Politik

Corona-Kriminalität: Wie professionelle Betrüger weltweit an der Pandemie verdienen

Lesezeit: 3 min
23.04.2021 13:40  Aktualisiert: 23.04.2021 13:40
Überall auf der Welt versuchen professionelle Betrüger, aus der Pandemie Profit schlagen. Beispiele reichen vom Verkauf gefälschter Testbescheinigungen bis hin zu Masken aus Toilettenpapier.
Corona-Kriminalität: Wie professionelle Betrüger weltweit an der Pandemie verdienen
Eine ältere Dame nimmt in ihrer Wohnung ein Telefongespräch an. Trickbetrüger haben sich der Corona-Pandemie angepasst und nutzen die Angst der älteren Menschen aus. (Foto: dpa)

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Das Telefon klingelt. Am anderen Ende der Leitung gibt sich jemand als Verwandter des Angerufenen aus, der an Covid-19 erkrankt sei und sich die medizinische Behandlung nicht leisten könne. „Hilf mir bitte, Vetter, lass' mich nicht sterben“, fleht er. „Ich schicke jetzt gleich ein paar Herren vom Krankenhaus vorbei, denen du das Geld geben kannst.“ Vor dieser Corona-Variante des bekannten Enkeltricks hat die mexikanische Polizei gewarnt.

Sie ist nur eines der Mittel, mit denen Kriminelle in dem nordamerikanischen Land versuchen, aus Leid und Not in der Pandemie Kapital zu schlagen. Zuletzt sind in Mexiko, das nach offiziellen Zahlen weltweit die drittmeisten Covid-19-Todesfälle zu beklagen hat, Sauerstoffflaschen knapp geworden. Zugleich verzeichneten die Sicherheitskräfte eine starke Zunahme von Diebstählen der Behältnisse für medizinischen Sauerstoff. Diese werden auf dem Schwarzmarkt zu Wucherpreisen verkauft. Hunderte entsprechende Facebook-Seiten und Webseiten wurden vom Netz genommen. Ähnliche Berichte gab es aus Indien.

Auch offline floriert die Corona-Kriminalität in Mexiko: Vor einigen Monaten wurden etwa 14 Krankenpfleger - die in die besonders von der Pandemie betroffene Hauptstadt gekommen waren, um zu helfen - in ihren Hotels festgehalten und Lösegeld von ihren Angehörigen gefordert. Betrüger nutzen zudem die Nachfrage nach Desinfektionsgels. So viele der in Mexiko kursierenden Handgels sind entweder giftig oder unbrauchbar, dass die USA Ende Januar den Import solcher Gels aus dem Nachbarland einschränkten.

Und auch die in Mexiko an Heiligabend begonnene Impfkampagne hat Betrüger auf den Plan gerufen: Sie boten angeblichen Impfstoff feil. Die staatliche Kommission zum Schutz vor Gesundheitsrisiken musste mehrmals mitteilen, dass bislang keine Privatfirma die Genehmigung habe, einen Impfstoff zu verkaufen.

Auch auf Testbescheinigungen ist nicht unbedingt Verlass: Mexiko hat als eines von wenigen Ländern seine Grenzen nicht geschlossen. Urlauber müssen bei der Rückkehr daheim oft negative Corona-Tests vorlegen. Kein Problem: Für 800 Peso (33 Euro) besorgt einem etwa ein Mitarbeiter eines Labors im Urlaubsort Cancún eine gefälschte Bescheinigung eines negativen Testergebnisses, wie die Zeitung „El País“ kürzlich berichtete. Solche Betrügereien hat es laut einer Europol-Mitteilung vom 1. Februar auch am Pariser Flughafen Charles de Gaulle, in Großbritannien und in Spanien gegeben.

Auf der ganzen Welt haben Kriminelle Wege gefunden, aus der Pandemie Profit zu schlagen. In Deutschland etwa sind Tausende Masken aus Krankenhäusern gestohlen worden. In Vietnam wurden die Behörden im vergangenen Jahr auf rund 5200 Online-Verkäufer aufmerksam, die nach Panikkäufen Masken und Handdesinfektionsmittel zu massiv überteuerten Preisen anboten. Die Polizei entdeckte dabei auch eine Firma, die aus Toilettenpapier Masken herstellte.

Im vergangenen August wurden zudem vier Vietnamesen festgenommen, die rund 5000 Kunden in den USA online persönliche Schutzausrüstung verkauft hatten. Nur: Die Materialien gab es gar nicht oder sie wurden nie verschickt. Die Gruppe, die mehr als 100 Webseiten betrieb, soll so mehr als eine Million US-Dollar eingenommen haben.

