In Frankreich kommen aus Kreisen ehemaliger und aktiver Militärs seit mehreren Wochen beunruhigende Signale. Am 27. April 2021 teilte die Nachrichtenagentur dpa zunächst mit: „In Frankreich ist eine Debatte über einen offenen Brief von mehreren pensionierten Militärs entbrannt. Darin warnen die Generäle im Ruhestand vor einem ,Zerfall‘ Frankreichs, einem drohenden ,Bürgerkrieg‘ und letztlich einem ,Eingreifen unserer aktiven Kameraden in einer gefährlichen Mission zum Schutz unserer zivilisatorischen Werte‘. Die Unterzeichner fordern den Präsidenten und die Regierung auf, die Nation unter anderem vor dem ,Islamismus und den Horden aus den Vorstädten‘ zu verteidigen. Der Text war in der vergangenen Woche in der rechtsgerichteten Wochenzeitung ,Valeurs Actuelles‘ erschienen. Während die Regierung und Linke den Text verurteilen, bekommen die Militärs von rechter Seite Unterstützung.“
Der Brief lässt tief blicken. Zunächst ist festzuhalten, dass weite Teile des französischen Militärs sehr unzufrieden sind mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die Nutzung der Wortkombination „Horden aus den Vorstädten“ liefert einen Hinweis darauf, dass es sich bei den Unterzeichnern des Briefs um Personen handelt, die Menschen aus den aktuellen De-Facto-Kolonien Frankreichs nicht sonderlich mögen, obwohl diese Länder seit Jahrzehnten von Frankreich massiv ausgebeutet werden. Die Zustände in den Vorstädten Frankreichs müssten international aus der Menschenrechts-Perspektive bewertet werden, wogegen sich Frankreich vehement wehrt.
Am 11. Mai 2021 veröffentlichten diesmal „aktive Militärangehörige aller Dienstgrade“ einen offenen Brief, der es ebenfalls in sich hat. Dieser zweite offene Brief wurde ebenfalls von der Zeitung „Valeurs Actuelles“ veröffentlicht:
„Fast alle von uns haben die Operation Sentinelle mitbekommen. Wir sahen mit eigenen Augen die verlassenen Vorstädte, die Unterkünfte, die dortige Kriminalität. Wir sind den Instrumentalisierungsversuchen mehrerer Religionsgemeinschaften ausgesetzt, für die Frankreich nichts bedeutet - nichts als ein Objekt des Sarkasmus, der Verachtung und sogar des Hasses (…) Sie könnten argumentieren, dass es nicht Aufgabe des Militärs ist, solches zu sagen. Aber im Gegenteil: Weil wir die Situation unpolitisch einschätzen, geben wir ein professionelles Statement ab. Denn wir haben diesen Rückgang in vielen Krisenländern gesehen. Sie geht dem Zusammenbruch voraus. Sie kündigt Chaos und Gewalt an (…), dieses Chaos und diese Gewalt wird nicht von einer ,militärischen Putsch‘ kommen, sondern von einem zivilen Aufstand (…) Wir sehen, wie der Hass auf Frankreich und seine Geschichte zur Norm wird. Das ist Feigheit, Betrug, Perversion: Das ist nicht unsere Vision von der Hierarchie (…) Ja, wenn ein Bürgerkrieg ausbricht, wird die Armee die Ordnung auf ihrem eigenen Boden aufrechterhalten, weil sie dazu aufgefordert wird.“
Dieser zweite Brief fiel besonders heftig aus. Es ist davon auszugehen, dass sich unter aktiven französischen Militärs Personen befinden, die jene bürgerkriegsähnlichen Zustände provozieren könnten, vor denen sie selbst warnen. Aus den beiden Briefen geht hervor, dass die Zustände in den Vorstädten nur ein vorgeschobener Grund sind. Es geht den französischen Militärs offenbar darum, die Emmanuel Macron abzusetzen oder zum Rücktritt zu zwingen.
Einige Militärs dürften auch sehr unzufrieden über Macrons Nato-Kurs sein. Frankreichs Präsident hatte sich in mehreren wichtigen Fragen mit den USA angelegt. Bemerkenswert ist, dass in dem zweiten Brief behauptet wird, dass in Frankreich nicht in etwa ein Militärputsch, sondern ein Bürgeraufstand drohe. Der Distanzierung von einem möglichen Militärputsch ist kein Glauben zu schenken. Denn diese ist nur erfolgt, um zu verhindern, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen die Verfasser des zweiten offenen Briefs einleitet.
In Frankreich wird es in den kommenden Monaten offenbar zu schweren Unruhen kommen. Die Unruhen werden teilweise im Zusammenhang mit der Corona-Politik und im Verlauf separater Unruhen ethnische Komponenten aufweisen. Die deutschen Behörden sollten auf der Hut sein, damit die wahrscheinlichen Unruhen nicht auf Deutschland überspringen.