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Europol führt großangelegte Operation in über 100 Ländern durch

Lesezeit: 3 min
08.06.2021 10:42  Aktualisiert: 08.06.2021 10:42
Internationale Ermittler haben nach Angaben von Europol bei einem Einsatz gegen das Organisierte Verbrechen mehr als 800 Verdächtige in über 100 Ländern festgenommen. In Deutschland wurden 70 Verdächtige verhaftet.
Europol führt großangelegte Operation in über 100 Ländern durch
Das Hauptquartier der Europäischen Polizeibehörde Europol. (Foto: dpa)

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Mit weltweit abgestimmten Aktionen in 16 Ländern ist den Behörden nach jahrelangen Ermittlungen ein schwerer Schlag gegen das organisierte Verbrechen gelungen. Bei Razzien in mehr als 700 Wohnungen wurden in den vergangenen Tagen mehr als 800 Verdächtige festgenommen und über 48 Millionen Dollar an Bargeld und Kryptowährungen beschlagnahmt, wie Europol am Dienstag mitteilte. Zudem stellten die Einsatzkräfte acht Tonnen Kokain, 22 Tonnen Cannabis, zwei Tonnen synthetische Drogen sowie Schusswaffen und 55 Luxusfahrzeuge sicher. In Deutschland durchsuchten Ermittler vor allem in Hessen über 150 Objekte und nahmen mehr als 70 Verdächtige fest. Ihnen würden schwerste Straftaten im Bereich der Organisierten Kriminalität vorgeworfen haben, erklärten hessische Ermittler und das Bundeskriminalamt.

"Diese Operation ist ein außergewöhnlicher Erfolg der Behörden in den Vereinigten Staaten, Schweden, den Niederlanden, Australien, Neuseeland und den anderen europäischen Mitgliedern der Task Force", sagte Jean-Philippe Lecouffe von der europäischen Polizeibehörde Europol auf einer Pressekonferenz in Den Haag. Sie sei unter dem Decknamen "OTF Greenlight/Trojan Shield" eine der größten und ausgeklügelsten Aktionen gegen Kryptonetzwerke gewesen.

Dabei nutzten die Ermittler Erkenntnisse, die sie aus einem von den Kriminellen genutzten Kommunikationsnetzwerk erhielten - den Europol-Angaben zufolge entschlüsselten sie insgesamt 27 Millionen Nachrichten von 12.000 Geräten und überwachten so die Aktivitäten von mehr als 300 organisierten kriminellen Gruppen. Dabei hatten Ermittler des FBI und von australischen Behörden die genutzten Kryptohandys im Jahr 2018 selbst entwickelt, mit einer verschlüsselten Kommunikationsapp namens An0m ausgestattet und mithilfe eines Informanten in kriminellen Kreisen verkauft, wie aus Gerichtsunterlagen hervorgeht. Das An0m-Handy verbreitete sich in dem Milieu und die Ermittler lasen mit.

So hätten die Behörden einen Einblick in die kriminellen Machenschaften erhalten, erläuterte Reece Kershaw von der Australischen Bundespolizei. "Wir waren in den Hintertaschen der organisierten Kriminalität", sagte er. "Alles, worüber sie reden, sind Drogen, Gewalt, Anschläge aufeinander oder unschuldige Menschen, die sie ermorden wollen." Die Ermittler hätten Fotos von "hunderten von Tonnen Kokain verborgen in Obstkisten" gesehen, sagte Calvin Shivers vom FBI in Den Haag. Den Australischen Behörden zufolge wurden 21 Mordpläne verhindert, darunter auch ein geplantes Attentat auf mehrere Menschen.

Zu den beteiligten Ländern gehörten neben Deutschland, den USA, Australien, Schweden und den Niederlanden auch Österreich, Dänemark, Estland, Litauen, Norwegen, Schottland und Großbritannien. In Europa verkündete Europol unter anderem die Festnahme von 70 Personen in Schweden und 49 Verdächtigen in den Niederlanden. In Australien wurden den Angaben der dortigen Behörden zufolge 224 Personen festgenommen, darunter Mitglieder krimineller Motorradgangs, in Neuseeland 35.

Großrazzia gegen arabische Clans in NRW

Rund 600 Polizisten sind in Nordrhein-Westfalen gegen kriminelle Clans vorgegangen. In Leverkusen war ein Polizeipanzer im Einsatz, um den Beamten Zugang zu einer Villa zu verschaffen. Dort seien ein Hauptbeschuldigter (46), seine Frau (42) und seine beiden Söhne (24/28) verhaftet worden, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Dienstag.

Bei dem 46-jährigen handele es sich um «einen der absoluten Top-Leute der Clan-Kriminalität in NRW», sagte Reul. «Wir haben ihn nicht nur festgenommen, sondern ihm auch sein Zuhause weggenommen. Das ist heute ein Schlag gegen die erste Liga der Clan-Kriminalität.» Die Villa werde nun im Grundbuch dem Staat übertragen und die Familie ausgetragen.

Es sei ein großartiger Tag im Kampf gegen die Clan-Kriminalität, sagte der Minister. «Mit jedem Einsatz dringen wir tiefer in den kriminellen Sumpf und in die Schattenwelt der Clans ein.»

Die Einsätze in Leverkusen, Duisburg und Düsseldorf stünden im Zusammenhang mit Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaften in Düsseldorf und Duisburg. In Düsseldorf werde wegen bandenmäßigen Betrugs, Sozialbetrugs und Geldwäsche ermittelt, in Duisburg wegen eines Steuerverfahrens.

Insgesamt seien 31 Objekte durchsucht worden. Nach Angaben von Staatsanwaltschaft und Polizei Düsseldorf sowie vom Landeskriminalamt waren Beamte im Rheinland, Bergischen Land, am Niederrhein und im Ruhrgebiet im Einsatz. Es wurden Häuser, Wohnungen, Büros und Geschäfte durchsucht.

Hinter der Aktion stand die Zentralstelle für die Verfolgung Organisierter Straftaten (ZeOS). «Erneut darf ich der ZeOS zu einem aktuellen Erfolg im Kampf gegen Clankriminalität gratulieren. Wieder einmal hat es sich bewährt, eine schlagkräftige Truppe aus erfahrenen Staatsanwältinnen und Staatsanwälten zu formen, die in der Lage ist, auch komplexe Strukturen aufzubrechen und Punkt für Punkt nachhaltige Strafverfolgung zu betreiben», sagte NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU).

Den intensiven Ermittlungen der ZeOS sei es zu verdanken, dass nicht nur Haftbefehle gegen vier Personen aus dem Clan-Milieu vollstreckt werden konnten, sondern auch große Mengen Bargeld, mehrere Schusswaffen sowie eine Immobilie beschlagnahmt wurden.

Nach Informationen der «Bild»-Zeitung handelt es sich bei dem 46-Jährigen um ein führendes Mitglied des Al-Zein-Clans. Ende Januar hatte der langjährige Berliner Clan-Chef, bekannt als «Pate von Berlin», Deutschland verlassen, bevor er von den Behörden abgeschoben werden sollte.

NRW-Innenminister Reul hatte kriminellen türkisch-arabischstämmigen Großfamilien den Kampf angesagt. Das Phänomen sei «größer und gefährlicher» als bislang bekannt, hatte Reul im August 2020 gesagt.


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