Politik

Mit Stahlhelm und Schutzweste: Grünen-Chef Habeck fordert Waffen für die Ukraine

Mit Schutzweste und Stahlhelm ausgerüstet besucht Grünen-Chef Robert Habeck die Frontlinie in der Ostukraine und fordert mehr Waffen für das Land. Damit eckt er sogar in der eigenen Partei an.
25.05.2021 17:34
Aktualisiert: 25.05.2021 17:34
Lesezeit: 3 min
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--- UPDATE von Mittwoch 8:11 Uhr ---

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat seine viel kritisierte Äußerung zur Lieferung von Defensivwaffen an die Ukraine verteidigt und zugleich präzisiert. «Die Ukraine kämpft hier nicht nur für sich selbst, sie verteidigt auch die Sicherheit Europas», sagte der Co-Parteichef im Deutschlandfunk am Mittwoch nach einem Besuch an der Frontlinie. Und mit Blick auf deren Konflikt mit Russland: «Die Ukraine fühlt sich sicherheitspolitisch allein gelassen, und sie ist allein gelassen.» Er sprach nun aber von «Nachtsichtgeräten, Aufklärungsgeräten, Kampfmittelbeseitigung, Medivacs», also Technik für Transport und Versorgung Verletzter.

Am Vortag hatte Habeck dem Sender gesagt, «Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren». Politiker von Union, SPD, Linke kritisierten Habeck dafür scharf. Auch einzelne Grünen-Abgeordnete distanzierten sich von ihrem Parteivorsitzenden.

Am Mittwoch erklärte Habeck: «Ich habe das rein auf die Ukraine bezogen, auf die konkrete Situation, auf die Annexion der Krim, auf die Schießerei, auf die Soldaten.» Er plädiere nicht für Waffenlieferungen an andere Staaten. Eine Nato-Mitgliedschaft des osteuropäischen Landes hält Habeck aktuell noch nicht für ratsam. «Nein, jetzt im Moment kann man das nicht machen. Die Nato ist nicht sortiert.(...) Das wäre auch eine Eskalation der Situation, da muss die Ukraine geduldig sein.»

--- ENDE UPDATE ---

Grünen-Chef Robert Habeck hat sich für Waffenlieferungen in die Ukraine ausgesprochen und ist damit auf breite Ablehnung gestoßen. Auch aus den eigenen Reihen kam Kritik an der Forderung, die Habeck kurz vor einem Besuch an der Frontlinie zwischen den ukrainischen Regierungstruppen und den prorussischen Separatisten im Osten des Landes aufstellte. Dem Deutschlandfunk sagte er: «Waffen zur Verteidigung, zur Selbstverteidigung kann man meiner Ansicht nach, Defensivwaffen, der Ukraine schwer verwehren.» Zuvor hatte er in Kiew mit Präsident Wolodymyr Selenskyj gesprochen.

Die Grünen treten traditionell für eine restriktive Rüstungsexportpolitik ein. Im Entwurf der Parteispitze für das Wahlprogramm heißt es, die Grünen wollten «mit einer restriktiven Ausfuhrkontrolle europäische Rüstungsexporte in Kriegs- und Krisengebiete» beenden.

Die Ukraine ist aber zweifelsfrei zumindest teilweise ein Krisengebiet. In der Ostukraine herrscht seit sieben Jahren ein Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen, in dem UN-Schätzungen zufolge schon mehr als 13 000 Menschen getötet wurden. Nach einer Zuspitzung in diesem Frühjahr hatte die ukrainische Regierung Waffenlieferungen aus dem Westen gefordert.

Habeck betonte zwar, natürlich seien die Grünen eine Partei, die aus dem Pazifismus komme. «Aber wenn man sich mit diesem Konflikt etwas beschäftigt, kann man zumindest die Hilfe zur Selbsthilfe, zur Verteidigung, nicht verwehren.»

In den eigenen Reihen trifft er mit dieser Haltung allerdings auf Widerspruch. «Ich halte es nach wie vor für richtig, dass die Bundesregierung keine Waffen in Kriegsgebiete liefert», sagte die Rüstungsexpertin Katja Keul dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Dass bei den Grünen sich jemand gegen eine inhaltliche Position der Parteiführung stellt, hatte es in den letzten Monaten kaum noch gegeben. Geschlossenheit gilt als oberste Devise, seit Habeck und Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock die Partei führen.

Mit seiner Äußerung widerspricht Habeck aber auch den geltenden Rüstungsexport-Richtlinien der Bundesregierung, die in ihrer Ursprungsfassung eine Errungenschaft der rot-grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder und Vizekanzler Joschka Fischer waren. Diese verbieten die Genehmigung von Rüstungslieferungen in Länder, «die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder wo eine solche droht».

In den letzten Jahren hat es deswegen kaum noch Rüstungslieferungen in die Ukraine gegeben. 2018 und 2019 erlaubte die Bundesregierung Exporte für jeweils 2,1 Millionen Euro - überwiegend Jagd- und Sportwaffen. 2019 entsprach das lediglich 0,03 Prozent aller von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen im Wert von mehr als acht Milliarden Euro.

Das liegt auch daran, dass die Bundesregierung kein Interesse hat, den Konflikt in der Ostukraine weiter anzuheizen. «Eine Aufrüstung der Ukraine würde Russland als Vorwand für eigene Truppen auf der Krim, in der Ostukraine sowie an der russisch-ukrainischen Grenze benutzen», sagte der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt (CDU) dem RND.

Auch aus der SPD kam scharfe Kritik. «Die Forderung, der Ukraine sogenannte Abwehrwaffen zu liefern, ist leichtfertig und unterstreicht erneut, wie wenig regierungsfähig und unaufrichtig die Grünen derzeit auftreten», sagte Fraktionschef Rolf Mützenich dem «Spiegel». Habeck verkenne das komplexe Krisenmanagement in der Region und die innere Situation in der Ukraine.

Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen meinte, Waffenlieferungen in die Ukraine würden den Konflikt weiter eskalieren. «Mit der Forderung nach Waffenlieferungen an die Ukraine fällt Grünen-Chef Robert Habeck noch hinter die Bundesregierung zurück und untergräbt gezielt das Verbot von Rüstungsexporten in Krisen- und Konfliktgebiete», sagte sie.

Anders als Deutschland liefern die USA bereits militärische Ausrüstung in die Ukraine. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hatte dem im Zuge der jüngsten Eskalation weitere Exporte in Aussicht gestellt. Moskau warnt dagegen vor Waffenlieferung in die Ukraine.

Habeck besuchte am Dienstag mit Schutzweste und Stahlhelm die Frontlinie in der Ostukraine. Von Kiew war er bereits am Montag nach Dnipro weitergereist. Am Dienstagmorgen ging es von dort mit dem Hubschrauber nach Mariupol, von wo aus er an die Front weiterreiste. Unter anderem besuchte er das zerstörten Dorf Schyrokyne, das seit 2015 verlassen ist.

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