Technologie

Indonesien: Der unbekannte Geheimfavorit für die internationale E-Mobilität

Wenn von der E-Autoindustrie die Rede ist, denken nur sehr wenige an Südostasien. Doch bringt sich hier jetzt ein Land mit einem Mega-Projekt in Stellung, das die geplante Tesla-Fabrik bei Berlin weit in den Schatten stellt.
18.02.2021 11:45
Aktualisiert: 18.02.2021 11:45
Lesezeit: 6 min
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Indonesien: Der unbekannte Geheimfavorit für die internationale E-Mobilität
Indonesien eignet sich nicht nur aus der Rohstoff-Perspektive als Standort. (Foto: dpa) Foto: Uwe Zucchi

Es war ein Ereignis, das nicht nur für die Teilnehmer vor Ort, sondern auch für die gesamte Industrie weltweit von großer Bedeutung war: So hat Indonesien gerade mit dem südkoreanischen Hersteller LG Energy Solution eine Absichtserklärung unterzeichnet, um in dem bevölkerungsreichsten südostasiatischen Land eine neue Riesen-Fabrik für E-Batterien hochzuziehen.

Die Investitionssumme hat wahrlich gigantische Ausmaße und stellt sogar das Tesla-Werk in den Schatten, das der Kalifornische Autobauer derzeit in der Nähe von Berlin baut: Die Website der Deutsch-Indonesischen Außenhandelskammer berichtet von 142 Billionen indonesische Rupien, die sich die indonesische Regierung das Mega-Projekt kosten lässt. Umgerechnet sind dies etwa acht Milliarden Euro.

Zum Vergleich: Tesla hat für seine neue Fabrik in Grünau gerade einmal etwas mehr als eine Milliarde Euro veranschlagt – also siebenmal weniger. Und wie bedeutsam die Investition für Indonesien ist, wird auch an folgender Zahl deutlich: So betrug der gesamte Bestand an ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Jahr 2019 gerade einmal 19 bis 20 Milliarden Euro, wie aus den Statistiken der deutschen Wirtschaftsförderungsgesellschaft GTAI zu entnehmen ist. Die Investition in die neue E-Fabrik entspräche folglich der Hälfte aller FDI, die bisher in das Land geflossen ist.

Staat und koreanischer Konzern halten sich noch bedeckt

Da die Investition so wichtig ist, hielten sich die Vertreter beider Seiten nach der Unterzeichnung des Dokuments auch noch sehr bedeckt. „Die Absichtserklärung wurde unterzeichnet, doch können wir keine Details nennen“, so ein Mitarbeiter von LG Energy Solution, den die Tageszeitung „Korea Times“ danach befragt hat.

„LG Energy Solution hat schon seit einer ganzen Weile nach Investitionsmöglichkeiten in Indonesien gesucht“, gab ein Beobachter den asiatischen Reportern anonym Auskunft.

„Es gab den Plan, sich in vielfältigen Entwicklungen für die Batterie-Produktion zu engagieren – und zwar durch ein Gemeinschaftsunternehmen“, so der Beobachter. „Die Absichtserklärung zeigt, dass das Unternehmen und das Land eine grundlegende Basis für eine umfassende Zusammenarbeit gefunden haben. Doch sind sie sich immer noch nicht über die Einzelheiten im Klaren“, erhielten die Reporter Auskunft, ohne den Namen ihre Informanten nennen zu dürfen.

Es sieht also stark danach aus, dass die Fabrik noch lange nicht in trockenen Tüchern ist. Trotzdem dürfte der Bau eines solchen Mega-Werks für die Fachleute eigentlich keine Überraschung sein. Denn Indonesien ist das Land, wo die größten Nickelvorkommen der Welt lagern, das für die Herstellung der E-Batterien von besonderer Wichtigkeit ist.

US-Wissenschaftler: Größte Nickelvorkommen der Welt in Indonesien

So verfügte der südostasiatische Staat im Jahr 2018 über 21 Millionen Tonnen an Reserven, gefolgt von Australien (20 Millionen Tonnen) und Brasilien (elf Millionen Tonnen), wie aus den Zahlen der amerikanischen Wissenschaftler des United States Geological Survey (USGS) hervorgeht. Darüber hinaus zählt das Land zu den größten Produzenten des Rohstoffs – gemeinsam mit China, Russland und Japan.

Dass sich die indonesische Regierung an LG Energy Solution aus Korea wendet, ist auch nicht verwunderlich, weil der Konzern aus der Region stammt und schneller den Standort erreichen kann als ein europäischer Produzent.

Darüber hinaus bauen bereits die koreanischen Kollegen von Hyundai Motors ein Autowerk, das über eine Kapazität von einer Viertel Million Fahrzeugen verfügen soll – darunter auch E-Wagen. Die Fabrik soll Ende des Jahres in Betrieb gehen, so die Planungen.

