Finanzen

Sieg im Machtkampf gegen Goldman Sachs: „BlackRock, bitte übernehmen Sie!“

Lesezeit: 4 min
12.12.2020 09:29  Aktualisiert: 12.12.2020 09:29
Die Finanzwelt erlebt zurzeit den größten Umbruch ihrer Geschichte. Die Zeiten, in denen Investmentbanken und Hedgefonds den Ton angaben, sind vorüber. Heute sind es die Zentralbanken und die großen Vermögensberatungen - allen voran BlackRock -, welche die Richtung vorgeben.
Sieg im Machtkampf gegen Goldman Sachs: „BlackRock, bitte übernehmen Sie!“
Blackrock-Gründer Larry Fink. (Foto: dpa)

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Auch im Weißen Haus in Washington spiegelt sich diese Entwicklung wider. In drei der vergangenen vier Administrationen waren die entscheidenden Posten mit Investmentbankern, insbesondere aus den Reihen von Goldman Sachs, besetzt. Unter Joe Biden gehen die Schlüsselpositionen an Vertreter der US-Zentralbank Federal Reserve (FED) und an Top-Manager des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock.

Bidens wichtigste Personalentscheidungen

Mit der Ernennung der Wirtschaftsprofessorin Janet Yellen zur US-Finanzministerin wird die Leitung der Behörde zum ersten Mal in ihrer Geschichte einer ehemaligen Führungsperson der FED übertragen. Damit haben sich die Vermutungen, dass BlackRock-Chef Larry Fink das Amt unter Joe Biden übernehmen würde, nicht bestätigt. Dennoch wird BlackRock keinesfalls leer ausgehen, ganz im Gegenteil.

Wie vergangene Woche bekannt wurde, wird der in Kenia geborene Jurist Adewale Adeyemo Yellens erster Stellvertreter und damit die Nummer zwei im zukünftigen Finanzministerium. Adeyemo war seit 2017 als geopolitischer Berater bei BlackRock tätig und stieg dort in weniger als zwei Jahren zum Stabschef von CEO Larry Fink auf.

Am 3. Dezember ernannte Joe Biden den Juristen Brian Deese zu seinem Top-Wirtschaftsberater und zum Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates. Deese bekleidete als globaler Leiter des Bereichs „Nachhaltiges Investieren“ drei Jahre lang eine der wichtigsten Positionen bei BlackRock.

Unter Obama aufgestiegen – zu BlackRock gewechselt

Sowohl Adeyemo als auch Deese sind in Washingtoner Regierungskreisen keine Unbekannten. Adeyemo arbeitete in der Zeit der Obama-Administration sowohl im Finanzministerium als auch im Weißen Haus und stieg bis zum stellvertretenden Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates auf.

Deese, Absolvent der Yale Law School, war unter Obama ebenfalls stellvertretender Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates sowie stellvertretender Direktor des Office of Management and Budget. Er hat als Berater des Präsidenten das Pariser Abkommen mitgestaltet und nach der Finanzkrise 2008 die Rettung der US-Autoindustrie geleitet.

Deese und Adeyemo sind nach dem Ende der Obama-Administration umgehend zu BlackRock gewechselt und haben damit einen Weg eingeschlagen, der für viele im Biden-Team typisch ist: Sie haben die Zeit der Trump-Präsidentschaft damit verbracht, ihre Verbindungen aus Obama-Zeiten an der Wall Street, im Silicon Valley oder als Lobbyisten in Washington in bare Münze umzuwandeln und kehren nun mit prall gefüllten Börsen und noch engeren Verbindungen zum digital-finanziellen Komplex in Regierungspositionen zurück.

Trotzdem wird es in den kommenden Jahren mit Sicherheit keine Rückkehr zur Wirtschaftspolitik unter Obama geben. Dazu hat sich der Finanzsektor gerade im Jahr 2020 zu sehr verändert. Die Zeiten, in denen man Goldman Sachs auch „Government Sachs“ nannte, sind mit der aktuellen Rezession endgültig zu Ende gegangen.

Die Zentralbanken haben heute das Heft in der Hand…

Bereits 2007/08 war mit der Weltfinanzkrise eine neue Ära angebrochen. Bis dahin waren Investmentbanken und Hedgefonds auf Grund der fortschreitenden Deregulierung immer mächtiger geworden und es schien, als seien ihrem Aufstieg keine Grenzen gesetzt.

Als dann aber nach der Rettung des Systems durch die Regierungen die Zentralbanken eingreifen, riesige Geldmengen schöpfen und die Zinsen ein ums andere Mal senken mussten, wurden sie schnell zur wichtigsten Stütze des Finanzsektors. Um die Märkte gezielt zu stabilisieren, brauchten die Zentralbanken jedoch einen Partner.

