Wirtschaft

Die neue Völkerwanderung: Amerikaner verlassen in Scharen die Großstädte, um aufs Land zu ziehen

In den USA findet seit einiger Zeit eine starke Binnenwanderung statt. Viele Bürger verlassen die Städte, um in ländlichere Regionen zu ziehen.
08.03.2021 16:35
Lesezeit: 3 min

In den Vereinigten Staaten haben seit dem vergangenen Jahr hunderttausende Bürger die großen Städte verlassen. Vom „Auszug in Scharen“, wie CNBC berichtet, profitieren demnach insbesondere ländliche Regionen oder das Umland größerer Städte.

Die Gründe für die neue Mobilität der Amerikaner sind mannigfaltig, Beobachter verweisen aber dezidiert auf die Schockwellen, die seit Anfang des Vorjahres von der Corona-Pandemie ausgehen. Demnach suchen Menschen mehr Platz für sich und ihre Familie, quartieren Großeltern aus den besonders gefährdeten Alters- und Pflegeheimen zu Hause ein, sorgen sich um Ansteckungen in den dicht besiedelten Städten und wünschen sich generell einen schnelleren Zugang zu Natur.

Hinzu kommt, dass viele Berufstätige seit Ausbruch der Krise von zu Hause aus arbeiten können. Die tieferen Grundstücks- und Immobilienpreise im ländlichen Raum ermöglichen es, in deutlich größeren Wohnungen oder Häusern als in der Stadt zu leben – ohne den Beruf wegen des Wegzuges aufgeben zu müssen.

Der Süden profitiert von der Wanderlust

In geografischer Hinsicht sind es vor allem Bundesstatten im Süden und Südwesten das Landes, die einen verstärkten Zuzug aus anderen Großregionen registrieren. Die südlichen Staaten hatten generell eine weniger strikte Corona-Politik verfolgt als andere Bundesstaaten und den Bürgern mehr Freiheiten gelassen, was sich nun auszuzahlen scheint.

Einer Untersuchung des Immobiliendienstes Redfin zufolge gehört das Umland um die Städte Austin (Texas), Sacramento (Kalifornien), Las Vegas (Nevada), Phoenix (Arizona) und Atlanta (Georgia), Dallas (Texas), Nashville (Tennessee), Tampa (Florida), Miami (Florida) und Cape Coral (Florida) zu den Destinationen mit dem stärksten Zustrom.

Die höchsten Einwohnerverluste zu verzeichnen hatten hingegen New York, San Francisco (Kalifornien), Los Angeles (Kalifornien), Washington DC, Chicago (Illinois), Denver (Colorado), Seattle (Washington), Milwaukee (Wisconsin), San Diego (Kalifornien) und Indianapolis (Indiana).

CNBC zitiert eine junge Frau, die kürzlich von Colorado nach Florida gezogen ist: „Ich habe es in Colorado nicht mehr ausgehalten. Der Gouverneur dort meint es nicht gut mit kleinen und mittelständischen Unternehmen und Menschen, die in Colorado geboren worden sind und dort aufwuchsen.“ Florida verfüge über ein angenehmeres Klima als Colorado, zudem genieße sie das „einfachere Leben“. In Florida „sind die Menschen glücklich und können das tun, was sie für richtig halten – und sich verteidigen.“ Ein weiterer Vorteil sei, dass sie in Florida keine Gesichtsmaske beim Arbeiten tragen müsse.

Auch Unternehmen sind auf Wanderschaft

Bemerkenswert ist, dass in den vergangenen Monaten auch immer mehr Unternehmen ihren Firmensitz verlegt haben. Wie die Deutschen Wirtschaftsnachrichten berichteten, sind insbesondere Technologie-Unternehmen aus Kalifornien nach Texas, Florida und in andere Südstaaten umgezogen, weil dort deutlich geringere Steuern bezahlt werden müssen.

Vor Kurzem hatte sogar die Vorsitzende der New Yorker Börse in einem Meinungsartikel im Wall Street Journal mit dem Gedanken gespielt, den Sitz der Gruppe von New York nach Florida zu verschieben.