Auf den Philippinen organisierten Betrüger zudem Online-Aktionen, bei denen Bürger angeblich Geld für Menschen spenden konnten, die durch die Pandemie ihre Jobs verloren hatten. Dazu erfanden sie Hilfsorganisationen, die es gar nicht gab. Aufsehen erregte aber vor allem der Verkauf von heiligem Alkohol als Desinfektionsmittel und anderen angeblich gesegneten Produkten zum Schutz vor dem Virus.

Das ging so weit, dass sich die katholische Kirche in dem Inselstaat gezwungen sah, öffentlich vor den Artikeln zu warnen. „Es gibt keinen sakramentalen heiligen Alkohol, bei dessen Gebrauch wir das Kreuzzeichen machen sollen“, hieß es im Juni in einer Erklärung der Bischofskonferenz.

In Südafrika setzte eine mehrmonatige Ausgangssperre mit Alkohol- und Tabakverbot die Bevölkerung vergangenes Jahr von einem Tag auf den anderen auf Entzug. Es kam zu Plünderungen von Spirituosenläden, aber auch weit verbreitetem Schmuggel. Clevere Banden verstanden die Gunst der Stunde zu nutzen, der Schwarzmarkt florierte - auch mit Produkten dubioser Qualität und Herkunft. Der Autor Max Du Preez sprach von der größten Verbrechenswelle in Südafrikas Geschichte. Millionen Bürger hätten erstmals Gesetze gebrochen.

Während die traditionell sehr hohen Verbrechenszahlen am Kap im Lockdown um bis zu 40 Prozent einbrachen, nahm die Zahl der Berichte über Beschaffungskriminalität zu - etwa betrügerische Machenschaften mit Masken oder anderem, stark nachgefragtem Corona-Schutzmaterial. Das veranlasste Präsident Cyril Ramaphosa im August zu einer ungewohnt scharfen öffentlichen Warnung an korrupte Beamte: „Korruption während eines nationalen Desasters ist ein besonders verabscheuungswürdiges Verbrechen, und wir werden die Täter entschlossen und harsch bestrafen.“

Nicht nur in Südafrika sind es häufig Menschen in Machtpositionen, die sich bereichern - etwa in Form von Bestechung für Zugang zu Tests oder Medizin. „Covid-19 ist nicht nur eine Gesundheits- und Wirtschaftskrise - es ist auch eine Korruptionskrise“, betonte die Vorsitzende von Transparency International, Delia Ferreira Rubio.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Die Edelmetallmärkte

Wegen der unkontrollierten Staats- und Unternehmensfinanzierung durch die Zentralbanken im Schatten der Corona-Krise sind derzeitig...

DWN
Politik
Politik Tourismus-Branche: „In Hotellerie und Gastgewerbe ist noch nichts wieder in Ordnung“
26.04.2024

Die deutsche Tourismus-Branche, also Hotellerie und Gastronomie, firmiert neuerdings unter dem neuen Sammelbegriff „Gastwelt“ - auch um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Bürokratieabbau: Ministerin fordert mehr Widerstandsfähigkeit und Effizienz
26.04.2024

Rheinland-Pfalz ist ein mittelständisch geprägtes Land. Gerade kleinere Betriebe hadern mit zu viel bürokratischem Aufwand.

DWN
Politik
Politik Hybride Bedrohungen: Drohnen-Flüge und psychologische Kriegsführung
26.04.2024

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat eindringlich vor hybriden Bedrohungen in Deutschland gewarnt. Gegen den Einsatz von...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Gallup-Studie: Globale Führungsbewertung 2024 - wie Deutschland unter Großmächten abschneidet
26.04.2024

Die Gallup-Studie 2024 zeigt die Stabilität und Herausforderungen in der globalen Führungsbewertung für Länder wie USA, Deutschland,...

DWN
Politik
Politik Habeck kontert Kritiker: „Energiekrise gemeistert und Strompreise gesenkt“
26.04.2024

Nach Kritik an Atomausstieg: Habeck und Lemke bestätigen, die Energieversorgung sei gesichert und nukleare Sicherheit gewährleistet.

DWN
Technologie
Technologie Künstliche Intelligenz: Wie sich Deutschland im internationalen Rennen positioniert
26.04.2024

Die Deutsche Industrie macht Tempo bei der KI-Entwicklung. Das geht aus einer kürzlich veröffentlichten Analyse des Deutschen Patent- und...

DWN
Immobilien
Immobilien Commerzbank-Studie: Immobilienpreise könnten weiter fallen
26.04.2024

Deutsche Wohnimmobilien verlieren weiter an Wert. Die Commerzbank sieht ein Abwärtspotenzial von 5 bis 10 Prozent, abhängig von...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tarifrunde der Chemieindustrie: Gewerkschaft fordert mehr Lohn
26.04.2024

Im Tarifstreit in Ostdeutschlands Chemieindustrie fordert die Gewerkschaft IG BCE eine Lohnerhöhung von 7 Prozent. Arbeitgeber warnen vor...