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So wird Joe Biden den Handelskrieg gegen China führen

Lesezeit: 4 min
02.01.2021 10:04
Insidern zufolge wird die Biden-Administration auf zwei Feldern bedeutende taktische Änderungen im Handelskonflikt mit China vornehmen.
 So wird Joe Biden den Handelskrieg gegen China führen
Der damalige Vize-Präsident der USA, Joe Biden, mit seinem chinesischen Amtskollegen Li Yuanchao im Dezember 2013 in Peking. (Foto: dpa)
Foto: Andy Wong / Pool

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Wie sich die Weltwirtschaft und auch die geopolitische Sicherheitslage im kommenden Jahr entwickeln wird hängt stark davon ab, welche Wendung der Handelskonflikt zwischen den beiden größten Volkswirtschaften nehmen wird.

Schenkt man einem vom Portal Oilprice befragten Analysten Glauben, wird Biden auf zwei Feldern eine Neujustierung der von der Trump-Administration bislang gegenüber China verfolgten Strategie vornehmen.

Biden und die neue „Handelsmetrik“

Ein zentraler Pfeiler der handelspolitischen Strategie der Biden-Regierung gegenüber China soll demnach die Etablierung einer neuartigen Handelsmetrik sein. Dem Analysten Mehrdad Emadi von der Beratungsgesellschaft Betamatrix in London zufolge soll sich diese Metrik an jenem System orientieren, welches die USA schon einmal in den 1960er und 1970er Jahren gegen das zu jener Zeit aufstrebende Japan angewendet hatten und welches zur Schaffung eines „langfristigen stabilen Gleichgewichts im Handel“ zwischen den beiden Staaten führte.

„Dieser neue Ansatz wird darauf ausgerichtet sein, das langfristige und strukturelle bilaterale Handelsungleichgewicht zu korrigieren, das seit Jahrzehnten zwischen China und den USA besteht und welches Folge dieser Aspekte ist: einer chinesischen Tiefpreisstrategie bei den Exporten, der Unterbewertung der Landeswährung Renminbi sowie der Aufstellung impliziter Einfuhrbarrieren“, wird Emadi von Oilprice zitiert.

Konkret soll diese Metrik ein Prozentsatz sein, der sich auf den gleitenden 5-Jahres-Durchschnitt der amerikanischen Handelsdefizite mit China einerseits sowie auf die jährliche Wirtschaftsleistung der USA andererseits bezieht.

Oilprice berichtet unter Berufung auf weitere – namentlich nicht genannte Analysten – , dass gegenwärtig ein Prozentsatz von 4,85 Prozent von Biden und seinen Wirtschaftsberatern favorisiert werde. Das aufsummierte Gesamtvolumen der innerhalb eines Fünfjahreszyklus angelaufenen Defizite im Warenverkehr mit China darf demnach den Grenzwert von 4,85 Prozent der amerikanischen Wirtschaftsleistung eines jeden einzelnen Jahres in diesem Fünfjahreszyklus nicht überschreiten.

Derzeit belaufe sich die Summe der Handelsdefizite der vergangenen fünf Jahre auf 1,39 Billionen US-Dollar, was in etwa 6,48 Prozent der US-Wirtschaftsleistung des Jahres 2019, rund 6,76 Prozent des Jahres 2018 und 7,13 Prozent der Wirtschaftsleistung des Jahres 2017 entsprächen. Um das Ziel von 4,85 Prozent einzuhalten, hätte das jährliche Defizit der USA gegenüber China in jedem der vergangenen fünf Jahre rund 70 Milliarden Dollar niedriger ausfallen müssen. „Welcher genaue Prozentsatz auch immer künftig gewählt wird – der gleitende Fünfjahresdurchschnitt des Handelsdefizits muss um etwa die Hälfte in der ersten Amtszeit Bidens gesenkt werden“, sagt Emadi.

Emadi zufolge beinhaltet eine solche Handelsmetrik auch Vorteile für die Chinesen. Zu den größten gehöre, dass dem Außenwechselkurs des Renminbi eine größere Flexibilität eingestanden werden müsste, was zu dessen schrittweiser Aufwertung durch die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage und zu einem schrittweisen Abbau der Handelsungleichgewichte führen würde. Es käme im Laufe der Zeit dadurch neben der Handelsmetrik faktisch auch zur Bildung einer marktbasierten Metrik für den Wechselkurs zwischen Renminbi und Dollar, was den Inflationsdruck bei den importierten Waren für China mindere, die Investitionen der Chinesen im Ausland durch eine Erleichterung der steuerlichen Verrechnungspreisvorschriften („Transfer Pricing“) erleichtere sowie den Druck vom angeschlagenen Schattenbankensystem nehme.

