Politik

Öko-Diktatur? Der sogenannte „Bürgerrat“ für das Klima ist eine Mogelpackung

Die Politik will einen „Bürgerrat“ für das Klima einberufen. Dieser Schritt soll offenbar dazu dienen, weitere Grundrechtseingriffe im Sinne des Klimaschutzes „demokratisch“ zu rechtfertigen.
09.04.2021 11:17
Aktualisiert: 09.04.2021 11:17
Lesezeit: 3 min
Öko-Diktatur? Der sogenannte „Bürgerrat“ für das Klima ist eine Mogelpackung
Rot gekleidete Aktivisten der Klimabewegung "Extinction Rebellion" führen zum Auftakt ihrer Aktionswoche "Berlin blockieren" bei einer Blockade der Zufahrten zum Großen Stern an der Siegessäule eine Aufführung auf. (Foto: dpa) Foto: Christophe Gateau

Die dpa meldet:

„Unter der Schirmherrschaft des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler nimmt am 26. April 2021 der erste bundesweite Bürgerrat Klima seine Arbeit auf. Das teilten die Organisatoren am Mittwoch mit. Zwischen April und Juni geben im Rahmen dieses neuen Bürgerrats 160 zufällig ausgeloste Bürgerinnen und Bürger Empfehlungen für die deutsche Klimapolitik in der kommenden Legislaturperiode. Beratung erhalten sie von Wissenschaftlern.

Bis zum 23. Juni diskutiert der Bürgerrat Klima in zwölf Online-Sitzungen, wie die politischen Ziele im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen aus dem Jahr 2015 erreicht werden können. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den Sektoren Verkehr, Gebäude und Wärme, Energie und Ernährung. Ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis hatte ihn im Dezember 2020 initiiert. Die Ergebnisse will der Rat Ende Juni zusammenführen und im Herbst allen Parteien des Bundestages überreichen.

Ex-Bundespräsident Köhler betonte am Mittwoch, dass eine ,große gesellschaftliche Veränderungsbereitschaft vonnöten‘ sei, um die Klimaziele zu erreichen. Es sei wichtig, Bürger an der Suche nach Lösungen zu beteiligen und sie ernst zu nehmen, sagte Köhler.

In Deutschland tagt bereits zum dritten Mal ein bundesweiter Bürgerrat. Erst im März hatte der ,Bürgerrat Deutschlands Rolle in der Welt‘ seine Ergebnisse an den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble übergeben, im Jahr 2019 arbeitete außerdem der ,Bürgerrat Demokratie‘. Einen Bürgerrat zur Klimapolitik gibt es bereits im Ausland, etwa in Frankreich und Großbritannien. Das Projekt in Deutschland startete im Dezember 2020 mit einem Aufruf der Initiative Scientists for Future.“

Was wie ein demokratisches Projekt im Verlauf der Klima-Debatte ausschaut, dürfte im Kern dazu dienen, in einer späteren Phase die parlamentarische Demokratie langsam auszuhebeln. Der Journalist Ansgar Graw schreibt in seinem Buch „Die Grünen an der Macht: Eine kritische Bilanz“ (Seite 118 ff.): „Niemand hat die Absicht, eine Ökodiktatur einzurichten! Das versichert Ralf Fücks, einst Grünen-Vorsitzender und heute Chef der von ihm und seiner Frau Marieluise Beck gegründeten Denkfabrik Zentrum Liberale Moderne. Er halte das ,für einen kompletten Irrweg‘, sagt der auf Modernisierung und Innovationen setzende Fücks nach einer Interview-Unterstellung von taz-Autor Peter Unfried, ,der alte Traum mancher Ökolinker‘ sei ja ,die Ökodiktatur‘ Niemand? ,Ökodiktatur? Ja bitte!‘ titelte im Januar 2019 die linke Wochenzeitung Freitag. Und lockte in der Unterzeile: ,Tempolimit, Flugverbot, Kohleausstieg: Hartes Eingreifen rettet den Planeten‘ (…) von Hans-Joachim Schellnhuber, bis 2018 Direktor des von ihm gegründeten Potsdam-Instituts für Klimaforschung und in dieser Zeit wichtigster Klimaberater von Kanzlerin Angela Merkel, stammt der Vorschlag, das Parlament um einen nicht demokratisch gewählten Zukunftsrat zu ergänzen. ,Eine Idee wäre, dass man im Parlament eine bestimmte Anzahl von Sitzen vorhält für Menschen als Anwälte künftiger Generationen. Die hätten dann möglicherweise ein Vetorecht bei Gesetzen, die in nachweisbarer Weise Rechte und Chancen unserer Nachkommen betreffen würden‘, so Schellnhubers Vorschlag. Der Wissenschaftler hat sicher keine Ökodiktatur im Sinne. Aber die Umsetzung seiner Idee würde eine graduelle Aushebelung der parlamentarischen Demokratie bedeuten. Diese ,Anwälte‘ gingen schließlich nicht aus allgemeinen und gleichen Wahlen hervor, sondern müssten nach bestimmten Kriterien vorausgewählt, mithin positiv diskriminiert werden. Bernhard Gesang, Professor für Philosophie und Wirtschaftsethik an der Universität Mannheim, hat in einem sehr ähnlichen Vorschlag angeregt, ,Anwälte der Zukunftsinteressen schon jetzt mit einem Stimmrecht auszustatten und ihnen Mitwirkungsmöglichkeiten in den Entscheidungsgremien zu geben‘. Und weiter: ,Solch ein Rat sollte sich aus von Nichtregierungsorganisationen und Forschungsinstituten nominierten Kandidaten zusammensetzen und direkt von den Bürgern oder vom Parlament gewählt werden‘.“

Wenn ein sogenannter Klima-Lockdown eingeführt werden sollte, könnte dieser den Bürgern glaubwürdiger verkauft werden, wenn er von sogenannten „Bürgerräten“, die vorgeben unabhängig zu sein, unterstützt wird. Denn diese stehen zunächst nicht im Verdacht, für Klima-Lobbyisten tätig zu sein. Der Vorwurf, dass die Bürger im Rahmen des Klima-Lockdowns von der Politik bevormundet werden, würde somit obsolet werden. Übrigens: Warum ist die Politik plötzlich daran interessiert, die Bürger an der Entscheidungsfindung gemäß dem Ansatz plebiszitärer Elemente teilhaben zu lassen? Doch gegen diese Forderung verwahrt sich die Politik in allen anderen gesellschaftlichen und steuerpolitischen Fragen.

Es lohnt sich einen Blick auf das Gesamtbild der Aussagen und Entwicklungen zu werfen. Der SPD-Politiker Karl Lauterbach hatte im Dezember 2020 in einem Beitrag der Zeitung „Die Welt“ angekündigt: „Für mich bleibt der Eindruck, dass es uns in Deutschland und auch in Europa, geschweige denn in den Vereinigten Staaten, ohne die Entwicklung eines Impfstoffes nicht gelungen wäre, diese Pandemie zu besiegen. Eine Impfung gegen CO2 wird es allerdings niemals geben. Somit benötigen wir Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels, die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung sind. Ob das erreichbar ist, wage ich zunehmend zu bezweifeln.“

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