Am 1. September 2021 diskutierten die EZB-Chefin Christine Lagarde und der Gründer des Weltwirtschaftsforums (WEF), Klaus Schwab, über die Corona-Krise, das Finanzsystem und die Globalisierung. Die wichtigsten Abschnitte werden in dieser Meldung dokumentiert.
Die Diskussion wurde auf der Webseite des Magazins „TIME“ und auf der Webseite des WEF dokumentiert. Schwab machte klar, dass er Lagarde seit 20 Jahren kennt. Die EZB-Chefin wörtlich: „Vielen Dank, Klaus. Ja, es waren 20 Jahre glücklicher gemeinsamer Reisen, bei denen wir uns oft über den Weg gelaufen sind. Wir betrachteten die Welt, wie sie sich entwickelte, und versuchten, Wege zu finden, sie zu verbessern, sofern wir es konnten. Und ich möchte Deine Bemühungen auf dieser Reise begrüßen.“
Die EZB-Chefin betonte im Gespräch mit Schwab, dass sehr schnell Impfstoffe entwickelt werden konnten. „Und dann haben wir dank der Globalisierung in vielerlei Hinsicht – und das möchte ich gerne erweitern – in kürzester Zeit Impfstoffe entwickelt – etwas, was noch nie dagewesen ist. Von einer Pandemie, die im Februar begann, standen uns im Dezember Impfstoffe zur Verfügung. Normalerweise dauert es mehr als fünf Jahre, um zu experimentieren und einen erfolgreichen Impfstoff zu entwickeln. Diesmal waren es neun Monate statt fünf Jahre. Und dies ist weitgehend eine Geschichte der Globalisierung“, so Lagarde voller Freude.
Die Notenbankerin setzt sich für ein schnelleres Impftempo ein. Sie meint: „Neben der Unterstützung der Genesung müssen wir impfen. Wenn wir nicht die ganze Welt impfen, wie wir es sollten, wird COVID-19 zurückkommen, um uns zu verfolgen – und das Virus wird zurückkommen, um uns zu verletzen. Dafür muss die Welt ein bisschen großzügiger sein (...) Wie Sie wissen, verblüfft mich die Tatsache, dass die gesamte Weltgemeinschaft nicht 50 Milliarden Dollar aufbringen kann, um die Impfung in den Ländern der Welt anzugehen, in denen nur zwei Prozent der Bevölkerung geimpft sind – ich meine die Länder mit niedrigem Einkommen.“
Schwab fragte sie: „Meine Frage wäre, was können Institutionen wie die EZB und auch Zentralbanken tun, damit die Geldpolitik wirklich zu einem gesünderen Leben und einem gesunden Planeten beiträgt? Und welche Auswirkungen hätte der Kampf gegen den Klimawandel und der Erhalt von Natur und Biodiversität konkret für unser Wirtschaftsmodell? Viele Menschen befürchten, dass es uns (viel, Anm.d.Red.) kostet und mit einer Einschränkung unseres Lebensstils und unserer Lebensqualität einhergeht. Können wir die Bemühungen um eine grüne Wirtschaft mit wirtschaftlichen Kosten kombinieren?“
Lagarde: „Das sind tolle Fragen (...) Welche Rolle können Zentralbanken im Kampf gegen den Klimawandel spielen? Und das ist ein höchst umstrittenes Thema. Es gibt einige traditionelle Denker, die der Meinung sind, dass sich Zentralbanken ganz aus diesem Geschäft heraushalten und sich ausschließlich auf Inflation und Preisstabilität konzentrieren sollten. Dem widerspreche ich selbst vehement (…) Der Klimawandel wirkt sich auf die Bewertung von Vermögenswerten aus, weil er Unternehmen ein Risiko aussetzt. Nicht nur die Vermögenswerte, die sie besitzen, sondern auch die Produkte, die sie herstellen. Und das ist im Moment noch nicht sehr gut erfasst.“
Schwab und Lagarde führten ein durchaus freundliches und impulsives Gespräch. Es wurde deutlich, dass sie sich wirklich seit Jahrzehnten sehr gut kennen. Unklar bleibt, ob sie imstande sein werden, das Impftempo zu erhöhen.
Der Webseite „Our World Data“ zufolge wurden bisher nur 2,19 Milliarden Menschen vollständig geimpft. Bedeutet das, dass der weltweite Corona-Notstand mindestens bis zum Jahr 2023 andauern wird? Oder dient der Hinweis von Lagarde als Druckmittel auf die Ungeimpften in den Industrieländern, in denen Impfstoffe zugänglich sind?
Lagarde und Schwab haben sicherlich Antworten auf diese kritische Fragen, die von der Meinungs- und Pressefreiheit gedeckt ist – zumindest noch.