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Bundestagswahl 2021: Deutschland drohen Planwirtschaft und De-Industrialisierung

Lesezeit: 10 min
19.09.2021 12:17
Die EU setzt mit ihrem „Green Deal“ alles auf eine Karte. Für Europa brechen schwierige Zeiten an - ohne, dass dem Weltklima wirklich geholfen wäre, schreibt DWN-Analyst Michael Bernegger.
Bundestagswahl 2021: Deutschland drohen Planwirtschaft und De-Industrialisierung
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (Foto: dpa)

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Geht es nach den letzten Wahlumfragen, steht möglicherweise eine rot-rot-grüne Wende wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Art bevor. Staatsinterventionismus, ja Planwirtschaft würden drohen, so die verzweifelten bürgerlich-liberalen Kräfte. Deutschland stehe vor dem wirtschaftlichen Niedergang, schreiben die ihnen gewogenen Medien. Nun, das ist tatsächlich möglich, aber der Grund für diesen Niedergang wäre nicht die von den Bürgerlichen befürchtete Koalition. Was ist dieser versteckte Grund (der übrigens Ergebnis einer Entwicklung ist, die von einer Regierung in die Wege geleitet wurde, die CDU-geführt ist)?

Die Europäische Kommission hat im Juli 2021 ihre Pläne für den schon früher - anlässlich der Präsentation der neu zusammengesetzten EU-Kommission - angekündigten „Green Deal‘ vorgestellt. In einer Pressemitteilung vom 14. Juli sind die Schwerpunkte zusammengefasst, in einer ganzen Serie von Anhängen die Details zu den einzelnen Bereichen skizziert. Primär geht es dabei um die Transformation der ganzen Wirtschaft, des Verkehrs und der Autoindustrie, doch sind in den Grundzügen auch die anderen wichtigen Bereiche wie Bauen/Wohnen, die nicht-Autoindustrie sowie die Energieproduktion aufgeführt.

Es ist ein monumentales Vorhaben, das in den nächsten rund 15 Jahren für die Länder der Europäischen Union geplant ist. Zeitlich liegt der Schwerpunkt dabei bereits auf den nächsten Jahren bis 2030. Wirtschaft und Gesellschaft sollen einer umfassenden, ökologisch ausgerichteten Transformation unterzogen werden, die praktisch alle Lebensbereiche umfassen wird. Das Papier stammt von der EU-Kommission und bedarf noch der Ratifikation durch das EU-Parlament sowie durch die Mitgliedsländer. Damit werden auch Einwände und Änderungen einfließen können.

Kein Zweifel besteht darüber, dass der ganze Vorschlag mit den Regierungen der einflussreichen Mitgliedsländer abgesprochen ist. Deutschland jedenfalls hat seine Version des Plans bereits 2019 verabschiedet und 2021 nochmals abgeändert und aufdatiert. Die Methodologie entspricht exakt der EU-Version, ist aber viel ambitiöser und weitreichender.

Das Vorhaben ist in den Medien nur kurz in wenigen Kernpunkten zusammengefasst worden. Dabei verdient es erheblich mehr Aufmerksamkeit. Angesichts seiner Bedeutung, seiner immensen Reichweite und versteckten Implikationen sollen hier seine kritischen Kernpunkte dargestellt und gewürdigt werden. Dies umso mehr, als die europäische Version als Blaupause für den Rest der Welt im Rahmen des „Great Reset“ angesehen werden kann. Fakt ist: Das Vorhaben hat immense gesamtwirtschaftliche Konsequenzen für das langfristige Wirtschaftswachstum und für Konjunktur und Inflation in Europa und in Deutschland, für seine industrielle und branchenspezifische Entwicklung und Wettbewerbsfähigkeit sowie für die Wachstumseffekte innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Das Programm hat tatsächlich auch sehr bedeutende Effekt auf das Weltklima, aber leider wohl nicht die gewünschten.

