Politik

Entflechtung der Bevölkerung: Territoriale Spaltung der USA nimmt Konturen an

Lesezeit: 2 min
30.04.2021 12:12  Aktualisiert: 30.04.2021 12:12
Millionen von Amerikanern ziehen aus den demokratischen Staaten mit den harten Lockdowns in Staaten der Republikaner, wo es weitgehend keine Lockdowns gibt. In den USA vollzieht sich aktuell eine ideologische Sezession, die territoriale Konturen annimmt. Eine gefährliche Entwicklung.
Entflechtung der Bevölkerung: Territoriale Spaltung der USA nimmt Konturen an
Joe Biden, Präsident der USA, pflückt eine Pusteblume für die First Lady Jill Biden, bevor sie an Bord der Marine One im Park The Ellipse in der Nähe des Weißen Hauses gehen. (Foto: dpa)
Foto: Manuel Balce Ceneta

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  
USA  
Geopolitik  

Die Gefahr territorialer Spaltungen hängt auch immer mit demographischen Veränderungen und Wanderungsbewegungen zusammen. Seit Beginn der Lockdowns in den USA sind 8,9 Millionen Menschen aus ihren Staaten weggezogen. Einer Umzugsstudie von „United Van Lines“ zufolge gab es vor allem Wanderungsbewegungen von der Ostküste in Richtung der Südstaaten und in den Mittleren Westen. Idaho hatte die größte Zuwanderung, während New Jersey die höchsten Abwanderungsraten verzeichnete. Weitere Staaten, die massive Binnenzuwanderungsraten aufweisen, sind Oregon, South Carolina und South Dakota. Weitere Destinationen waren Tennessee, Alabama und Arkansas. Die größten Abwanderungen gab es auch aus New York, Kalifornien, Illinois und Connecticut.

Es fällt auf, dass US-Amerikaner zunehmend aus den von den Demokraten regierten Staaten in die Hochburgen der Republikaner ziehen. Dies kann nicht allein dadurch erklärt werden, dass die Menschen plötzlich zu Feinden der Demokratischen Partei mutiert sind. Die tiefe gesellschaftliche Spaltung hat ernsthafte Gründe. Die US-Amerikaner ziehen von den Ost- und Westküsten in den Mittleren Westen und in den Süden, wo in den von Republikanern dominierten Staaten nahezu überhaupt keine Lockdown-Maßnahmen vorherrschen.

In einigen „roten Staaten“ (Staaten, die von den Republikanern dominiert werden, Anm.d.Red.) sprechen die Menschen auf den Straßen scherzhaft von einer „liberalen Invasion“. Ein signifikanter Teil der US-Amerikaner ist nicht bereit, seine Freiheiten und Rechte unter dem Vorwand der Pandemie an die US-Bundesregierung und seine Gesundheitsbehörden abzutreten. Ein Großteil der US-Amerikaner wird es auch nicht zulassen, durch die Biden-Regierung „entwaffnet“ zu werden, zumal Waffen seit der Zeit der Gründervätern ein traditionelles Gut darstellen. Darin unterscheiden sich die US-Amerikaner von den Europäern.

Aus diesen Spannungsfeldern ergeben sich jene politischen Migrationsbewegungen, die die künftigen territorialen und ideologischen Konfliktlinien eines aufkommenden innenpolitischen US-Disputs aufkommen lassen. Auf der einen Seite gibt es Massen an US-Amerikanern, die sich selbst als liberal bezeichnen. Der Wertekanon dieser Massen unterscheidet sich grundlegend vom Wertekanon der Massen des Mittleren Westens und der Südstaaten („Solid South“). Die Corona-Pandemie hat im Grunde jene Spaltungen und Brüche offengelegt, die bisher totgeschwiegen wurden. Dabei sind die ethnischen und rassischen Spannungen in einigen Regionen der USA nicht wirklich das Hauptproblem. Die politisch-ideologischen Konfliktlinien sind schärfer.

Es darf auch nicht vergessen werden, dass etwa die Hälfte der US-Amerikaner Trump gewählt haben. Ein Teil dieser Anhänger fühlt sich emotional angewidert von den „Eliten der Ostküste“, wobei natürlich ideologisch unterschlagen wird, dass Trump faktisch auch ein Teil dieser Eliten ist. Doch auch von der Lebensweise der liberalen US-Amerikaner können diese Bevölkerungsteile nichts anfangen. Zudem hat der Umgang mit Trump die Kluft zwischen diesen Bevölkerungsteilen und den Eliten der Demokratischen Partei nur noch vertieft.

In den USA findet aktuell eine politisch-ideologische Entflechtung der Bevölkerung statt. Es entstehen zwei starre Bollwerke, die sich antagonistisch gegenüberstehen. Spaltende Themen sind vor allem die Lockdown-Politik und der Green Deal. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis einige US-Staaten ihre Unabhängigkeit vom Bund ausrufen. Zu hoffen ist, dass kein ernsthafter Konflikt auftritt.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Deutsch-australische Rüstungskooperation: Mehr als Boote und Panzer?
05.05.2024

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock befürwortet eine engere Rüstungskooperation zwischen Deutschland und Australien, da sie betont,...

DWN
Immobilien
Immobilien Die Grunderwerbssteuer: Was Sie unbedingt wissen sollten!
05.05.2024

Jeder, der in Deutschland ein Grundstück erwerben will, zahlt darauf Steuern. Vorne mit dabei: Die Grund- und Grunderwerbssteuer. Doch was...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Eli Lilly, Merck und Biontech: Deutschland behauptet sich als Pharma-Standort
05.05.2024

Mehr als 250.000 Beschäftigte sind in Deutschland allein in der Pharma-Industrie beschäftigt. Dass die Branche auch in naher Zukunft...

DWN
Finanzen
Finanzen Dispozinsen: Wie sie funktionieren und wie man sie vermeidet
05.05.2024

Dispozinsen können eine teure Überraschung für Bankkunden sein, die ihr Konto überziehen. Dieser Artikel erklärt, wie Dispozinsen...

DWN
Technologie
Technologie EU-China-Beziehung: Droht ein Handelskrieg um Elektroautos?
05.05.2024

Vor Xi Jinpings Besuch in Paris bekräftigt Deutschland seine Haltung im EU-China-Streit um E-Autos. Doch wie wird die EU reagieren?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Europameisterschaft 2024 am Arbeitsplatz streamen: Wie weit geht Arbeitgeber-Toleranz?
05.05.2024

Die Spiele der Europameisterschaft 2024 finden zu Zeiten statt, die nicht ideal für Arbeitnehmer sind. Einige Spiele starten bereits um 15...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Handwerksbetriebe in Not: Geschäftslage trübt sich ein
05.05.2024

Die aktuelle Lage im Handwerk bleibt düster, mit einer spürbaren Verschlechterung der Geschäftslage im ersten Quartal 2024 aufgrund...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Eine Welt ohne Europa?
04.05.2024

Der Krieg in der Ukraine und die Spannungen im Nahen Osten gefährden die Zukunftsfähigkeit der EU. Nun steht sie an einem Scheideweg:...