Wie Fox4 berichtet, hatten in den vergangenen Monaten zudem große Wallstreet-Häuser wie Goldman Sachs, Citibank, und Morgan Stanley sowie ausländische Großbanken wie Barclays, UBS oder Credit Suisse Teile ihres Geschäftes aus New York abgezogen. Wie Forbes berichtet, zieht es Goldman Sachs teilweise nach Florida. Bloomberg berichtet, dass die Citibank die Anzahl der in ihren New Yorker Büros arbeitenden Angestellten erneut deutlich reduziert hat.

Kriminalität und Rezession

Ein weiterer wichtiger Treiber der Entwicklung ist die Verschlechterung der sozialen Verhältnisse in vielen der von der Pandemie hart getroffenen Großstädte.

Zum einen fallen aufgrund von verordneten Geschäftsschließungen, Ausgangssperren und Kontaktbeschränkungen viele jener Vorteile weg, über die Städte gegenüber dem Land in normalen Zeiten verfügen – beispielhaft seien nur das Kulturleben, die Gastronomie, das Nachtleben und sportliche Großveranstaltungen erwähnt.

Zum anderen hat der deutliche Anstieg der Arbeitslosigkeit und die Rezession das gesellschaftliche Klima in Ballungszentren wie New York, Chicago, Detroit oder San Francisco schwer belastet. Die seit Jahren weit verbreitete Obdachlosigkeit in den USA verbindet sich mit Armut, Kriminalität und einer seit einigen Jahren grassierenden Medikamentensucht.

Auch im laufenden Jahr dürfte sich die Binnenmigration weiter verstärken. Das Portal Neighbor berichtete vor einiger Zeit unter Berufung auf eine Umfrage, dass 2021 rund 20 Prozent mehr Amerikaner einen Umzug planen als 2020.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Waffenruhe Ukrainekrieg: Bringt der Tod von Papst Franziskus Frieden?
26.04.2025

Historisches Treffen bietet Chance für Durchbruch bei Friedensverhandlungen: Neben dem US-Präsidenten hat sich auch Frankreichs...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Reichster Ostdeutscher: Wie ein Unternehmer einen kleinen DDR-Betrieb zum globalen Player macht
26.04.2025

Rekord-Umsatz trotz Krisen: Der Umsatz von ORAFOL betrug im Jahr 2024 betrug 883 Millionen Euro – ein Rekordjahr trotz Wirtschaftskrise....

DWN
Technologie
Technologie Mit KI zum Durchbruch: Wie die Wellenkraft zur nächsten Energie-Revolution werden soll
26.04.2025

Europa steht vor der nächsten Energie-Revolution: Mit Hilfe künstlicher Intelligenz könnte die bislang unterschätzte Wellenkraft zur...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Mobiles Geld: Afrika revolutioniert die Finanzwelt – und überholt den Westen
26.04.2025

Während Europa und die USA noch über die Zukunft digitaler Bezahlsysteme diskutieren, hat Afrika längst Fakten geschaffen. Der Kontinent...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Habecks katastrophale Wirtschaftsbilanz: Wirtschaft stagniert langfristig - drittes Jahr in Folge kein Wachstum
26.04.2025

Ein drittes Jahr ohne Wachstum, eine düstere Prognose und ein scheidender Wirtschaftsminister, der für das desaströse Ergebnis...

DWN
Panorama
Panorama Können Tierversuche durch neue Technologien ersetzt werden?
26.04.2025

Mehr als eine Million Mäuse, Fische, Kaninchen oder auch Affen werden jedes Jahr in Versuchen eingesetzt. Ob es um Medikamente gegen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Datenstrategie 2025: Warum KI-Erfolg in Unternehmen ein neues Mindset braucht
26.04.2025

Viele KMU lassen bei Daten und KI ihr Innovationspotenzial ungenutzt. Wiebke Reuter, Fachanwältin für Informations- und Technologierecht...

DWN
Politik
Politik PIMS-Syndrom bei Kindern: Corona-Folgeschäden - Grund für schwere Entzündungen entdeckt
26.04.2025

Lockdowns und Impfungen führten nicht nur zu psychischen Erkrankungen bei Kindern: Einige leiden seit der Corona-Infektion an heftigen...