Finanzen

Neuer „Bretton-Woods-Moment“: Die Währungsordnung steht vor einem historischen Umbruch

Lesezeit: 4 min
29.04.2021 17:35  Aktualisiert: 29.04.2021 17:35
Die internationale Währungsordnung wird sich von Grund auf verändern – wie ab dem Jahr 1944 nach der historischen Bretton Woods-Konferenz.
Neuer „Bretton-Woods-Moment“: Die Währungsordnung steht vor einem historischen Umbruch
Die Welt an der Schwelle zu einer neuen Epoche. (Foto: dpa)

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Die US-amerikanische Finanzministerin Janet Yellen ist der US-Zeitschrift „Fortune“ zufolge bereit, von Grund auf eine neue Weltwirtschaft aufzubauen – „eine neue, umstrukturierte Weltordnung“. Am 5. April 2021 verglich sie die künftigen Treffen des IWF im Rahmen einer Rede am „Chicago Council on Global Affairs“ mit der Bretton Woods-Konferenz von 1944. Auf der Bretton Woods-Konferenz wurde das internationale Währungssystem neu definiert, um nach dem zerstörerischen Zweiten Weltkrieg eine neue Welt- und Währungsordnung zu schaffen.

Yellen fordert insbesondere einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen, der mit den Plänen von US-Präsident Biden harmoniert, wonach der US-Körperschaftsteuersatz von 21 Prozent auf 28 Prozent anzuheben ist, um zur Finanzierung seines Infrastrukturplans in Höhe von zwei Billionen US-Dollar beizutragen. Eine globale Vereinbarung über einen Mindestsatz würde die Anreize für US-Unternehmen verringern, ihre Sitze ins Ausland zu verlagern, um niedrigere Steuern zu zahlen. Der durchschnittliche Unternehmenssatz in der G7-Gruppe liegt laut „Tax Foundation“ derzeit bei 24 Prozent. „Bei der Wettbewerbsfähigkeit geht es nicht nur darum, wie sich Unternehmen mit Hauptsitz in den USA bei globalen Fusions- und Übernahmeangeboten gegen andere Unternehmen behaupten. Es geht darum sicherzustellen, dass die Regierungen über stabile Steuersysteme verfügen, die ausreichende Einnahmen erzielen, um in wesentliche öffentliche Güter zu investieren und auf Krisen zu reagieren, und dass alle Bürger die Last der Finanzierung der Regierung gerecht teilen“, so Yellen.

Die US-Finanzministerin, die auch ein Mitglied des „Bretton Woods Committee“ ist, sagte am „Chicago Council on Global Affairs“, dass die aktuellen Herausforderungen globaler Natur seien. Deshalb werde keine Nation, die versucht, diese Probleme im Alleingang zu lösen, erfolgreich sein. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass eine globale Zusammenarbeit unerlässlich sei. Eine weitere Herausforderung betreffe den technologischen Sektor. Die Digitalisierung habe die wirtschaftliche Landschaft verändert und die Welt miteinander verbunden. „Ich werde gemeinsam mit unseren Partnern daran arbeiten, Innovationen im Bereich der digitalen Finanzen zu fördern“, so Yellen. Die Aussage über die Innovationen im Bereich der digitalen Finanzen ist besonders interessant, weil die nationalen Notenbanken allesamt dazu übergehen wollen, digitale Zentralbankwährungen (CBDC) einzuführen, um gleichzeitig dezentrale Kryptowährungen wie Bitcoin zurückzudrängen.

Somit kann festgehalten werden, dass im Rahmen eines neuen Bretton-Woods-Systems digitale Zahlungen eine herausgehobene Rolle spielen werden. Was das für das Bargeld bedeuten wird, dürfte auf der Hand liegen. Die Bargeldnutzung würde zurückgedrängt werden. Doch eine komplette Transformation des internationalen Währungssystems ließe sich nur über einen Finanzcrash durchführen.

