Die texanische Öl-Industrie hat etwa die Hälfte ihrer Produktionskapazitäten infolge der seit Tagen anhaltenden Kältewelle und der damit einhergehenden großflächigen Stromausfälle verloren. Da der Bundesstaat mit Abstand der wichtigste Energieproduzent des Landes ist, wirken sich die Ausfälle bereits auf den Weltmärkten aus, berichtet die Financial Times.
Darüber hinaus sei auch die Gasindustrie in Texas sowie im angrenzenden Bundesstaat Oklahoma in weiten Teilen zusammengebrochen – mit der Folge, dass die landesweiten Förderkapazitäten der USA insgesamt um etwa 20 Prozent zurückgegangen sind. Auch hier wird erwartet, dass sich die Ausfälle bald in Preissteigerungen auf den Weltmärkten auswirken werden, weil die USA nach Katar und Australien beispielsweise der größte Produzent von Flüssiggas (LNG) sind.
Die Weltmarktpreise für die amerikanische Leitsorte West Texas Intermediate (WTI) liegen derzeit bei rund 61 US-Dollar pro Barrel (Faß zu 159 Litern) und haben damit den höchsten Stand seit Januar des vergangenen Jahres erreicht. Auch die Sorte Brent liegt derzeit mit rund 65 Dollar je Barrel auf dem höchsten Stand seit Januar 2020.
Seit Tagen belastet ein ungewöhnlich starker Kälteeinbruch in Teilen der USA die Ölförderung, den Transport und die Weiterverarbeitung von Rohöl in der größten Volkswirtschaft der Welt. Mittlerweile gehen Experten davon aus, dass bis zu 40 Prozent der gesamten amerikanischen Ölproduktion betroffen seien, berichtet die dpa.
Nach neuesten Schätzungen wird der Ausfall der US-Ölproduktion mittlerweile mit mehr als vier Millionen Barrel pro Tag beziffert. Zusätzlich gestützt wurden die Ölpreise auch durch die jüngste Entwicklung der Ölreserven in den USA. Wie am Mittwochabend bekannt wurde, hat der Interessenverband American Petroleum Institute (API) in der vergangenen Woche einen Rückgang der amerikanischen Lagerbestände an Rohöl um fast sechs Millionen Barrel verzeichnet. Fallende Ölreserven stützen in der Regel die Ölpreise. Am Nachmittag werden die offiziellen Daten der US-Regierung zur Entwicklung der Ölreserven erwartet, die für neue Impulse am Ölmarkt sorgen könnten.
3 Millionen Texaner vierten Tag in Folge ohne Strom
Inzwischen nimmt die Situation in Texas viert Tage nach dem Beginn großflächiger Stromausfälle – ausgelöst durch eingefrorene Windräder – katastrophale Ausmaße an. Millionen Menschen müssen weiter bei eisigen Temperaturen ohne Strom ausharren. In der zweiten Nacht in Folge war Texas mit rund drei Millionen Haushalten der am stärksten betroffene Bundesstaat, wie aus Daten der Webseite poweroutage.us am Mittwochmorgen (MEZ) hervorging. Das ungewöhnlich kalte Winterwetter hatte im Süden und Osten des Landes zu Überlastungen des Stromnetzes geführt. Die Washington Post berichtete, seit Sonntag seien mindestens 14 Menschen im Zusammenhang mit dem Unwetter ums Leben gekommen.
Das Weiße Haus teilte mit, US-Präsident Joe Biden habe mit den Gouverneuren der betroffenen südlichen Staaten wie Texas, Louisiana und Kentucky über das „extreme Winterwetter“ gesprochen. Die Regierung werde alle verfügbaren Ressourcen einsetzen, um den Menschen zu helfen, „diesen historischen Sturm“ zu überstehen. Der Gouverneur von Texas, der Republikaner Greg Abbott, forderte eine Untersuchung zu den Ursachen für die Stromausfälle.
Um sich trotz der Stromausfälle bei der Eiseskälte warm zu halten, greifen Bewohner vielerorts zu ungewöhnlichen Methoden - teils mit gefährlichen Auswirkungen. So starben in der texanischen Stadt Houston eine Frau und ein Mädchen an einer Kohlenmonoxidvergiftung: Nach Angaben der Polizei hatten sie den Motor eines Autos in einer am Haus angeschlossenen Garage laufen lassen, um Wärme zu erzeugen.
Allein im bevölkerungsreichsten Bezirk von Texas, Harris County, seien seit Montag mehr als 300 Fälle von Kohlenmonoxidvergiftungen gemeldet worden, berichtete der Houston Chronicle. Die Gesundheitsbehörde des südlichen Bundesstaates warnte davor, elektrische Generatoren, Grillgeräte, Campingkocher und andere für den Außenbetrieb vorgesehene Geräte zu diesem Zweck im Haus zu benutzen.
Kunden sollten sich darauf einstellen, dass die Versorgung möglicherweise über Dienstagabend hinaus unterbrochen sein könnte, teilte das Elektrizitätswerk in der Stadt Austin auf Twitter mit. Kontrollierte Unterbrechungen der Stromversorgung seien derzeit die „Ultima Ratio“, um die Zuverlässigkeit des gesamten Stromnetzes zu erhalten, erklärte der Stromnetzbetreiber Southwest Power Pool, der für 14 Bundesstaaten zuständig ist.
Nach Räumungsarbeiten öffnete der Flughafen in Houston nach eigenen Angaben am Dienstagabend seine Hauptlandebahn. Allein in Houston und Dallas fielen am selben Tag Hunderte Flüge aus. In Austin sollte der Flugbetrieb ab Mittwochmittag wieder aufgenommen werden. Aus Wettersicht gab es zunächst keine Entwarnung: Ein weiterer Wintersturm soll nach Behördenangaben bis Donnerstag erneut schwere Schneefälle und Eis in die Region bringen.