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Internet-Gigant JD.com - lohnt sich der Einstieg?

Lesezeit: 4 min
16.04.2021 10:57
DWN-Börsenexperte Andreas Kubin analysiert die Aussichten für die Aktie des chinesischen Online-Händlers JD.com.
Internet-Gigant JD.com - lohnt sich der Einstieg?
Tongzhou: Eine JD.com-Arbeiterin steht an einer automatisierten Paketsortieranlage. (Foto: dpa)
Foto: Mark Schiefelbein

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Der chinesische Internet-Händler „JD.com“ rückt immer mehr in den Fokus namhafter Investoren und liegt seit 2019 – gemessen am Umsatzvolumen – auf Platz zwei der Internethändler in China. Aufgrund der nun vorliegenden Kennzahlen zum vierten Quartal 2020 ist eine nähere Betrachtungsweise angesagt.

Erst unlängst (24. März 2021) wurde das Rating für das langfristige Fremdwährungs-Kredit-Risiko von „BBB“ auf „BBB+“ durch die namhafte US-Ratingagentur S&P angehoben. Der Ausblick wurde mit „positiv“ bestätigt.

Exakte Rating Definition: „BBB+“ bedeutet untere Mittelklasse-Anlage mit der Charakteristik einer durchschnittlich guten Anlage. Bei Verschlechterung der Gesamtwirtschaft ist aber mit Problemen zu rechnen – immerhin steht „BBB+“ sieben Stufen unter dem „Triple A“ (AAA).

Bisherige mittelfristige Kursentwicklung: Aktiennotiz vom 15.April 2021: 65,0 Euro, Börse „Tradegate“. Höchststand 87,4 Euro (Schlusskurs, 7. Kalenderwoche 2021). Jahresbeginn 2019 bei rund 19,5 Euro. Der Sars-Covid2-Crash im letzten Jahr hatte keine nennenswerten negativen Kursauswirkungen! Zehnjahres-Tief bei rund 20 Euro. Aktuell befindet sich der Kurs unter Druck, Tendenz fallend.

Mit einem geschätzten Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2021 mit 52,0 auf MarketScreener.com gilt das Unternehmen doch als relativ hoch bewertet (Abfragestand von 15. April 2021). Da muss in Zukunft einiges „aufgehen“ am geplanten Geschäftsmodell!

Ein Vergleich der zehn größten chinesischen Händler in China versus der zehn größten amerikanischen:

Kennzahlen und Charakteristik von JD.com:

Erst vor kurzem hat der US-Suchmaschinengigant Google angekündigt, 550 Millionen Dollar in JD.com investieren zu wollen. Im Gegenzug erhält Google mehr als 27 Millionen neue JD.com Klasse A Aktien.

Warum setzt Google so sehr auf JD.com?



Ursprünglich unter 360buy.com firmierend, wurde der Firmenname im Jahr 2013 in JD.com geändert. Inzwischen betreibt das Unternehmen mit „JD Logistics“ auch seine eigene Logistikgruppe.

Alphabet mit seiner Tochter Google steht zunehmend in Konkurrenzkampf mit Amazon.com. Da zahlreiche Konsumenten ihre Produktsuche direkt auf Amazon.com starten, gehen diese Produktanfragen an Google vorbei, und Google entgeht somit die Möglichkeit, diese Produktanfragen mittels Werbung zu Geld machen zu können.

Künftig soll ein Teil des Produktangebots von JD.com via Google-Shopping (Preisvergleichssuche von Google) verfügbar sein. Google kann somit vom wachsenden Online-Handel profitieren, ohne selbst Produkte ausliefern zu müssen – das übernähme weiterhin JD.com.

Die Lebensmittelzeitung berichtet: In Peking betreibt der chinesische Onlinehandelsriese JD.com zwei Supermärkte unter dem Banner „7 Fresh“. Einer der beiden Standorte liegt direkt am Unternehmenssitz des Konzerns. JD.com ist der zweitgrößte E-Commerce-Händler Chinas und will nun auch im stationären Handel über "smarte Supermärkte" Fuß fassen. Online-Rivale Alibaba ist bereits mit 46 Filialen seines stationären Formats "Hema Fresh" auf Expansionskurs.

7. Sept. 2017: Die Online Plattform „Tech in Asia“ berichtete vom ersten vollautomatischen Sortierzentrum, das von JD.com in Betrieb genommen wurde. Roboter und Maschinen erledigen 9.000 Online-Bestellungen pro Stunde, wofür normalerweise 180 Mitarbeiter nötig wären.

Gegensätze, Pros und Kontras

„Im Gegensatz zu Alibaba nimmt JD Lagerbestände auf und führt seine eigenen Bestellungen über ein Logistiknetzwerk aus. Das Modell von JD erwirtschaftet wesentlich niedrigere Betriebsmargen als Alibaba, gewährt dem Unternehmen jedoch eine wesentlich strengere Kontrolle über die Qualität seiner Produkte und die Geschwindigkeit seiner Lieferungen“ (2. September 2020: Fool.de).

Was noch negativ ins Auge sticht, sind die relativ hohen Umsatzkosten beziehungsweise der erfolgswirksame Aufwand in Q4/2020 von 193 Milliarden Renminbi (RMB) bei einem Netto-Umsatz (Umsatz minus Steuern und Nachlässe) von 224 Milliarden Renminbi. Das entspricht 86,1 Prozent. Wichtig für das Unternehmen wird in Zukunft sein, die Umsatzkosten zu drücken, damit die operative Marge steigt.

Schwach ausgefallen ist die operative Marge mit nur 0,5 Prozent (kurz erklärt, ist die operative Marge der prozentuale Anteil des operativen Gewinns am Umsatz). In der Regel ist der operative Gewinn das EBIT gemeint (EBIT = Betriebsergebnis; also Gewinn nach Abschreibungen aber vor Zinsen beziehungsweise Finanzergebnis und Steuern).

Positiv wiederum ist der hohe generierte freie Cash Flow von 34,9 Milliarden RMB, welcher sich auf Rekordhoch befindet.

Erklärung: Der freie Cashflow verdeutlicht, wieviel Geld für die Aktionäre eines Unternehmens tatsächlich übrig bleibt. Diese Kennzahl kann durch Bilanztricks praktisch nicht manipuliert werden.

Fazit: Die Anzahl der Kundenkonten legte in den letzten vier Quartalen jeweils zwischen vierundzwanzig und dreißig Millionen zu. Ein durchaus interessantes Handels-Unternehmen. Auf jeden Fall gilt es, die künftige Geschäftsentwicklung genau zu verfolgen. Die Strategie des Unternehmens muss auf jeden Fall auf ein niedrigeres KGV abzielen, was durch eine Verringerung des erfolgswirksamen Aufwands erreicht werden kann, sowie eine Senkung der exorbitanten Ausgaben für Marketing. Sie wissen ja: Je niedriger das KGV, desto besser für ein Unternehmen. Eines steht jedoch auch fest: Anleger müssen sich der Risiken trotz des leicht angehobenen Ratings immer bewusst sein.

Selektive Einstiegsszenarien sind bei kleineren Kursrücksetzern möglich, bevorzugt jedoch bei starken Kurseinbrüchen.

Andreas Kubin lebt in Oberösterreich, hat ein MBA mit Schwerpunkt "Finanzen" und verfügt über drei Jahrzehnte Börsen-Erfahrung. 

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