Um das Weltklima sei es schlecht bestellt, hat vor einigen Wochen der Weltklimarat der Vereinten Nationen in seinem neuesten Bericht geschlossen. Die Welt steuere bis 2100 auf einen Anstieg der Durchschnittstemperatur gegenüber vorindustriellen Zeiten um 3 Prozent zu. Das Zeitfenster für entschlossenes Handeln schließe sich bald, die 2020er Jahre seien entscheidend. Nun, angesichts dieser Vorgaben kann man der Europäischen Kommission ein entschlossenes Vorhaben nicht absprechen. Die Frage ist nur, ob es in die richtige Richtung zielt oder ob es im schlimmsten Fall sogar gegenteilige Effekte provoziert.

Auf jeden Fall ist die Absicht, die EU und spezifisch Deutschland praktisch zum führenden Wirtschaftsraum weltweit in dieser Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft mit drastisch reduzierten Treibhausgas-Emissionen (EU bis 2030 mindestens minus 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990, Deutschland minus 65 Prozent) sowie Netto-Null Emissionen an CO2 (EU bis 2050, Deutschland bis 2045) zu machen. Um die Größenordnung zu verdeutlichen: Die Union müsste (Vereinigtes Königreich eingerechnet) bis 2030 ihre CO2-Emissionen um 38 Prozent gegenüber 2019 senken. Wir wollen hier untersuchen, ob das Projekt der EU-Kommission in sich kohärent und logisch ist, und ob damit die anvisierte Zielsetzung der EU-Kommission zur Reduktion von CO2-Emissionen ganz oder zumindest teilweise erreicht werden kann.

Die Kernpunkte und Implikationen des Kommissions-Programms

Das von der EU-Kommission präsentierte Programm ist ein umfassender Katalog von Maßnahmen, die alle Bereiche von Energieproduktion und Verbrauch sowie weitere Aktivitäten betreffen. Dieser breitgefasste Katalog basiert auf dem Vorsatz, Branche für Branche die Emissionen von CO2 in der Europäischen Union zu reduzieren, und zwar rasch und stark. Implizit enthält das Programm ganz massive gesamtwirtschaftliche und politische Konsequenzen weit über die Umweltpolitik hinaus.

Der Green Deal führt erstens zu einer ausgeprägten Zentralisierung von Entscheidungsmacht bei der Europäischen Kommission. Unter dem Titel „Green Deal“ wird es einen extremen Ausbau der Kompetenzen für die Kommission geben, die praktisch zu einer zentralen Planungsbehörde für die gesamte Wirtschaft in der Union wird. Das heißt, sie kann in Zukunft Vorgaben für alles und jedes erlassen. Nationale Regierungen sind eigentlich nur noch Ausführungsorgane, welche die Umsetzung im Rahmen dieser zentraleuropäischen Regulierungsmaschine organisieren. Umgekehrt wird die private Wirtschaft einem ausgeprägten Regulierungsdruck ausgesetzt, mit völlig neuartigen Vorgaben, Einschränkungen und Zielsetzungen.

Diese zentrale Planung der EU-Kommission steht zweitens sehr einseitig unter dem Diktat von Reduktionszielen für die CO2-Emissionen für die ganze Union. Diese werden auf Länder, Sektor- und Branchenebene hinunter gebrochen und mit jährlichen Reduktionszielen für diese unterlegt, die für alle Mitgliedsländer, Sektoren und Branchen ähnlich sind. Es ist ein zentralistisches, dirigistisches, aber zu wenig flexibles Konzept.

Was auf der Strecke bleibt, sind die regionale Wirtschaftsentwicklung und -förderung. Sie werden nicht oder kaum erwähnt und stehen nicht im Zentrum. Hintergrund für die Bedeutung dieses Arguments ist folgender: Von der Europäischen Montanunion über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bis zur Europäischen Gemeinschaft und der Startphase der Europäischen Union in den 1990er Jahren haben immer alle oder fast alle Mitgliedsländer profitiert und prosperiert. Die Wirtschaft Europas ist auch gewachsen.

