Weltwirtschaft

Fleisch soll deutlich teurer werden: Einkommensschwache Deutsche müssen zurück zum Sonntagsbraten

Lesezeit: 2 min
12.08.2021 14:18
In Deutschland soll eine Fleischsteuer unter dem Deckmantel des „Tierwohls“ und des Klimaschutzes eingeführt werden.
Fleisch soll deutlich teurer werden: Einkommensschwache Deutsche müssen zurück zum Sonntagsbraten
Eine Verkäuferin greift in die Fleischtheke eines Supermarktes. (Foto: dpa)

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Beim Lebensmitteleinkauf zählt vor allem, wie es schmeckt - und was es kostet. Zusehends rückt aber auch in den Blick, dass es Millionen Supermarktkunden jeden Tag mit beeinflussen können, wie sich Ernährungstrends und Produktionsbedingungen wandeln. Nach der Bundestagswahl geht es konkret um Preisaufschläge bei Fleisch und Wurst, um Umbauten für mehr Platz in den Ställen mitzufinanzieren. Die Verbraucherzentralen machen sich dafür stark, solche Mehrkosten in ein Gesamtkonzept einzubetten: mit günstigerem Obst und Gemüse.

„Es ist wichtig, neben dieser Preissteigerung auch eine Entlastung vorzusehen“, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. Und direkt wirken würde es, wenn gleichzeitig Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte mit einem noch geringeren Mehrwertsteuersatz belegt würden. „Das heißt, wir wären hier unter sieben Prozent.“

Die Debatte ist in Fahrt gekommen, seit eine Expertenkommission des Agrarministeriums um den früheren Ressortchef Jochen Borchert eine „Tierwohlabgabe“ vorgeschlagen hat, um Milliardeninvestitionen in bessere Haltungsbedingungen zu finanzieren. Denkbar wären unter anderem 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte, 15 Cent pro Kilo für Käse und Butter. Umgesetzt werden könnte das als Verbrauchsteuer. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) unterstützt solche Pläne. Eine konkrete Umsetzung ist aber Sache der neuen Regierung nach der Bundestagswahl.

Müller sagte, es gehe um Akzeptanz. „Wenn wir Tiere anders halten wollen, was die große Mehrheit der Bevölkerung unterstützt, dann schlägt sich das auch in den Preisen nieder.“ Teurere tierische Produkte bedeuteten für viele Verbraucher allerdings „einen echten Einschnitt in ihre Lebensgewohnheiten und auch ihr Haushaltsbudget“. Darum sei es neben kostenloser hochwertiger Verpflegung in Kitas und Schulen und der Erhöhung sozialer Transferleistungen ein wichtiger Punkt, dies über die Mehrwertsteuer mit auszugleichen.

„Jemand, der dann genauso essen möchte wie heute, wird unterm Strich mehr bezahlen“, sagte der oberste Verbraucherschützer. „Aber jemand, der seine Ernährung ein wenig umstellt - den Sonntagsbraten gibt es immer noch, aber unter der Woche eben vielleicht Gemüsepfanne - der hat die Möglichkeit, insgesamt genauso günstig wie heute zu essen.“

Verbraucherschützer Müller sieht Preisentlastungen bei Obst und Gemüse auch in einem größeren Zusammenhang. „Die Politik diskutiert ja zurzeit über ganz viele Wenden: eine Energiewende, eine Mobilitätswende, eine Agrarwende. Alle die werden erst mal dazu beitragen, dass Preise für energieintensive Produkte teurer werden.“ Er rufe jetzt schon allen Ökonomen zu: „Wir werden eine muntere Debatte über diese politische Inflation bekommen. Wenn alle Wenden gleichzeitig auf Deutschland zulaufen, dürften sie sich zuerst auf Inflationsraten addieren, die sich gewaschen haben.“ Das sei dann verträglich, wenn es gleichzeitig Entlastung auf anderer Seite gebe.

Die neue Fleischsteuer kommt unter dem Deckmantel des Tierwohls daher, ist im Grunde jedoch nichts anderes als eine Steuer auf Fleischkonsum. Kommt es zu einer Situation wie in früheren Zeiten, als es Braten nur am Sonntag gab, weil sich der Großteil der Deutschen Fleisch lediglich einmal pro Woche leisten konnte? Mit ziemlicher Sicherheit nicht. Der Mittelstand wird auch nach Einführung der Steuer finanziell in der Lage sein, mehr als einmal in der Woche Fleisch zu essen. Aber: Für einkommensschwächere Schichten könnte der „Sonntagsbraten“ wieder Realität werden.

Die Frage ist auch: Was geschieht wirklich mit den zusätzlichen Einnahmen? Werden sie tatsächlich dem „Tierwohl“ zugute kommen? Darüber hinaus drängt sich der Eindruck auf, dass die Politik bei der Bekämpfung von Missständen - dem tatsächlich oft inhumanen Umgang mit Nutztieren - mal wieder nichts anderes einfällt, als die Bürger zur Kasse zu bitten.


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