Finanzen

EZB-Direktor: Zentralbank muss Europas Wirtschaft „heiß laufen“ lassen

EZB-Direktor Fabio Panetta zufolge müsse die Zentralbank die europäische Wirtschaft womöglich „heiß laufen“ lassen, um das neue Inflationsziel zu erreichen. Warum die EZB überhaupt eine Geldentwertung anstrebt, bleibt für jene schleierhaft, welche die wahren Motive der EZB nicht verstehen.
29.07.2021 10:00
Aktualisiert: 29.07.2021 10:28
Lesezeit: 2 min
EZB-Direktor: Zentralbank muss Europas Wirtschaft „heiß laufen“ lassen
Das Euro-Zeichen an einem Silvesterabend in Frankfurt. (Foto: dpa) Foto: Boris_Roessler

Die Europäische Zentralbank (EZB) muss aus Sicht von Notenbank-Direktor Fabio Panetta womöglich die Wirtschaft im Euro-Raum regelrecht heiß laufen lassen, um "Preisstabilität" zu garantieren. Es sei eventuell erforderlich, die Wirtschaft ein wenig auf Touren zu bringen, sagte das Mitglied des sechsköpfigen Führungsteams der Euro-Notenbank in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview der italienischen Zeitung Corriere della Sera. "In der Vergangenheit hat Ungeduld die EZB dazu gebracht, die Zinsen verfrüht anzuheben, was übermäßigen Abwärtsdruck auf die Inflation aufrecht erhielt und das Wachstum bremste."

Für riskant hält Panetta eine solche Vorgehensweise nicht. "Im Gegenteil. Das ist ein Weg, um unsere Anstrengungen glaubwürdig zu machen, die Inflation hoch zu bringen auf zwei Prozent," sagte er. Es gelte das verfügbare Reservoir an Arbeitskräften voll auszuschöpfen und Lohndruck zu erzeugen, damit die Inflation auf das Zielniveau gehoben werde. Im Juni lag die offizielle Teuerung im Euro-Raum bei 1,9 Prozent. Die EZB rechnet zwar für die nächsten Monate mit weiter anziehenden Raten, sie hält diese Entwicklung aber nicht für dauerhaft.

Die EZB hatte unlängst ihr Inflationsziel überarbeitet und strebt nun "mittelfristig" zwei Prozent an. Bislang hatte das Ziel auf "knapp unter zwei Prozent" Inflation gelautet. Ihre rekordtiefen Leitzinsen schrieben die Währungshüter für lange Zeit fest. Diese sollen nun so lange auf dem aktuellen oder einem noch tieferen Niveau gehalten werden, bis zu sehen ist, dass die Inflation zwei Prozent erreicht und dann erst einmal auf diesem Niveau bleibt.

Es geht ums Ganze - Inflation wird dauerhaft hoch bleiben

Panettas Äußerungen verweisen auf die wahren Ziele der EZB. Diese bestehen zum einen darin, das hochverschuldete Finanzsystem mit Nullzinsen vor dem Kollaps zu bewahren und andererseits darin, die immensen Schulden der Euro-Staaten mithilfe einer hohen Inflation im Zeitablauf zu "entwerten" und infolge massiver Interventionen am Anleihemarkt die Renditen der Staatsanleihen zu drücken.

Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Umstand, warum eine Zentralbank wie die EZB überhaupt eine jährliche Inflation von 2 Prozent - also faktisch die jährliche Minderung der Kaufkraft des Euro in selbiger Höhe - fordert und dieses Inflationsziel zuletzt noch erhöht hat.

Nebenbei sei bemerkt, dass die Inflation in der Eurozone wahrscheinlich schon seit Jahren deutlich über 2 Prozent liegt, aber mit den herrschenden Berechnungsmethoden "kleingerechnet" wird, wie DWN-Kolumnist Michael Bernegger mehrfach nachgewiesen hatte. Verlierer der Entwicklung sind insbesondere die Sparer, die weiterhin schleichend enteignet werden, weil sie keine Zinsen mehr auf ihre Guthaben erhalten und sogar inzwischen von den Minuszinsen der EZB betroffen sind.

Der Schuldenstand in der Eurozone ist zu Jahresbeginn erstmals über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung gestiegen. Im ersten Quartal sei der öffentliche Schuldenstand auf 100,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gewachsen, teile das Statistikamt Eurostat Mitte Juli in Luxemburg mit. Eurostat verweist auf die Corona-Krise, die auch zu Jahresbeginn zu einem erhöhten Finanzierungsbedarf geführt habe. Im vierten Quartal 2020 hatte der Schuldenstand noch 97,8 Prozent gelegen und im ersten Quartal 2020 bei 86,1 Prozent.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Trumps Krypto-Coup: Milliarden für die Familienkasse
30.06.2025

Donald Trump lässt seine Kritiker verstummen – mit einer beispiellosen Krypto-Strategie. Während er Präsident ist, verdient seine...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition
30.06.2025

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben –...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft PwC: Künstliche Intelligenz schafft Jobs nur für die, die vorbereitet sind
30.06.2025

Künstliche Intelligenz verdrängt keine Jobs – sie schafft neue, besser bezahlte Tätigkeiten. Doch Unternehmen müssen jetzt handeln,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen United Internet-Aktie unter Druck: 1&1 reduziert Prognose
30.06.2025

1&1 senkt überraschend seine Gewinnprognose trotz zuletzt guter Börsenstimmung. Der Grund: deutlich höhere Kosten beim nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Inflation in Deutschland sinkt im Juni auf 2,0 Prozent: Energiepreise entlasten
30.06.2025

Die Inflation in Deutschland hat im Juni einen überraschenden Tiefstand erreicht – doch nicht alle Preise sinken. Was bedeutet das für...

DWN
Politik
Politik Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
30.06.2025

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Raucherpause im Job: Ausstempeln erforderlich?
30.06.2025

Raucherpause im Job – ein kurzer Zug an der Zigarette, doch was sagt das Arbeitsrecht? Zwischen Ausstempeln, Betriebsvereinbarung und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Lufthansa sichert sich Anteile an Air Baltic – trotz Bedenken
30.06.2025

Die Lufthansa steigt bei der lettischen Fluggesellschaft Air Baltic ein – jedoch nicht ohne Bedenken der Kartellwächter. Was bedeutet...