Seit der Jahrtausendwende ist Europa die globale Wirtschaftsregion mit der mit großem Abstand schwächsten Wachstumsdynamik. Darüber hinaus ist innerhalb Europas eine ausgeprägte Divergenz feststellbar. Parallel zur Einführung der Währungsunion, zum Beitritt der mittel- und osteuropäischen Transformationsländer und zur Globalisierung mit dem WTO-Beitritt Chinas, haben einige wenige Länder, hauptsächlich solche in Ostmitteleuropa, stark profitiert, andere sind gewachsen, aber schwächer als in der Vergangenheit, und nicht wenige haben absolut gesehen verloren, und zwar stark verloren. Ostmitteleuropa und Deutschland/Österreich sowie einige kleinere nordeuropäische Länder haben profitiert, die Mittelmeer-Länder (Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland) und einzelne Balkan-Staaten haben schwere Einbrüche erlitten und sich nicht mehr erholt. Genau diese Ländergruppe ist nun auch von der COVID-19 Pandemie wirtschaftlich besonders hart unter die Räder geraten, weil ihre Wachstumsbereiche Tourismus und Transport zusätzlich massiv unter die Räder kamen. Überall in Westeuropa ist eine massive De-Industrialisierung feststellbar. Die Industrie hat sich nach China einerseits und nach Ostmitteleuropa andrerseits verlagert. Eine derart dirigistische Politik der Zentrale, wie sie geplant ist, muss in einer Währungsunion klare regional Hilfen leisten, wenn sich solche Divergenzen über lange Zeiträume aufgebaut haben.

Doch mit den energiepolitischen Zielsetzungen und Maßnahmen der Kommission wird eigentlich eine regionale Strukturkonservierung betrieben. Die jetzigen Ungleichgewichte und die depressive Wirtschaftssituation in den großen Mittelmeerländern werden zementiert. Jene Länder mit hohem CO2-Ausstoß (auch pro Kopf) wie die meisten Länder in Ostmitteleuropa haben die gleichen oder ähnliche jährliche prozentuale CO2-Reduktionsziele wie diejenigen, deren Industrien weitgehend zusammengebrochen sind wie in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal oder Griechenland. Damit dürften diese fünf Länder nicht mehr aus dem Jammertal herausfinden.

Ein zweiter kritischer Punkt, der mit keinem Wort erwähnt wird, betrifft das Risiko von Engpässen bei den regionalen, nationalen, EU-weiten und globalen Lieferketten. Wird alles mehr oder weniger gleichermaßen heruntergefahren, brechen üblicherweise ein System oder Lieferketten an ihrem schwächsten Glied. Passiert dies, werden ganze Sektoren, Industrien oder Regionen betroffen und im Extremfall ausgeschaltet. Dieses Problem globaler Lieferketten hat sich schon längere Zeit abgezeichnet. Der Autor hat schon 2015/2016 in mehreren Artikeln auf das Risiko im Stahlbereich für die Lieferketten für die ganze verarbeitende Industrie in Europa (damals vor allem im Vereinigten Königreich und in Deutschland) hingewiesen. In der COVID-Pandemie hat sich die Problematik gestörter oder unterbrochener Lieferketten erstmals drastisch und auf breiter Front manifestiert. Es dürfte noch lange anhalten und sich weiter zuspitzen. Es ist wichtig und erfordert große Sachkenntnis der Industrie, die kritischen Punkte genau und vor allem frühzeitig zu erkennen. Den Industriesektor einfach querbeet den gleichen Emissionszielen zu unterwerfen, kann hoch gefährlich sein.

