Politik

Kinderpornografie: Erreicht der gruselige Skandal bald die Eliten in Deutschland?

Mehr als 1.000 Beweisstücke hat die Polizei bei einer bundesweiten Razzia gegen Kinderpornografie gesammelt. Entdeckt wurden die 65 Beschuldigten bei der Auswertung von Chats. Erreicht der Skandal bald die deutschen Wirtschafts- und Politeliten? Schließlich war genau das im Jahr 2014 in Großbritannien passiert. „Ein Pädophilenring: unter den Tätern auch Politiker, von der Polizei gedeckt“, hatte das Erste Deutsche Fernsehen damals berichtet.
29.01.2021 14:21
Aktualisiert: 29.01.2021 14:21
Lesezeit: 3 min
Kinderpornografie: Erreicht der gruselige Skandal bald die Eliten in Deutschland?
Eine Polizeibeamtin trägt am 19.05.2011 in Frankfurt am Main (Hessen) am Rande von Spurensicherungsmaßnahmen ihre Dienstwaffe am Gürtel. (Foto: dpa) Foto: Arne Dedert

Bei einer Razzia gegen Kinderpornografie haben am vergangenen Dienstag mehr als 1.000 Polizeibeamte in zehn Bundesländern zahlreiche Objekte durchsucht. Die Aktion richtete sich gegen 65 Tatverdächtige, die kinderpornografische Inhalte besessen und verbreitet haben sollen. Es gebe keine Hinweise, dass aktive Missbrauchtäter unter ihnen seien, es habe auch keine Haftbefehle gegeben, erklärte die Polizei in Köln. Auf die Beschuldigten waren die Ermittler durch Auswertung von Chats und Messenger-Diensten gekommen.

Die Verfahren ergaben sich demnach aus den seit 15 Monaten dauernden Ermittlungen rund um den Kindesmissbrauchskomplex Bergisch Gladbach. Mehr als tausend Beweismittel, darunter viele elektronische Datenträger, seien sichergestellt worden, berichtete Michael Esser, Leiter der Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „Berg“ bei der Kölner Polizei.

Mehr zum Thema: Offizieller Kindesmissbrauch in Kitas? Merkel-Regierung will kein bundesweites Verbot von „Original Play“

An einer Adresse stieß die Polizei auf ein 13-jähriges Kind mit „unklaren Wohn- und Familienbeziehungen“, das vom Jugendamt in Obhut genommen worden sei. In einem Fall habe ein Mann versucht, zu fliehen. Bei einem anderen, der keine Kinder habe, sei Sex- und Kinderspielzeug gefunden worden. An einem weitläufigen Objekt setzte die Polizei drei Datenspeicher-Spürhunde ein, um die in „äußerst kreativen Verstecken“ steckenden Datenträger zu finden. Auch Pistolen mit 148 Schuss Munition und scharfe Patronen wurden entdeckt. „Das zeigt mir, dass wir die richtigen Täter identifizieren konnten“, sagte Esser.

An der Razzia waren an vielen Orten auch Spezialeinsatzkommandos (SEK) der Polizei im Einsatz. Durchsucht wurde in Nordrhein-Westfalen, Bayern, Schleswig-Holstein, Sachsen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Berlin. Die genauen Örtlichkeiten wollte die Polizei am Nachmittag noch nicht nennen, da die Durchsuchungen teilweise noch andauerten. Allein in NRW waren fast 500 Beamte beteiligt.

Schwerpunkte waren nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch Bayern und Niedersachsen. Allein in Bayern wurden demnach 15 Objekte quer durch den Freistaat durchsucht, allein drei im Bereich Rosenheim. Es war bereits der zweite bundesweite Großeinsatz der Ermittlungsgruppe im Fall Bergisch Gladbach. Im vergangenen September wurden in zwölf Bundesländern 60 Anschriften von rund 50 Beschuldigten von rund 1000 Einsatzkräften durchsucht.

Die Besondere Aufbauorganisation „Berg“ der Kölner Polizei ermittelt seit Oktober 2019. Im Haus eines Mannes aus Bergisch Gladbach waren damals Unmengen kinderpornografischer Daten gefunden worden. Über ihn stießen die Ermittler auf Hunderte weitere Verdächtige. Die Polizei arbeitet mit der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime (ZAC) der Kölner Staatsanwaltschaft zusammen.