Über einen möglichen Ernstfall auf den Finanzmärkten berichtet Ernst Wolff: „Wie aber werden Regierungen und Zentralbanken reagieren, wenn sie im Zuge der sich anbahnenden Wirtschaftskrise durch einen Finanzcrash gezwungen werden, umgehend zu handeln? Auch dafür steht bereits ein Plan bereit, der die Abschaffung des Bargeldes in Windeseile vorantreiben könnte, ohne auf ein Verbot zu setzen. Er stammt aus den Reihen des Internationalen Währungsfonds und ist im IWF-Blog vom Februar 2019 unter dem Titel „How to make negative interest rates work“ („Wie man Negativzinsen zum Laufen bringt“) veröffentlicht worden. Der Plan sieht vor, dass die Zentralbanken die vorhandene Geldmenge in zwei Parallel-Währungen – Bargeld einerseits und elektronisches Geld andererseits – unterteilen und einen Wechselkurs zwischen beiden festlegen, der das Bargeld gegenüber dem elektronischen Geld abwertet. Das käme einer Steuer auf das Bargeld gleich und würde es – möglicherweise in mehreren Schritten - so unattraktiv machen, dass die Menschen ihre Bestände rasch auflösen würden und das Bargeld schnell aus dem Verkehr gezogen werden könnte. Im Zuge eines Finanzcrashs würde man ein solches Vorgehen der Öffentlichkeit vermutlich als „Notmaßnahme zur Stabilisierung des Systems“ verkaufen. Wie es im Einzelnen mit der Bargeld-Abschaffung weitergeht, kann zurzeit niemand genau sagen. Nur eines ist sicher: Sie wird auch weiterhin mit aller Macht vorangetrieben werden, und zwar ohne, dass die breite Öffentlichkeit über die Fortschritte informiert oder gar auf dem Laufenden gehalten wird.“

Die weitgehende Abschaffung von Münzen und Scheinen würden vor allem die Armen in der Welt negativ zu spüren bekommen, berichtet Bloomberg. Profitieren dürften dagegen nur wenige Unternehmen und Individuen.

Zu den Gewinnern einer vollständigen Abschaffung des Bargelds würden Bloomberg zufolge die Besitzer und Aktionäre bestimmter Unternehmen und Institutionen gehören. Dazu zählt das Wirtschaftsmagazin auch Regierungen, weil diese jede finanzielle Transaktion überwachen und gegebenenfalls besteuern können.

Zu den Profiteuren würden auch Zentralbanken gehören, weil die allumfassende Kontrolle und Auswertung von Finanzströmen die Effizienz geldpolitischer Maßnahmen beträchtlich erhöht.

Heute stehen wir vor einem neuen Bretton Woods-Moment“, hatte IWF-Chefin Kristalina Georgieva im Juni 2020 angesichts der Pandemie und des weltweiten wirtschaftlichen Einbruchs erklärt (HIER). „Ich möchte mit einem Beispiel aus der Vergangenheit schließen. William Beveridge legte mitten im Zweiten Weltkrieg 1942 seinen berühmten Bericht vor, in dem er projizierte, wie Großbritannien das angehen sollte, was er die ,fünf riesigen Übel‘ nannte. Dieser berühmte ,Beveridge Report‘ führte nach dem Krieg zu einem besseren Land - einschließlich der Schaffung des National Health Service, der heute in Großbritannien so viele Menschenleben rettet. Zu dieser Zeit wurde auch meine Institution, der IWF, gegründet - auf der Bretton Woods-Konferenz. Jetzt ist also der Moment gekommen, um die Seite umzublättern - und alle Kraft zu nutzen, die wir haben. Im Falle des IWF verfügen wir über eine finanzielle Kapazität von einer Billion Dollar und ein enormes politisches Engagement. Das ist der Moment, um zu entscheiden, dass die Geschichte darauf als ,Great Reset‘ und nicht als ,Great Reversal‘ zurückblicken wird. Und ich möchte sagen - laut und deutlich -, dass das beste Denkmal, das wir für diejenigen errichten können, die bei der Pandemie ihr Leben verloren haben, darin besteht, eine Welt zu schaffen, die grüner, intelligenter und gerechter ist“, so Georgieva.


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