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China ist der große Gewinner des Corona-Jahrs: Bleiben dem Rest der Welt nur noch Kotau und Tribut?

Lesezeit: 3 min
26.12.2020 12:17  Aktualisiert: 26.12.2020 12:17
Zu Beginn des Jahres sah es so aus, als ob China in Schwierigkeiten stecken würde. Doch dann überwand Peking sowohl die Pandemie als auch Donald Trump.
China ist der große Gewinner des Corona-Jahrs: Bleiben dem Rest der Welt nur noch Kotau und Tribut?
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, erweist dem chinesischen Präsidenten Xin Jinping bei einem Treffen in Peking seine Ehrerbietung. (Foto: dpa)
Foto: Naohiko Hatta

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Das Jahr 2020 wird in die Geschichte als das Jahr der großen COVID-19-Pandemie eingehen, zu Recht. Zugleich aber wird es auch das Jahr des Endes der Präsidentschaft von Donald Trump in den USA sein. Beides hängt zweifellos eng zusammen und wird erhebliche politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Schleifspuren hinterlassen.

Beide Ereignisse, die Pandemie als auch die vierjährige Präsidentschaft von Donald Trump, finden vor dem historischen Hintergrund einer Zeit des Übergangs statt, weg von der amerikanisch dominierten Welt des 20. Jahrhunderts hin zu einer chinesisch dominierten Welt des 21. Jahrhunderts.

Legt man diese Perspektive an, so erweist sich das Jahr 2020 als ein sehr erfolgreiches Jahr für China, wobei es zu Beginn des Jahres überhaupt nicht danach aussah. In der Millionenmetropole Wuhan am Jangtsekiang hatte sich ein großer COVID-19-Ausbruch ereignet, der sich aufgrund schwerer Versäumnisse der Behörden zu einer globalen Pandemie ausweitete und neben zahlreichen Toten die gesamte Weltwirtschaft zum Stillstand brachte. Zu Beginn der COVID-19-Krise sah es auch so aus, als wenn sich in China eine Vertrauenskrise zwischen Führung und Bevölkerung auftäte.

Darüber hinaus war China durch Donald Trump und die USA in einen Handelskrieg verwickelt worden, bei dem es damals den Anschein hatte, als ob es in die Knie gezwungen werden würde. Zudem hatte die aktive Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong durch administrative Maßnahmen Pekings, das Misstrauen gegenüber den Absichten der chinesischen Führung im Westen erheblich gesteigert. Die bisherige Zauberformel von „ein Land, zwei Systeme“ war damit faktisch erledigt, denn sie hatte durch das Vorgehen Pekings in Hongkong jede Glaubwürdigkeit verloren, und dieser Vertrauensverlust warf damit sofort die Frage nach der zukünftigen Entwicklung in der Straße von Taiwan auf: Würde es dort auch ohne diese Formel in Zukunft friedlich bleiben?

Gegen Ende dieses Jahres 2020 sieht die Lage jedoch aus chinesischer Perspektive völlig anders aus. Die Versäumnisse zu Beginn der Pandemie scheinen vergessen zu sein. Von einer großen Vertrauenskrise zwischen Bevölkerung und Führung gibt es keine Spur. Der autoritäre chinesische Einparteienstaat hatte mittels rigoroser Maßnahmen die COVID-19-Pandemie zügig eingedämmt, die Wirtschaft zum Wiederanspringen gebracht, und auch das gesellschaftliche Leben findet fast wieder uneingeschränkt statt.

Im Handelskrieg mit den USA hat China nicht nachgegeben, die Unterdrückung der Demokratiebewegung in Hongkong scheint zu funktionieren, und in diesem November ist Peking noch ein echter handels- und geopolitischer Coup gelungen. Mit der Unterzeichnung des Handelsvertrags „Regional Comprehensive Economic Partnership“ (RCEP) wird in Ost- und Südostasien die größte Freihandelszone der Welt geschaffen, die den riesigen Markt Chinas mit den ASEAN-Staaten von Indonesien über Singapur bis Vietnam verbinden wird. Auch die engsten und wirtschaftlich wichtigsten Verbündeten der USA in der Region wie Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland sind Teil dieser Freihandelszone, nur eben nicht die USA.

