Vor dem Hintergrund der Spannungen mit den USA wollen China und Russland ihre strategische Kooperation stärken. Chinas Außenminister Wang Yi und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow kamen am Montag zu Gesprächen in dem südchinesischen Touristenort Guilin in der Region Guangxi zusammen. Im Mittelpunkt standen nach russischen Angaben ihr schwieriges Verhältnis mit den USA, die Lage in Afghanistan und Myanmar sowie der Atomdeal mit dem Iran.
Lawrow fordert Abkehr vom Dollar
Angesichts der zunehmenden US-Sanktionen sowohl gegen Russland als auch gegen China sprach sich der russische Außenminister bei dem Treffen dafür aus, sich von westlichen Zahlungssystemen wie Swift zu verabschieden und technisch unabhängiger zu werden. Auch der US-Dollar solle als Zahlungsmittel zugunsten nationaler oder alternativer Währungen abgelöst werden, meinte er in einem vom Ministerium in Moskau veröffentlichten Interview mit chinesischen Medien.
„Das von Sanktionen ausgehende Risiko sollte reduziert werden, indem die Unabhängigkeit der Wissenschaft und der technologischen Industrie gestärkt wird und indem die Abwicklung des Handels in lokalen und anderen internationalen Währungen, welche den Dollar ersetzten können, gefördert wird, um letztendlich schrittweise aus dem vom Westen kontrollierten Zahlungssystem auszusteigen“, zitiert die South China Morning Post Lawrow.
Der Russe kritisierte die Anwendung von Sanktionen, die zunehmend an die Stelle der Diplomatie treten würden. "Wir sollten eine maximal breite Koalition der Länder bilden, die sich grundsätzlich gegen diese ungesetzliche Praxis stemmen können." Tatsächlich lassen die beiden Länder ihren Ankündigungen seit einiger Zeit schon Taten folgen. So verliert der US-Dollar im chinesisch-russischen Handel seit Jahren an Bedeutung - eine Entwicklung, von der insbesondere der Euro profitieren kann.
Die zweitägige Begegnung findet nur wenige Tage nach einem konfliktreichen Treffen zwischen Wang Yi und anderer chinesischer Top-Diplomaten mit dem neuen US-Außenminister Antony Blinken im US-Bundesstaat Alaska statt. "In der gegenwärtigen Situation ist es wichtig für uns, als umfassende strategische Partner miteinander zu sprechen und unsere strategische Interaktion zu stärken", sagte Wang Yi nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur Tass.
Außenamtssprecherin Hua Chunying sagte vor der Presse in Peking, China und Russland seien "enge Partner", die "Schulter an Schulter" stehen und auf verschiedenen Ebenen Austausch pflegten. Die Entwicklung der Beziehungen ziele nicht auf Drittstaaten ab. In einem Seitenhieb auf die USA, die unter Präsident Joe Biden wieder ihre Allianzen mit Verbündeten pflegen, sagte die Sprecherin: "Wir verhalten uns nicht wie andere Länder, die sich gegen andere zusammenrotten."
Die Gespräche zwischen Russland und China finden in einer Zeit verstärkter Spannungen mit der US-Regierung, aber auch mit Großbritannien und der EU statt. Seit einigen Jahren verhängen die US-Regierungen Sanktionen gegen chinesische Unternehmen aus dem Technologiebereich und gegen chinesische Beamte, russische Unternehmen und Politiker sowie gegen europäische Firmen, die sich am Pipelineprojekt Nord Stream 2 beteiligen, welches Erdgas von Russland in die EU bringen soll. Zuletzt nannte US-Präsident Joe Biden den russischen Präsidenten Wladimir Putin vergangene Woche einen "Mörder".
