Politik

Grüne versichern: Niemand hat die Absicht, eine Ökodiktatur einzurichten

Die Grünen versichern, dass niemand die Absicht habe, eine Ökodiktatur einzurichten. Doch zuvor hatten ausgerechnet Analysten der Deutschen Bank vor einer derartigen Gefahr im Rahmen des Green Deals gewarnt.
27.03.2021 17:18
Aktualisiert: 27.03.2021 17:18
Lesezeit: 3 min
Grüne versichern: Niemand hat die Absicht, eine Ökodiktatur einzurichten
11.11.2018, Sachsen, Leipzig: Delegierte auf der 43. Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis 90/Die Grünen in Leipzig halten Schilder mit dem Emblem der Europäischen Union und dem Logo der Partei nach oben. (Foto: dpa) Foto: Hendrik Schmidt

Der Journalist Ansgar Graw schreibt in seinem Buch „Die Grünen an der Macht: Eine kritische Bilanz“ (Seite 118 ff.): „Niemand hat die Absicht, eine Ökodiktatur einzurichten! Das versichert Ralf Fücks, einst Grünen-Vorsitzender und heute Chef der von ihm und seiner Frau Marieluise Beck gegründeten Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne. Er halte das ,für einen kompletten Irrweg‘, sagt der auf Modernisierung und Innovationen setzende Fücks nach einer Interview-Unterstellung von taz-Autor Peter Unfried, ,der alte Traum mancher Ökolinker‘ sei ja ,die Ökodiktatur‘ Niemand? ,Ökodiktatur? Ja bitte!‘ titelte im Januar 2019 die linke Wochenzeitung Freitag. Und lockte in der Unterzeile: ,Tempolimit, Flugverbot, Kohleausstieg: Hartes Eingreifen rettet den Planeten‘ (…) von Hans-Joachim Schellnhuber, bis 2018 Direktor des von ihm gegründeten Potsdam-Instituts für Klimaforschung und in dieser Zeit wichtigster Klimaberater von Kanzlerin Angela Merkel, stammt der Vorschlag, das Parlament um einen nicht demokratisch gewählten Zukunftsrat zu ergänzen. ,Eine Idee wäre, dass man im Parlament eine bestimmte Anzahl von Sitzen vorhält für Menschen als Anwälte künftiger Generationen. Die hätten dann möglicherweise ein Vetorecht bei Gesetzen, die in nachweisbarer Weise Rechte und Chancen unserer Nachkommen betreffen würden‘, so Schellnhubers Vorschlag. Der Wissenschaftler hat sicher keine Ökodiktatur im Sinne. Aber die Umsetzung seiner Idee würde eine graduelle Aushebelung der parlamentarischen Demokratie bedeuten. Diese ,Anwälte‘ gingen schließlich nicht aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervor, sondern müssten nach bestimmten Kriterien vorausgewählt, mithin positiv diskriminiert werden. Bernhard Gesang, Professor für Philosophie und Wirtschaftsethik an der Universität Mannheim, hat in einem sehr ähnlichen Vorschlag angeregt, ,Anwälte der Zukunftsinteressen schon jetzt mit einem Stimmrecht auszustatten und ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten in den Entscheidungsgremien zu geben‘. Und weiter: ,Solch ein Rat sollte sich aus von Nichtregierungsorganisationen und Forschungsinstituten nominierten Kandidaten zusammensetzen und direkt von den Bürgern oder vom Parlament gewählt werden‘.“

Gesang zufolge sollten diese Vertreter ein „parlamentarisches Rede- und möglicherweise ein aufschiebendes oder vollständiges Vetorecht“ haben.

Diverse Medien greifen die Problematik bereits auf. Auf „RTL.de“ wird gefragt: „Brauchen wir in der Klimakrise eine Ökodiktatur?“

Heise.de“ fragt: „Auf dem Weg in die Ökodiktatur?“

Der „Klimareporter“ hatte zuvor getitelt: „Freiheit oder Ökodiktatur?“

„Buch über Rückzug des Rechtsstaats – Ex-Verfassungsrichter warnt vor ,Ökodiktatur‘“, titelt „topagrar“.

Mittlerweile sind auch Analysten der Deutschen Bank hellhörig geworden. Die Akademie Bergstraße wörtlich: „Nun ist es ausgerechnet ein Volkswirt der Deutsche Bank Research, Eric Heymann, der moniert, dass es keine ,ehrliche Debatte‘ über den europäischen Grünen Deal und das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gibt. Wenn die EU-Kommission behaupte, niemand solle auf dem Weg zur Klimaneutralität auf der Strecke bleiben, so gleiche dies ,einer Quadratur des Kreises‘. Heymann skizziert eine Megakrise, die alles Bisherige in den Schatten stellt und zu ,spürbaren Wohlfahrts- und Arbeitsplatzverlusten‘ führen würde. Nüchtern stellt er zudem fest: ,Ohne ein gewisses Maß an Ökodiktatur wird es nicht gehen‘. Der Analyst fordert dazu auf, nicht nur abstrakt über Klimaschutz zu sprechen, sondern vielmehr die Konsequenzen ganz konkret durchzudeklinieren, beispielsweise den Gebäudebereich. Letztlich gehe es auch um ,Wahlfreiheiten und Eigentumsrechte‘.“