Hier stößt man nun auf ein sehr gutes Beispiel für den Unterschied zwischen einer TV-Soap und der geopolitischen Realität. Im Januar 2017 zog der frisch im Amt befindliche US-Präsident die Unterschrift der USA unter dem von Präsident Obama fertig ausverhandelten Freihandelsvertrag „Trans Pacific Partnership“ (TPP) zurück. In Peking konnte man damals sein unverhofftes Glück wahrscheinlich kaum fassen, und arbeitete in der Folge offensichtlich mit aller Kraft an dem Ausnutzen dieses großzügigen Geschenks des Donald Trump. Jetzt ist man also erfolgreich gewesen und hat mit dieser Freihandelszone neue geopolitische Realitäten geschaffen. Um das Zentralgestirn China mit seinem riesigen Markt herum wird sich ein System von Abhängigkeiten bilden und verstärken, die auf Dauer die chinesische Dominanz im indo-pazifischen Raum verstärken werden. In Peking wird man zu Recht diesen Handelsvertrag als Stärkung seiner geopolitischen Einflusszone im Indo-Pazifik verstehen.

Kurz gesagt, China geht aus dem Krisenjahr 2020 gestärkt hervor.

Ganz anders die USA. Bedingt durch Trump, den Wahlkampf um die Präsidentschaft und eine völlig außer Kontrolle geratene Entwicklung der Pandemie sind die USA vor allem auf sich selbst fokussiert und vermitteln einen Eindruck von tiefer Gespaltenheit, Chaos und Schwäche. Dies wird geopolitische Konsequenzen haben, und es bleibt daher die große Frage, ob angesichts der großen innenpolitischen Herausforderungen – einschließlich einer wirksamen Bekämpfung der Pandemie – ein Präsident Biden genug Kraft haben wird, um die USA aus dieser Spirale des Niedergangs wieder herauszuführen.

Reicht dazu das Maß an Gemeinsamkeiten zwischen den beiden politischen Lagern dieses großen Landes noch aus? Angesichts der gegenwärtigen Nach-Wahlkampf-Wirren muss man darauf eher eine skeptische Antwort geben.

Amerika wird in diesen turbulenten Zeiten von Corona und einer gleichzeitig eskalierenden Rivalität um die Führungsrolle im internationalen politischen System und in der Weltwirtschaft, um die globale Hegemonie also, seine Freunde brauchen, und seine Freunde werden die USA unter Biden brauchen, denn ohne sie droht die hegemoniale Dominanz Pekings, und dies ist alles andere als eine beruhigende Aussicht.

Denn wie diese aussieht, machte erst vor wenigen Tagen eine vierzehn Punkte enthaltene Ansage von Peking gegenüber Australien zweifelsfrei klar. Peking setzt unverhohlen auf Handelseinschränkungen, unter anderem wegen des Ausschlusses der beiden chinesischen Firmen ZTE und HUAWEI aus dem australischen 5G-Netz, des Verhaltens Australiens in multilateralen Foren und negativer Medienberichte über China. Unter Multilateralismus scheint Peking den Kotau zu verstehen, das sollten auch und gerade die Europäer nicht vergessen.

Es wird Zeit, dass Europa aufwacht. Donald Trump geht im Januar aufs Altenteil und mit ihm seine nationalistische Außenpolitik. Wenn an Trumps Stelle Xi Jinping mit einem „Make China great again!“ träte, wäre gar nichts gewonnen, im Gegenteil: Die Folge wären Tribut und Kotau.

Copyright: Project Syndicate, 2020.

www.project-syndicate.org


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