiter angehören könne.

Haseloff habe Stahlknecht die Entlassungsurkunde bereits ausgehändigt. Der Regierungschef verfolge weiterhin das Ziel, in der Corona-Pandemie eine in jeder Hinsicht handlungsfähige Regierung anzuführen, die über eine verlässliche Mehrheit verfüge, hieß es.

Der 56 Jahre alte Stahlknecht hatte im Gespräch mit der "Magdeburger Volksstimme" nicht nur ausgeschlossen, dass seine Partei von ihrem Nein zu einem Beitragsplus abrückt, sondern die Kritik unter anderem auch mit dem Bild Ostdeutschlands in den öffentlich-rechtlichen Sendern und einer Berichterstattung mit dem "erhobenen Zeigefinger der Moralisierung" gerechtfertigt.

Gleichzeitig hatte er angekündigt, im Falle eines Auseinanderbrechens der Magdeburger Koalition bis zur regulären Landtagswahl im Juni 2021 mit einer CDU-Minderheitsregierung weitermachen zu wollen. Ministerpräsident Haseloff hatte eine Minderheitsregierung bisher stets kategorisch ausgeschlossen - ebenso wie eine Abhängigkeit von Stimmen der AfD. Die Koalitionspartner SPD und Grüne warfen Stahlknecht nach dem Interview vor, den Rundfunkstreit nutzen zu wollen, um Haseloff zu stürzen und doch noch selbst Ministerpräsident zu werden.

Das Interview sorgte auch in der Landes-CDU für angespannte Stimmung, von Wutausbrüchen ist die Rede. Die Christdemokraten versuchen seit Wochen zu versichern, dass sich ihre grundsätzliche Position zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutlich von der der AfD unterscheidet. Die Öffentlich-Rechtlichen seien richtig und wichtig, wiederholte etwa Medienpolitiker Markus Kurze immer wieder. Die Sender seien jedoch zu groß und zu teuer, begründete er, warum seine Fraktion gegen die Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro zum 1. Janaur 2021 stimmen und sie damit bundesweit blockieren will.

Die AfD lehnt den Staatsvertrag samt Beitragsplus ebenfalls ab und hat mit den Christdemokraten im Landtag eine Mehrheit. Die oppositionelle AfD ist prinzipiell gegen das Beitragssystem.

Das unabgestimmte Interview reiht sich ein in eine ganze Kette von Vorfällen, mit denen Stahlknecht in den vergangenen Jahren Kritik auf sich gezogen hatte. Erst vor wenigen Wochen legte ihm der Präsident des Zentralrats der Juden, Armin Schuster, den Rücktritt nahe, und warf ihm vor, mit Aussagen zum Polizeischutz für jüdische Einrichtungen dem Antisemitismus Vorschub zu leisten.

Andere Beispiele waren der zögerliche Rausschmiss eines CDU-Kreisvorstandsmitglieds in Anhalt-Bitterfeld, der ein beliebtes Neonazi-Motiv auf den Arm tätowiert hatte oder die übereilte und schließlich gescheiterte Berufung des Polizeigewerkschafters Rainer Wendt zum Innenstaatssekretär. Stahlknecht war seit 2011 Innenminister, ist seit 2018 CDU-Landeschef und galt jahrelang als gesetzt für die Nachfolge von Ministerpräsident Haseloff (CDU). Dieser Ambition machte der Amtsinhaber erst vor wenigen Wochen einen Strich durch die Rechnung und verkündete, für eine dritte Amtszeit als CDU-Spitzenkandidat anzutreten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Abwanderung von Fachkräften: Immer mehr deutsche Arbeitnehmer verlassen ihr Heimatland
21.08.2025

Immer mehr Deutsche sagen Adieu und wandern aus: 2024 waren es 270.000 Ausreisewillige, 2025 wird ein neuer Rekordwert erwartet. Doch wer...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freiwillige vor: Neuer Bahnchef gesucht
21.08.2025

Die Deutsche Bahn steckt in ihrer tiefsten Krise, doch der Verkehrsminister drängt auf schnellen Wechsel an der Spitze. Während geeignete...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenanzeigen: Firmen verschenken Potenzial mit fehlender Familienfreundlichkeit
21.08.2025

Deutsche Unternehmen reden gern über Familienfreundlichkeit, doch in den Stellenanzeigen bleibt davon wenig übrig. Eine neue Analyse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Importzoll auf Autos aus EU soll rückwirkend sinken
21.08.2025

Washington senkt seine Importzölle auf Autos aus der EU – rückwirkend und überraschend deutlich. Für Europas Autobauer ist das zwar...

DWN
Panorama
Panorama Nord-Stream-Anschlag: Carabinieri verhaften Ukrainer wegen Sprengstoff-Operation
21.08.2025

Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft im Fall der gesprengten Nord-Stream-Pipelines. Nun gerät ein Ukrainer ins Visier, den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Homeoffice auf Rezept? Ärztliches Attest bedeutet keinen Anspruch aufs Homeoffice – was zu beachten ist
21.08.2025

Ärztliche Homeoffice-Atteste liefern Hinweise, sind aber kein automatischer Freifahrtschein. Fehlen verbindliche Regeln und ein...

DWN
Politik
Politik Russland erklärt, in die Sicherheitsgarantien für die Ukraine „einbezogen“ werden zu wollen
21.08.2025

Russland will bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitreden – und verlangt ein Vetorecht. Experten warnen: Damit droht Moskau,...

DWN
Finanzen
Finanzen Millionen PayPal-Zugangsdaten im Umlauf – das sollten Nutzer jetzt tun
21.08.2025

Millionen PayPal-Zugangsdaten sollen im Darknet zum Verkauf stehen – zu einem erstaunlich niedrigen Preis. Ob es sich um aktuelle Daten...