Stärkung und Ausweitung des Emissionshandelssystems

Das „umfassende Paket zusammenhängender Vorschläge“, wie es in der Pressemitteilung heißt, umfasst ein breites Spektrum von Maßnahmen. Konzeptuell lassen sie sich in solche unterteilen, welche die Produktionsseite der Wirtschaft respektive deren Emissionen betreffen, und solche, welche auf die Endverbrauchsseite oder den Konsum und die damit zusammenhängenden Emissionen abzielen. In diesem kurzen Artikel kann nicht alles dargestellt werden, die Darstellung konzentriert sich auf einige wichtige Punkte, welche die Produktionsseite betreffen. Das wichtigste Instrument dabei ist das EU-Emissionshandelssystem (EU-EHS), dessen Rolle gewaltig ausgebaut werden soll.

Durch das EU-Emissionshandelssystem wird seit 2005 die Emission von CO2 in Europa bepreist. Dies für die Bereiche der Strom-Erzeugung und der energieintensiven verarbeitenden Industrie, etwa von Ölraffinerien, der Baustoff-Industrie (Zement, Aluminium, Kupfer, andere Metalle) oder von Stahlwerken. Dieses System enthält einerseits sektorspezifische Obergrenzen, die alljährlich von der Kommission angepasst respektive gesenkt werden. Bei Überschreiten dieser Obergrenzen gibt es Strafzahlungen, die happig ausfallen können. Andrerseits enthält es ein System, bei dem CO2-Gutschriften erfolgen, wenn die Obergrenze unterschritten wird. Die betreffenden Produzenten können diese Gutschriften entweder auf Folgeperioden übertragen oder im EU-Emissionshandelssystem verkaufen. Als Käufer treten üblicherweise Produzenten auf, welche die Grenzwerte überschreiten oder überschreiten werden, und die damit Strafzahlungen reduzieren können.

Die Kommission erachtet dieses System als Erfolg und will es einerseits auf die gesamte Industrie und andrerseits auf die Luft- oder Schifffahrt ausdehnen. Zudem plant sie ein neues paralleles Emissionssystem für Gebäude (Wohn- und Geschäftshäuser) und den Verkehr zu schaffen. Das sind beides Bereiche, wo die Emissionen seit 1990 nicht gefallen, sondern sogar gestiegen sind, und die deshalb von der Kommission besonders ins Visier genommen werden.

Etwas zugespitzt kann man formulieren, dass durch dieses Emissionssystem bisher vor allem die Produktion von CO2-intensiven Branchen in Europa reduziert worden ist, wobei der Konsum sowie energieintensive Dienstleistungen nicht tangiert oder erfasst wurde. In der Zukunft soll auch der Verbrauch oder Konsum von CO2-intensiven Produkten und die Produktion von Energie-intensiven Dienstleistungen reduziert werden.

Es ist im Übrigen keineswegs klar, wie die EU-Kommission darauf kommt, dass dieses Emissionssystem ein Erfolg irgendwelcher Art sein könnte. Denn da isoliert nur die Produktion von Energie und Energie-intensiver Industrien in Europa diesem System unterworfen war, hat dies einfach zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland geführt.