Vor 2008 hätte man sich mit Sicherheit noch für Goldman Sachs entschieden. Inzwischen aber hatte sich ein anderes Schwergewicht etabliert, mit dessen Hilfe man noch schneller und effektiver in das globale Geschehen eingreifen konnte: BlackRock, die größte Vermögensverwaltung der Welt.

… und setzen vollständig auf BlackRock

Das 1988 von Larry Fink gegründete Unternehmen ist an fast allen Großkonzernen der Welt beteiligt und damit in der Lage, so gut wie jeden Markt der Welt in jede beliebige Richtung zu bewegen. Doch BlackRock verwaltet nicht nur mehr Anlegergelder als alle seine Konkurrenten, das Unternehmen besitzt auch eine Waffe, über die kein Konkurrent verfügt: Aladdin.

Aladdin ist ein gigantisches Datenanalysesystem, das aus einem Heer von Analysten und rund 5000 Großrechnern besteht, die an vier geheim gehaltenen Standorten 200 Millionen Kalkulationen pro Woche ausführen. Aladdin arbeitet nicht nur für BlackRock und seine Anleger, sondern verwaltet auch Milliarden für Pensionskassen, Staatsfonds, Stiftungen und Versicherer.

Es ist diese einmalige Kombination aus Marktmacht und Informationsvorsprung, die sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die FED nach der Weltfinanzkrise von 2007/08 bewogen haben, sich offiziell von BlackRock beraten zu lassen.

Die Partnerschaft hat sich allerdings in den zwölf Jahren ihres Bestehens ganz eindeutig zugunsten von BlackRock gewandelt. Mit fast acht Billionen Dollar an verwaltetem Vermögen hat Larry Finks Unternehmen 2020 eine nie dagewesene Größenordnung erreicht. FED und EZB dagegen haben ihr Pulver nach mehr als einem Jahrzehnt ständiger Zinssenkungen inzwischen weitgehend verschossen und können in Zukunft nur noch auf das Mittel der Geldschöpfung zurückgreifen.

Für BlackRock ist so eine gigantische Win-Win-Situation entstanden: Man kassiert Beraterhonorare und leitet das frisch geschaffene Geld in Unternehmen, an denen man selbst beteiligt ist. Zudem kann man auf selbst ausgelöste Kursschwankungen wetten oder seinen Anlegern wertvolles Wissen über zukünftige Marktentwicklungen für teures Geld verkaufen.

Dass man nun auch noch hohe Regierungsposten bekleidet, dürfte sich in den kommenden Monaten ebenfalls auszahlen. Nachdem die US-Wirtschaft auf Grund der Rezession und der Maßnahmen im Rahmen der Pandemie eines der schlimmsten Jahre ihrer Geschichte verbucht hat, dürfte angesichts der zu erwartenden Welle an Firmenzusammenbrüchen und Kreditausfällen schon bald eine weitere Systemrettung erforderlich werden.

Egal, was Biden und die FED entscheiden – der Gewinner wird BlackRock heißen

Die FED wird noch höhere Billionenbeträge schaffen müssen als 2020 und BlackRock wird dafür sorgen, dass ein großer Teil dieses Geld in die eigenen Taschen fließt. Der Öffentlichkeit wird man das Ganze mit großer Sicherheit als Wohltat verkaufen. Besonders geübt in falscher Etikettierung dürfte Brain Deese sein, der bei BlackRock, einem der weltweit führenden Investoren in fossile Brennstoffe, den Titel des „Bereichsleiters für nachhaltiges Investieren“ führte.

Da den Verantwortlichen der FED bereits klar ist, dass die Zeit der Rettungen des globalen Finanzsystems mit herkömmlichen Mitteln zu Ende geht, arbeiten sie zurzeit unter Hochdruck zusammen mit der IT-Industrie an der Einführung digitalen Zentralbankgeldes, für das die US-Politik die gesetzlichen Voraussetzungen bereits im „Banking for All Act“ (Gesetz über das Banking für alle) geschaffen hat.

Man kann sicher sein, dass BlackRock ebenfalls intensive Vorkehrungen für das neue Szenario getroffen hat. Oder sollte es sich um einen Zufall handeln, dass man im April dieses Jahres, als alle Welt nur Augen und Ohren für die Pandemie hatte, eine „strategische Partnerschaft“ mit dem Marktführer Microsoft eingegangen ist? Und dass man zum Auftakt der vielversprechenden Zusammenarbeit die BlackRock-Wunderwaffe Aladdin in Microsofts Azur Cloud hat hochladen lassen?

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Ernst Wolff, 69, befasst sich mit der Wechselbeziehung zwischen internationaler Politik und globaler Finanzwirtschaft.


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