Politik

Steinmeier erwägt staatliche Regulierung der sozialen Medien im Namen der Freiheit und der Demokratie

Bundespräsident Steinmeier meint: „Die Demokratien der Welt müssen ihre Verfasstheit auch im Digitalen sichern, gegen Feinde von innen wie außen (...) Wenn es um die Sache der Demokratie geht, ist die digitale Revolution beides – Fluch und Segen, Chance und Gefahr (...) Wir kennen die aufgeklärte Antwort auf solche Übel – nämlich Rechtsstaat, Regeln und Institutionen.“
01.03.2021 18:13
Aktualisiert: 01.03.2021 18:13
Lesezeit: 2 min
Steinmeier erwägt staatliche Regulierung der sozialen Medien im Namen der Freiheit und der Demokratie
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt im Schloss Bellevue an einer Diskussion "Demokratie und digitale Öffentlichkeit - Eine transatlantische Herausforderung", im Rahmen einer Veranstaltung in der Reihe "Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie" teil und hält eine Rede. (Foto: dpa) Foto: Wolfgang Kumm

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Demokratien dazu aufgerufen, ihre Werte und Errungenschaften gegen Angriffe durch soziale Medien zu verteidigen. Dazu forderte er auch klare Regeln für die Betreiber von Internetplattformen. „Die Demokratien der Welt müssen ihre Verfasstheit auch im Digitalen sichern, gegen Feinde von innen wie außen“, sagte Steinmeier am Montag in Berlin in der elften Folge seiner Reihe „Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie“.

Die großen Plattformbetreiber hätten sich gegen Kontrolle und gegen ihre eigene Verantwortung für den öffentlichen Raum, den sie mit ihrer Infrastruktur geschaffen haben, lange gewehrt. Probleme habe man relativiert oder kleingeredet, keinerlei Haftung für Inhalte übernommen, kritisierte Steinmeier. „Regulierung wurde lange zum Feind der Freiheit erklärt. Das Gegenteil ist der Fall: Damit Freiheit und Demokratie gewahrt bleiben, braucht es Regeln.“

Die Vizepräsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, betonte, das Problem werde in vielen Staaten Europas diskutiert. Es gebe das Gefühl, „dass wir die Kontrolle zurückgewinnen müssen“. Da es ein globales Phänomen sei, brauche man einen gemeinsamen europäischen Ansatz und keinen „Flickenteppich“. „Das würde es uns ermöglichen, Druck auszuüben für die Verabschiedung eines globalen Standards. Ich denke, dass wir hier zusammen mit den Amerikanern eine Führungsrolle einnehmen, ein Bündnis der Demokratien schaffen könnten.“

Allerdings dürfe Europa nicht auf die USA warten. „Es ist sehr wichtig, dass wir in Europa jetzt voranschreiten, dass wir Druck machen“, sagte Vestager. Steinmeier ging davon aus, dass dieses Regulierungsvorhaben „sicherlich ein wichtiger Bestandteil bei der Neuaufstellung der transatlantischen Beziehungen sein wird“.

Der Bundespräsident stellte klar: „Wenn es um die Sache der Demokratie geht, ist die digitale Revolution beides – Fluch und Segen, Chance und Gefahr.“ Er verwies auf die digital befeuerten Angriffe gegen die Demokratie rund um die US-Wahlen auf der einen Seite und die digital vernetzten Demonstrationen für die Demokratie in Russland und Belarus auf der anderen Seite.

Den direktesten Zugang zu den Menschen hätten heute die sozialen Medien. Deren werbefinanziertes Geschäftsmodell verlange Aufmerksamkeit um fast jeden Preis. Und nichts binde Menschen offenbar so an ihre Geräte wie Erregung und Empörung, Angst und Wut, sagte der Bundespräsident. Dies nutzten die Algorithmen aus - auch dann, wenn es um Politik und das öffentliche Wohl gehe. „Wenig gelten dabei die Werte, auf denen unsere Demokratien gebaut sind: Respekt, Wahrheit und Zivilität, Vernunft, Fakten und Verantwortungsgefühl.“

„Die sozialen Medien prämieren viel zu oft die schnelle Lüge – auf Kosten von Vernunft und Wahrheit. Das Geschäft mit der Aufmerksamkeit wird zur Gefahr für die Demokratie“, warnte Steinmeier. „Und die Feinde der Demokratie nutzen diese Schwachstellen leider am besten.“ Mit Lug und Trug befeuerten sie die „Aufmerksamkeitsmaschinen der sozialen Medien“ gekonnt zum eigenen Vorteil. Und am Ende besetzen Aufständische das Kapitol.“

Die Manipulation unserer Aufmerksamkeit bediene gut bekannte psychologische Schwachstellen des Menschen, sagte Steinmeier. „Hier versagt ein Markt, der von wenigen Anbietern dominiert wird. Er schafft ein gesellschaftliches Übel, indem er unsere schlechtesten Instinkte bedient. Wir kennen die aufgeklärte Antwort auf solche Übel – nämlich Rechtsstaat, Regeln und Institutionen.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik US-Zölle als Wirtschaftskrieg: Trump zielt auf Europas Wohlstand
15.07.2025

Mit 30-Prozent-Zöllen will Donald Trump die europäische Wirtschaft in die Knie zwingen – und trifft damit ausgerechnet die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas seltene Chance: Schwedisches Metallvorkommen soll Abhängigkeit von China brechen
15.07.2025

In Schwedens Norden liegt Europas größte Hoffnung auf Rohstoffsouveränität. Doch der Fund der Seltenen Erden birgt Zielkonflikte,...

DWN
Immobilien
Immobilien Grunderwerbsteuer sparen: So zahlen Käufer weniger beim Immobilienkauf
15.07.2025

Der Kauf einer Immobilie wird schnell teurer als geplant – oft durch hohe Nebenkosten. Besonders die Grunderwerbsteuer kann kräftig...

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Zuckerberg kündigt Mega-Rechenzentren an
15.07.2025

Mark Zuckerberg treibt den KI-Wettlauf in eine neue Dimension. Der Meta-Chef kündigt gigantische Rechenzentren an und will dabei selbst...

DWN
Politik
Politik Jetzt unterstützt Trump die Ukraine: Ist das die Wende?
15.07.2025

Donald Trump vollzieht die Wende: Plötzlich verspricht er der Ukraine modernste Waffen – auf Europas Kosten. Russland droht er mit...

DWN
Panorama
Panorama Deutsche fahren wieder mehr Auto
15.07.2025

Deutschland erlebt eine Kehrtwende beim Autofahren: Nach Jahren des Rückgangs steigen die gefahrenen Kilometer wieder – obwohl einzelne...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldverbot 2025: Panikmache oder reale Gefahr für Ihr Gold?
15.07.2025

Mehrere Goldhändler warnen vor einem staatlichen Zugriff auf Barren und Krügerrands – Millionen Anleger fürchten um ihre Ersparnisse....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Trumps Zölle sollen bleiben – weil er sie als Erfolg verbucht
15.07.2025

Donald Trump sieht seine Zollpolitik als Erfolg – und will sie verschärfen. Was der transatlantische Handelskrieg für Europa,...