Hier hat der indonesische Staat und der Konzern bereits ein Joint-Venture gegründet, für deren Umsetzung nun die Einzelarbeiten ausgearbeitet werden. Doch das ist noch nicht alles: Die „Korea Times“ schreibt, dass auch Tesla eine Delegation in das Land schicken will, um einen Standort für ein Werk auszuloten. Ebenso habe der chinesische Produzent seine Fühler ausgestreckt. Hier ist die Rede von einer Investition von fünf Milliarden Dollar – also vier Milliarden Euro.

Doch ist Indonesien nicht nur wegen seiner Nickelvorkommen als E-Fahrzeug-Standort interessant, sondern auch noch aus einem anderen Grund: So hat sich das Land ein ehrgeiziges Produktionsziel für die strombetriebenen Wagen zum Ziel gesetzt. Der nationale Energieplan RUEN sieht vor, dass hier bis 2025 mehr als 4,1 Millionen Fahrzeuge hergestellt werden sollen. Bis zum Jahr 2050 sollen 17,3 Millionen Stromer in Betrieb sein.

Zur Einordnung: Die Bundesregierung will auf den deutschen Straßen bis 2030 sieben bis zehn Millionen E-Wagen durchsetzen. Deutschland hat sich zwar wesentliche größere Ziele gesetzt, doch ist es auch wirtschaftlich stärker und gilt als hoch entwickeltes Industrieland.

Deutsche Investoren machen sich bislang in Indonesien rar

An diesen Zahlen zur E-Mobilität zeigt sich, wie wichtig Indonesien künftig für die internationalen Investoren sein könnte. Trotzdem machen sich die deutschen und europäischen Investoren an dem Markt, der mit 264 Millionen Konsumenten der größte in der Region, sehr rar. So sind die deutschen Firmen auf der Liste der größten ausländischen Investoren gar nicht zu finden. Hier dominieren die Unternehmen aus dem benachbarten Singapur, die im Jahr 2019 23,1 Prozent des Bruttozuflusses an Investitionen ausmachten. Danach platzierten sich die Chinesen (16,8 Prozent) und die Japaner (15,3 Prozent).

Ebenso dünn sieht der Außenhandel mit dem südostasiatischen Land aus. Wenn man in die Tabelle der wichtigsten Außenhandelspartner schaut, dann befindet sich Indonesien gerade einmal auf dem 50. Platz. Sowohl beim Export als auch beim Import spielt Deutschland unter den größten Geschäftspartnern kaum eine Rolle, weil es in den Statistiken nicht gesondert erwähnt wird. Und auch hier sind China, Singapur und Japan dominant. Die USA werden als einziger westlicher Investor genannt.

Immerhin gilt Deutschland als sehr wichtiger europäischer Lieferant von Maschinen. Doch grundsätzlich haben sich die deutschen Firmen für Indonesien im Vergleich zu den anderen Ländern aus der dortigen Region nur wenig interessiert.

Dies ist umso verwunderlicher, weil an dem Standort fast 40 Prozent aller Einwohner leben, die Südostasien hat. Älteren Schätzungen zufolge verfügt der gesamte Raum etwa über 600 Millionen Menschen – folglich sogar noch mehr als die EU.

Wohlstandsgefälle zwischen in Südostasien teilweise erheblich

Dazu gehören noch neun weitere Staaten wie die Philippinen, Vietnam und Singapur. Darüber hinaus zählen dazu Thailand, Malaysia und Brunei sowie Kambodscha, Laos und Myanmar. Die Länder bilden den Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), der die politische, soziale und wirtschaftliche Zusammenarbeit fördern soll.

Das Wohlstandsgefälle der Mitglieder ist teilweise erheblich. Indonesien könnte sich zwar mit seiner jährlichen Wirtschaftsleistung in Höhe von einer Billion Euro problemlos unter den besten EU-Staaten platzieren, doch hätte Laos mit seinen 18 Milliarden Euro nie den Hauch einer Chance, mit den westlichen Industrienationen in einem Atemzug genannt zu werden.

Obwohl Indonesien wirtschaftlich attraktiv ist, haben sich die Deutschen hier bisher nicht übermäßig engagiert. Der deutsche Maschinenbauverband VDMA findet, dass der Markt nur wenig transparent ist. Investitionsvorhaben werden oft administrative Hürden blockiert, aber auch durch andere Hindernisse – beispielsweise durch Mängel der Infrastruktur.

Nach Ansicht von Marktkennern ist in Indonesien eine überdurchschnittlich intensive Unterstützung und Betreuung vor Ort nötig, um eine strukturierte, nicht primär von Zufällen und Gelegenheiten geprägte Marktbearbeitung zu gewährleisten. Dies ist für Unternehmen, die kein Regionalbüro etwa in Singapur oder in Thailand haben, kaum zu realisieren. „Ein Markt mit mehr als 200 Millionen Einwohnern bietet theoretisch die Chance, das Land zu einer der größten Volkswirtschaften der Welt aufzubauen“, findet der VDMA. „Insgesamt hat Indonesien noch viel Luft nach oben“, findet die Organisation.

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