Allianz wird seit Jahren ausgebaut
Das russisch-chinesische Bündnis wird seit Jahren ausgebaut, insbesondere nachdem die Ukraine-Krise im Jahr 2014 tiefe Gräben zwischen den USA und der EU einerseits und Russland andererseits aufgerissen hatte. Schon im Jahr 2014 schlossen beide Länder einen bedeutenden Gas-Vertrag, darüber hinaus wurde eine gemeinsame Ratingagentur gegründet und ein gemeinsames Manöver der Streitkräfte abgehalten, welchem in den Folgejahren noch weitere folgen sollten. Im Jahr 2015 wurde die Kooperation im Bereich der Raumfahrt und der Atomkraft intensiviert. Es folgten ein Abkommen der Zentralbanken zu Devisentransaktionen und Finanzgeschäfte und bedeutende Lieferungen russischen Weizens an China bevor Ende 2019 mit der Pipeline "Kraft Sibiriens" eine weitere bedeutende Infrastruktur auf dem Energiemarkt beide Staaten verband.
Symbolische Sanktionen gegen China
Die EU indes hat erstmals seit mehr als 30 Jahren wieder - vornehmlich symbolische - Sanktionen gegen China verhängt. Die Außenminister der 27 Mitgliedstaaten beschlossen am Montag in Brüssel Strafmaßnahmen gegen vier verantwortliche Beamte und eine Firma wegen der angeblichen Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Region Xinjiang. Als Reaktion kündigte die Regierung in Peking umgehend Gegensanktionen an. Aus Deutschland sollen sie den Grünen-Europaabgeordneten und China-Experten Reinhard Bütikofer, den CDU-Europaabgeordnete Michael Gahler sowie den Uiguren-Forscher Adrian Zenz und das renommierte Mercator-Institut für China-Studien (Merics) treffen.
Das Außenministerium in Peking warf ihnen am Montag vor, "Chinas Souveränität und Interessen schwer zu schaden und bösartig Lügen und Desinformationen zu streuen". Den genannten Personen und ihren Familien werde es verboten, nach China, Hongkong und Macao zu reisen. Ihnen und Unternehmen oder Institutionen, die mit ihnen in Verbindungen stünden, werde ferner untersagt, Geschäfte in China zu machen.
Die EU-Sanktionen sehen vor, dass sämtliche Vermögenswerte der betroffenen natürlichen oder juristischen Personen eingefroren werden. Außerdem dürfen ihnen kein Geld oder wirtschaftliche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Die Einreise in die EU ist ihnen nun ebenfalls verboten. Zu den vier betroffenen Chinesen zählen laut dem aktuellen EU-Amtsblatt der Direktor des Büros für öffentliche Sicherheit von Xinjiang, Chen Mingguo, sowie Vertreter des Parteikomitees des Uigurischen Autonomen Gebiets Xinjiang. Zudem wurde das Büro für öffentliche Sicherheit als Institution in die EU-Sanktionsliste aufgenommen.
Alle Betroffenen sind nach Auffassung der EU für die angebliche massenhafte willkürliche Internierung und erniedrigende Behandlung von Uiguren und Angehörigen anderer muslimischer ethnischer Minderheiten sowie systematische Verstöße gegen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit dieser Menschen verantwortlich. Die Menschenrechtsverletzungen seien im Zuge eines "großangelegten Überwachungs-, Internierungs- und Indoktrinationsprogramms" gegen muslimische ethnische Minderheiten erfolgt, heißt es im EU-Amtsblatt. Der chinesischen Regierung zufolge handelt es sich bei den Einrichtungen in Xinjiang hingegen um Schulungszentren gegen islamistische Indoktrinierungen.
Der chinesische EU-Botschafter Zhang Ming hatte die EU-Sanktionspläne bereits in der vergangenen Woche scharf kritisiert. "Sanktionen sind konfrontativ", ließ er mitteilen. Sein Land wolle Dialog, werde aber nicht klein beigeben, wenn andere auf Konfrontation bestehen sollten. Am Montag hieß es aus Peking, man dränge die EU, die Ernsthaftigkeit ihres Fehlers klar zu erkennen und ihn wieder gut zu machen. Die EU-Sanktionen seien eine "schwere Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten". Sie basierten "auf nichts anderem als Lügen und Desinformationen, verzerren und missachten Fakten". Sollte die EU nicht davon absehen, "weiter den falschen Weg zu gehen", werde China entschlossen weitere Gegenmaßnahmen ergreifen.