  • Als Beispiel seien die Stahlindustrie oder Erdöl-Raffinerien angeführt. Die immer strengeren Vorschriften hätten hohe Investitionen zur Emissionsreduktion erfordert, die sich nicht lohnten. Um diese zu umgehen, wurde die Stahlproduktion über die Zeit hinweg reduziert, verlagert oder eingestellt, während der Bedarf zunehmend mit Importen aus China und Indien gedeckt wurde. Dort wird die Produktion von Stahl mit billiger Kohle und mit Staatskrediten betrieben. Umweltvorschriften sind ein Fremdwort. Gleiches gilt für die Erdöl-Raffinerien. Auch diese sind zahlreich aus Europa verschwunden. Doch Erdöl muss weiterhin zu Benzin, Diesel oder anderen Raffinerie-Produkten verarbeitet werden. Dies geschieht nun einfach in den großen Erdöl-Produzentenländern, wo die Energie spottbillig ist und kein solches Emissionssystem die Produktion behindert.
  • Ebenso aus Europa verschwunden sind die Metallproduktion aller Art wie Aluminium-Schmelzwerke sowie zahlreiche andere verarbeitende Industrien und Branchen, etwa die Porzellan-Manufaktur, die besonders Energie-intensiv sind. Mit anderen Worten sind große Teile der Schwerindustrie, das Rückgrat der verarbeitenden Industrie, aus Europa verschwunden. Deren Produkte werden weiterhin benötigt. Sie werden allerdings dort hergestellt werden, wo die CO2-Emissionen mit Sicherheit wesentlich höher als in Europa sind, weil es keinerlei solche Umwelt-Vorschriften gibt.
  • Die Verlagerung geschah im Übrigen nicht so, dass in den neuen Produktionsstandorten existierende, aber unausgesetzte Kapazitäten nun für den Export nach Europa umgepolt werden konnten. Nein, es wurden dort neue Werke und Fabriken samt Zulieferbetrieben, Städten, Häfen, Terminals, Straßen und Kraftwerken errichtet, Wohnsiedlungen für die Beschäftigten erstellt, usw. Das heißt, die Produktionsverlagerung löste immense sekundäre Investitionseffekte aus, mit den unvermeidlich damit verbundenen sehr hohen CO2-Emissionen. Die Bauaktivität und Baustoffindustrien haben einen sehr hohen Energieverbrauch und damit sehr hohe CO2-Emissionen. In China wurden im Übrigen gewaltige Überkapazitäten in fast allen Industrien, in Wohn- und Geschäftsgebäuden geschaffen, die heute noch nicht absorbiert sind. Etwas pointiert ausgedrückt, haben die EU und teilweise auch die Vereinigten Staaten im Energiesektor, bei einigen besonders energieintensiven Industrien und in der allgemeinen verarbeitenden Industrie etwas CO2-Ausstoß reduziert, dafür sind in Asien, spezifisch in China, die Gesamtemissionen gigantisch angewachsen.

Dem Weltklima hat diese Produktionsverlagerung netto massiv geschadet und – anders als die Scheinheiligen behaupten - nicht genützt. Die CO2-Emissionen Chinas und Indiens und anderer asiatischer Länder sind in den vergangenen beiden Jahrzehnten regelrecht explodiert. Ökonomisch hat dies Europa, spezifisch Westeuropa, eine beschleunigte Deindustrialisierung beschert. Diese Industrien sind nicht nur energie-, sondern auch kapitalintensiv. Sie haben deshalb eine hohe Produktivität und über die Zeit hinweg hohe Produktivitätsfortschritte. Damit sind Hochlohnbranchen verschwunden, und der Produktivitätsfortschritt hat sich massiv verlangsamt. Außerdem sind sie eben auch mit vor- und nachgelagerten Zulieferungen und Dienstleistungen verbunden, so dass sich nicht nur die Zahl der Industrie-Beschäftigten in Westeuropa drastisch reduziert, sondern auch das Beschäftigungswachstum im Dienstleistungssektor verlangsamt hat.

Nach dieser ernüchternden Erfahrung erstaunt es doch, dass die ganze eher gescheiterte Übung Europas zur Rettung des Weltklimas im laufenden Jahrzehnt noch intensiviert werden soll. Die EU-Kommission kündigt in ihrem Bericht an, dass die jährlichen Obergrenzen inskünftig noch schneller gesenkt werden sollen als in der Vergangenheit. Dabei werden immer weitere Industrien diesem Regime unterworfen, das heißt das Regime wird auf die gesamte Industrie ausgedehnt. Neu dabei ist nun auch die Autoindustrie, für die seit 2020 ein solches Regime mit Obergrenzen und Strafzahlungen eingeführt worden ist. Drei Bemerkungen seien vorsorglich angeführt:

