Politik

Verdacht schwerer Straftaten: Österreichs Kanzler Kurz nach Razzien unter Druck

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist Medienberichten zufolge erneut ins Visier der Justiz geraten. Am Mittwochmorgen gab es Razzien im Kanzleramt, in der Parteizentrale in Wien und im Finanzministerium
06.10.2021 16:45
Aktualisiert: 06.10.2021 16:45
Lesezeit: 2 min
Verdacht schwerer Straftaten: Österreichs Kanzler Kurz nach Razzien unter Druck
Sebastian Kurz trifft am Mittwoch zum EU-Gipfel in Slowenien ein, während er daheim in Österreich Ärger mit der Justiz hat. (Foto: dpa) Foto: Petr David Josek

Nach Razzien bei Österreichs Kanzlerpartei ÖVP dringen die Oppositionsparteien auf eine Sondersitzung des Parlaments. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) müsse sich neben der Justiz auch vor dem Parlament und der Öffentlichkeit verantworten, wird der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried am Mittwoch in einer gemeinsamen Mitteilung von SPÖ, FPÖ und Neos zitiert.

"Die Vorwürfe der Justiz gegen Kanzler Kurz, seine engsten Mitarbeiter und die ÖVP sind schwerwiegend und einmalig in der Zweiten Republik. Der Bundeskanzler der Republik steht im Verdacht schwerer Straftaten, so etwas hat es noch nie gegeben", sagte der Politiker von Österreichs größter Oppositionspartei. Die Sondersitzung solle so rasch wie möglich stattfinden.

Kurz ist Medienberichten zufolge erneut ins Visier der Justiz geraten. Am Mittwochmorgen gab es Razzien im Kanzleramt, in der Parteizentrale in Wien und im Finanzministerium, wie die ÖVP gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bestätigte. Die Betroffenen seien Mitarbeiter aus dem Kabinett des Kanzlers sowie ein Berater. ORF-Radio sowie mehrere Tageszeitungen berichteten auf ihren Internetseiten, dass neben engen Vertrauten des Kanzlers auch Kurz selbst unter den Beschuldigten sei. Zu den Vorwürfen gegen den Kanzler wollte sich zunächst niemand aus der ÖVP äußern.

"Wenn die Regierung und offensichtlich auch der Bundespräsident handlungsunfähig sind, muss das Parlament die Notbremse ziehen. Der Rücktritt des Bundeskanzlers ist angesichts der aktuellen Entwicklungen unausweichlich", sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Sollte Kurz nicht von sich aus die Konsequenz ziehen, will die FPÖ einen Misstrauensantrag einbringen.

"Die Hausdurchsuchungen und die Vorwürfe zeigen, dass Sebastian Kurz mit unlauteren Mitteln zuerst die Parteiführung an sich gerissen hat und dann den Wahlsieg 2017", sagte der stellvertretende Neo-Klubobmann Nikolaus Scherak. Der Kanzler müsse nun Verantwortung übernehmen, sonst sei die Regierung nicht mehr handlungsfähig.

Warum ermittelt Österreichs Justiz gegen Kanzler Kurz?

Österreichs Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen des Verdachts der Untreue und der Bestechung. Im Zuge dieser Ermittlungen hätten am Mittwoch Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten stattgefunden, darunter auch in einzelnen Büros zweier Bundesministerien, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Neben Kurz werde auch gegen neun weitere Beschuldigte ermittelt.

Laut Staatsanwaltschaft wird dem Verdacht nachgegangen, dass zwischen 2016 und zumindest 2018 Gelder des Finanzministeriums zur Finanzierung von parteipolitisch motivierten und mitunter manipulierten Umfragen eines Meinungsforschungsinstituts verwendet wurden. Diese Umfrageergebnisse seien - ohne als Anzeige deklariert worden zu sein - im redaktionellen Teil einer österreichischen Tageszeitung und anderen zu dieser Gruppe gehörenden Medien veröffentlicht worden, erklärte die WKStA den Vorwurf. Laut der Behörde besteht der Verdacht, dass im Gegenzug von den Amtsträgern im Rahmen von Medien- und Inseratekooperationen Zahlungen an das Medienunternehmen geleistet worden seien.

Die im Zuge der Hausdurchsuchungen sichergestellten Beweismittel würden nun gesichtet und ausgewertet, so die WKStA. Weitere Details wurden nicht genannt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Politik
Politik Abhängigkeit von US-Technologie: Welche Herausforderungen Europa jetzt meistern muss
02.11.2025

Technologie und digitale Souveränität stehen im transatlantischen Verhältnis zunehmend im Fokus. Europa nutzt US-amerikanische Systeme,...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersrente berechnen: So hoch ist die Maximalrente in Deutschland - unerreichbar für die meisten
01.11.2025

Im Alter gilt, je mehr Rente, desto besser. Doch selbst mit extra Schichten oder einem hohen Einkommen ist der maximale Betrag an...

DWN
Finanzen
Finanzen Zehn S&P 500‑Aktien mit Aufholpotenzial: So bewerten Analysten Chancen und Risiken
01.11.2025

Zehn S&P 500‑Aktien, die Analysten trotz schwächerer Jahresperformance als chancenreich einstufen, werden auf Wachstum, Bewertung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Lithium und die Energiewende: Wie der Rohstoff Elektronik und E-Mobilität vorantreibt
01.11.2025

Lithium gilt als das Metall unserer Zeit. Smartphones, Laptops und Elektroautos kommen ohne es nicht aus. Die Nachfrage steigt rapide,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Winzer unter Druck: Wie sich eine Branche neu erfinden muss
01.11.2025

Der deutsche Weinbau steckt in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Sinkender Konsum, steigende Kosten und eine zunehmende...

DWN
Technologie
Technologie Wärmepumpen als Zeichen moderner Energieeffizienz: Wie KI ihre Leistung steigern wird
01.11.2025

Das Heizen wird künftig noch effizienter, kostengünstiger und komfortabler. Dank künstlicher Intelligenz werden Wärmepumpen in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fahrradverleih in Europa: Wie nachhaltige Mobilität jährlich 305 Millionen Euro bringt
01.11.2025

Fahrräder sind in vielen europäischen Städten längst Teil der urbanen Mobilität. Bikesharing bietet Vorteile über den reinen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chip-Markt: Neues Öl oder neue Bombe?
01.11.2025

Chips sind das Rückgrat der KI-Revolution. Doch hinter Rekorden und Milliardendeals wächst das Risiko. Ein Blick in die...