Heymann weiter: „Alternativ oder als Ergänzung bräuchte man kräftige ordnungspolitische Eingriffe. Ich weiß, Ökodiktatur ist ein böses Wort. Aber wir müssen uns wohl oder übel fragen, welches Maß an Ökodiktatur (Ordnungsrecht) wir für akzeptabel halten, um uns dem Ziel der Klimaneutralität zu nähern.“

Für den Analysten bedeutet eine strenge Klimapolitik praktisch zwangsläufig: „Ohne ein gewisses Maß an Ökodiktatur wird es nicht gehen“. Eine ganz praktische Frage illustriere das, so Heymann: „Was machen wir, wenn Hauseigentümer ihre Häuser nicht in Nullemissionshäuser umwandeln wollen oder sie dafür die finanziellen Mittel nicht haben oder wenn dies technisch nicht möglich ist oder wenn sich das für den Eigentümer nicht rechnet?“

Dass es im Verlauf der Erreichung der sogenannten „Klimaziele“ heiß her gehen wird, erschließt sich aus den Worten des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Lauterbach hatte kürzlich auf „Phoenix“ gesagt: „Ich würde es noch nicht mal für ausgeschlossen halten, dass wir in der Klimakrise in eine Situation kommen, wo wir tatsächlich das ein oder andere verbieten“. Damit machte Lauterbach deutlich, dass in der kommenden Zeit das gewohnte Leben sich nachhaltig verändern wird, was wiederum mit der Aussage des WEF-Gründers Klaus Schwab harmoniert, wonach nach der Pandemie nichts mehr so sein wird wie vorher. „Viele von uns überlegen, wann sich die Dinge wieder normalisieren werden. Die kurze Antwort lautet: Niemals. Nichts wird jemals zu dem ‘gebrochenen’ Gefühl der Normalität zurückkehren, das vor der Krise herrschte, weil die Coronavirus-Pandemie einen grundlegenden Wendepunkt in unserer globalen Entwicklung darstellt“, schreiben Schwab und Thierry Malleret nach Angaben von CNBC in ihrem Buch „Covid-19: The Great Reset“.

Lauterbach hatte im Dezember 2020 in einem Beitrag der Zeitung „Die Welt“ angekündigt: „Für mich bleibt der Eindruck, dass es uns in Deutschland und auch in Europa, geschweige denn in den Vereinigten Staaten, ohne die Entwicklung eines Impfstoffes nicht gelungen wäre, diese Pandemie zu besiegen. Eine Impfung gegen CO2 wird es allerdings niemals geben. Somit benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind. Ob das erreichbar ist, wage ich zunehmend zu bezweifeln.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Zinssenkung: Drückt Fed-Chef Powell den Notrufknopf?
21.04.2025

Das Risiko, dass im Finanzsystem etwas ausbrennt, wächst zunehmend. Sollte dies eintreten, könnte die US-Notenbank gezwungen sein, eine...

DWN
Panorama
Panorama Vererbter Reichtum: Der jüngste Milliardär der Welt ist ein 19-jähriger Deutscher
21.04.2025

In der Regel dauert es viele Jahre, oft Jahrzehnte, bis Menschen ein Milliardenvermögen aufbauen – meist durch harte Arbeit,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Personalbeschaffung: So erkennen Sie Lügen im Vorstellungsgespräch
21.04.2025

Fast jeder vierte Bewerber schummelt im Lebenslauf oder beim Vorstellungsgespräch – die Dunkelziffer könnte noch höher sein....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU investiert Milliarden in eigene KI-Gigafabriken: Brüssel will Abhängigkeit von US-Datenmonopolen beenden
21.04.2025

Die Europäische Kommission plant eine industriepolitische Offensive von historischer Dimension: Mit bis zu 20 Milliarden Euro sollen...

DWN
Politik
Politik Tech-Milliardäre planen libertäre Parallelstadt – und haben Grönland im Visier
21.04.2025

US-Tech-Milliardäre planen eine eigene Stadt – mit Grönland als möglichem Standort. Hinter dem Projekt stehen Namen wie Peter Thiel...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lohntransparenz: geheimes Gehalt - das letzte große Tabu?
21.04.2025

Ein dänischer Berater teilt sein Gehalt auf LinkedIn – und löst eine Welle an Reaktionen aus. Warum bleibt das Thema Gehalt in Europa...

DWN
Panorama
Panorama Die bestbezahlten Bank-CEOs in Europa: Auf der Liste steht ein Deutscher
21.04.2025

Im Jahr 2024 war Sergio Ermotti, CEO von UBS, der bestbezahlte Bank-CEO Europas mit einem Gesamteinkommen von 15,6 Millionen Euro. Auf der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Ukraine-Krieg: Frieden zwischen Ukraine und Russland kann neue Aktienrallye in Europa auslösen
20.04.2025

Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas leidet in besonderem Maße unter den wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs. Hohe...