  • Die EU-Kommission behauptet, dass bei den bisher dem Emissionssystem unterworfenen besonders energieintensiven Industrien die CO2-Effekte besonders einfach und präzis gemessen werden konnten. Das ist nur auf Länder- oder EU-Ebene richtig und im globalen Kontext schlicht unwahr. Bei sogenanntem Freihandel konnten Importe von Produkten aus Ländern, die effektive CO2-Schleudern sind und weiterhin sein werden, die in Europa existierende Industrie locker wegräumen. China und Indien als die beiden mit Abstand bevölkerungsreichsten Länder der Welt sind überdies bis 2030 im Pariser Klimaabkommen von der Einschränkung der CO2-Emissionen weitgehend ausgenommen. Dabei ist China der mit Abstand größte CO2-Emittent der Welt, fast 30 Prozent der globalen Emissionen entfallen allein auf die Volksrepublik. Zum Vergleich: Asien total 53 %, USA 15%, EU-28 (inklusive Großbritannien) 9%, Indien 7% und Russische Föderation 5%, Deutschland 2%.
  • Das sind die Daten für 2017, heute dürften sich die Gewichte noch weiter weg von der EU verschoben haben, nur schon wegen des Ausscheidens Großbritanniens, aber auch wegen des viel stärkeren Wirtschaftswachstums in China und Indien, auch in den USA und in den restlichen asiatischen Ländern. China und Indien planen beide den Ausbau der Kohlekraft in ihrem Land, um die Wirtschaft weiterzuentwickeln. China plant, finanziert und baut überdies den Bau von Hunderten von großen Kohlekraftwerken im Rahmen ihrer Neuen Seidenstraße in anderen Schwellen-Ländern, um dort die Wirtschaft für ihren Export Absatz zu entwickeln. Wenn die ganze Industrie in Europa diesem noch beschleunigten Alleingang unterworfen wird, dann ist die weitere De-Industrialisierung insbesondere Westeuropas vorgezeichnet. Ausgerechnet dort, wo die Industrie im globalen Vergleich besonders energieeffizient ist, soll sie weiter heruntergefahren werden. China hat im Übrigen heute schon einen höheren CO2-Ausstoß pro Kopf als die Europäische Union.

Die EU-Kommission hat immerhin etwas hinzugelernt: Sie belegt seit einiger Zeit die Importe von besonders klimaschädlichen Produkten mit selektiven Zuschlägen und will dies ausbauen, damit die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Industrie nicht weiter unterminiert werden soll. Und sie hat verstanden, dass die Reduktion nicht nur die Produktion, sondern vor allem auch den Konsum umfassen soll. Beides ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber vermag er auch zu genügen? Mit diesen beiden Punkten wird sich der nächste Artikel beschäftigen, der sich auf den Verkehr und die Autoindustrie konzentrieren wird.

Für Deutschland entscheidend ist, dass die CO2-Emissionen bis 2030 einschneidend reduziert werden sollen. Diese Ziele sind im Gesetz festgeschrieben und nicht per Verordnung zu verändern. Das rot-grün-rote Programm steht bereits. Die Reduktionsziele sind ambitiös und betreffen praktisch alle Aktivitäten. Im Energiesektor soll vor allem die erneuerbaren Energien ausgebaut werden. Auch die Industrie muss die Emissionen weiter senken. Neu sind vor allem höchst ambitiöse Ziele für Gebäude und den Verkehr. Der bisher weitgehend verschonte Transport vor allem soll seine Emissionen massiv und drakonisch reduzieren. Dies betrifft zentral den Autoverkehr, mit dem wir uns spezifisch beschäftigen wollen. Das Risiko sollte nicht unterschätzt werden, dass das ganze Programm eine Fortsetzung der letzten 20 Jahre sein wird. Wirtschaftliche Stagnation in Westeuropa und neu auch in Deutschland, (Emissions-) Boom in Asien.


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