Trennung von Sicherheitspolitik und Handelspolitik

Die zweite signifikante Weichenstellung Bidens werde sich in einer Entkoppelung der Handelspolitik von sicherheitspolitischen Fragen niederschlagen, behauptet Emadi. So sei Trump im Verlauf des von ihm begonnenen Handelskrieges mehrfach bereit gewesen, der chinesischen Führung Zugeständnisse bei sicherheitspolitischen Fragen zu machen, um in den Verhandlungen über die Handelsfragen wiederum Konzessionen von den Chinesen einzustreichen.

So behauptet der von Trump aus dem Amt entlassene, umstrittene frühere Sicherheitsberater John Bolton etwa, dass Trump scharfe Sanktionen gegen die chinesischen Technologiekonzerne ZTE und Huawei abgeschwächt beziehungsweise verworfen habe, um ein Entgegenkommen der Chinesen in wichtigen Handelsfragen zu erreichen.

Diese Praxis, so Emadi, werde Biden beenden. Stattdessen würde der neue US-Präsident darauf achten, die beiden sensiblen Themenfelder unabhängig voneinander zu behandeln. „Die Handelsbeziehungen – und in erster Linie eine Fokussierung auf die Handelsungleichgewichte zwischen den USA und China – werden im Mittelpunkt aller Verhandlungen Bidens mit den Chinesen stehen, aber die Sicherheitspolitik und die Außenpolitik werden separat durchgeführt und keines der Felder darf die Verhandlungen in den anderen Bereichen beeinflussen“, wird Emadi zitiert.

Biden setzt weiterhin auf Konfrontation

Dass Biden wie auch sein Vorgänger weiterhin auf Konfrontation setzt, zeigte sich am vergangenen Montag. „Während wir mit China wetteifern und seine Regierung zur Verantwortung ziehen für ihre Missbräuche in den Bereichen Handel, Technologie, Menschenrechte und an anderen Fronten wird unsere Position viel stärker sein wenn wir Koalitionen mit gleichgesinnten Partnern und Alliierten schmieden“, zitiert die South China Morning Post Biden. Dieser rief auch dazu auf, „Sicherheit und Prosperität“ in der riesigen Indo-Pazifik-Region zu „gewährleisten“ – eine verdeckte Ankündigung verstärkter militärischer Einkreisungsversuche Chinas durch das US-Militär im Südchinesischen Meer sowie im westlichen Pazifik und im Indischen Ozean.

Grafik: Militärische Präsenz der USA im westlichen Pazifik

Bidens Aussagen müssen im Kontext der schrittweisen Annäherung der EU mit China in Handelsfragen verstanden werden. Beide Mächte hatten am Mittwoch einen Durchbruch bei den Verhandlungen um ein Investitionsabkommen bekanntgegeben. Das Abkommen soll den Marktzugang für europäische Unternehmen in China verbessern, für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen und neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Es ist der bislang umfassendste Versuch der EU, das wirtschaftliche Verhältnis mit der aufstrebenden ostasiatischen Volkswirtschaft auf neue Füße zu stellen.

Als bevölkerungsreichstes Land der Erde mit 1,4 Milliarden Menschen, das hunderte Millionen seiner Bürger in den vergangenen Jahrzehnten aus der Armut in die Mittelklasse befördert hatte, ist China ein wichtiger Handels- und Wirtschaftspartner für die EU. Im vergangenen Jahr wurden täglich Waren im Wert von durchschnittlich 1,5 Milliarden Euro zwischen beiden Seiten gehandelt. Nach den USA ist China der zweitwichtigste Handelspartner der Europäer. Für die EU gilt der Abschluss des Abkommens auch als Voraussetzung für die Aufnahme von Gesprächen über ein Freihandelsabkommen.

Die grundsätzliche Einigung sei ein „erster Schritt“, dem noch weitere Verhandlungen über den genauen rechtlichen Text des Abkommens und „bedeutende technische Arbeit“ folgen würden, heißt es in einem internen Papier an die EU-Mitglieder. Die EU-Kommission rechnet demnach mit einem Abschluss „Anfang 2022“. Bis zuletzt wurde um das Abkommen gerungen. Neue Zugeständnisse Chinas gab es bei Transportdiensten zur See oder in der Luft, in den Bereichen Finanzen, Computer, Forschung und Entwicklung, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, Telekommunikation, Cloud-Dienste und beim Betrieb privater Krankenhäuser, wie aus einem EU-Papier hervorgeht, aus dem die Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch zitierte.


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