Mehr zum Thema: „Original Play“ sofort verbieten: Wie in Deutschlands Kitas Kindesmissbrauch gefördert wird

Der Leiter der ZAC würdigte die Unterstützung der Ermittler durch Betreiber und Anbieter von Sozialen Medien. Gerade im Bereich der Kinderpornografie sei die Zusammenarbeit „ausgesprochen gut, kooperativ und einvernehmlich“, sagte Markus Hartmann. Ein wesentlicher Teil der Erkenntnisse dieses Ermittlungsverfahrens sei auch darauf zurückzuführen, dass die privaten Anbieter mit eingebunden seien.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) dankte nach den neuen Durchsuchungen „den Hunderten von Polizistinnen und Polizisten für ihren hochprofessionellen und hochkomplexen Einsatz“. „Beharrlichkeit und Geduld zahlen sich in unserem Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie aus“, sagte Reul der Deutschen Presse-Agentur. NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) sagte: „Der Aktionstag zeigt, dass die Justiz auch im Internet uneingeschränkt handlungsfähig ist.“

Die Polizei hat im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach nach eigenen Angaben 330 Beschuldigte identifiziert. Sieben Personen sitzen in Untersuchungshaft, es gibt elf Anklagen und zehn Urteile. Im vergangenen Oktober wurde in Köln ein 43-Jähriger zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Der Mann aus Bergisch Gladbach gilt als Schlüsselfigur in dem Netzwerk.

Die Funde der Behörden könnten nur die Spitze des Eisbergs bilden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Zirkel der deutschen Wirtschafts- und Politeliten ebenfalls verwickelt sind. Wie sehr vor allem die Eliten in derartige Netzwerke verstrickt sein können, hatte bereits 2014 der große Missbrauchsskandal in Großbritannien gezeigt, in dem Prominente und Politiker involviert gewesen sind. Darüber hatte unter anderem die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet. „Ein Pädophilenring: unter den Tätern auch Politiker, von der Polizei gedeckt. Es sind unglaubliche Anschuldigungen“, hatte das Erste Deutsche Fernsehen (ARD) damals berichtet.

Im Februar 2020 wurde enthüllt, dass britische Politiker den sexuellen Missbrauch von Kindern ignoriert und über Jahrzehnte hinweg aktiv Vorwürfe vertuscht haben. In dem offiziellen 173-seitigen Bericht wurde festgestellt, dass mehrere Abgeordnete in den 1970er und 1980er Jahren, darunter Peter Morrison und Cyril Smith, „bekanntermaßen oder angeblich in ihrem sexuellen Interesse an Kindern aktiv waren und in vielerlei Hinsicht vor Strafverfolgung geschützt waren“, berichtet der englischsprachige Dienst von Reuters.

Mehr zum Thema: Pädophilie-Skandal: US-Bezirksrichterin lässt Namen von Bill Clinton und anderen Prominenten schwärzen

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Wie schützt man seine Krypto-Wallet? CLS Mining ermöglicht Nutzern eine stabile tägliche Rendite von 6.300 €.

Der Kryptowährungsmarkt erholte sich heute umfassend, die Stimmung verbesserte sich deutlich. Meme-Coins führten den Markt erneut an....

DWN
Technologie
Technologie Unser neues Magazin ist da: Deutschland digital – warum die Zukunft nicht warten kann
20.11.2025

Deutschland steht an der Schwelle zu einer digitalen Zeitenwende – doch wir zögern. Zwischen überbordender Bürokratie,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Hohe Strom- und Arbeitskosten: LKW-Hersteller MAN baut 2.300 Stellen in Deutschland ab
20.11.2025

Der Lastwagen- und Bushersteller MAN will in Deutschland rund 2.300 Stellen abbauen. Belastend seien hohe Strom- und Arbeitskosten und der...

DWN
Unternehmen
Unternehmen EU untersucht Google wegen möglicher „Herabstufung von Nachrichteninhalten“
20.11.2025

Brüssel nimmt Googles Anti-Spam-System ins Visier. Die EU vermutet, dass das Google-Ranking Nachrichtenwebseiten systematisch herabstuft...

DWN
Finanzen
Finanzen Ukraine-Hilfen: EU-Kommission rechnet mit möglichen Kriegsende bis Ende 2026
20.11.2025

Die EU plant weitere 135,7 Milliarden Euro Ukraine-Hilfe. Dabei basieren die Vorschläge der EU-Kommission zur finanziellen Unterstützung...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Stellenabbau auf Negativrekord: Beschäftigung in der Autobranche fällt auf Tief seit 2011
20.11.2025

Die Industrie steckt in einer schweren Krise: Besonders betroffen ist die Autobranche, aber auch im Maschinenbau gehen Tausende Jobs...

DWN
Politik
Politik Kampf gegen Klimawandel: Deutschland gibt eine Milliarde für Tropenfonds
20.11.2025

Deutschland hat bei der UNO-Klimakonferenz in Brasilien eine Milliarde Euro für den globalen Waldschutzfonds TFFF zugesagt. Wie...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Abwanderung deutscher Arbeitsplätze: Unternehmen verlagern Zehntausende Jobs ins Ausland
20.11.2025

Niedrigere Lohn- und Energiekosten, weniger Bürokratie und attraktivere Wettbewerbsbedingungen: Deutsche Unternehmen haben in den...

DWN
Politik
Politik Russland im Krieg: Journalistin enthüllt seltene Einblicke in die Gesellschaft
20.11.2025

In Zeiten, in denen Russland für viele Beobachter ein verschlossenes Land geworden ist, wagt eine Journalistin den Blick hinter die...